Affenzirkus am frühen Morgen und späten Abend

Da ist endlich Sonntag, sprich rein theoretisch (blöd nur, dass Theorie und Praxis quasi nie übereinstimmen…) könnte ich lange schlafen, und dann: sind da die Affen. ‚Da‘ heißt direkt vor meinen Fenstern. Und ’sind‘ heißt kreischen rum und machen einen riesen Terz. Yeah, warum müssen die das ausgerechnet am Sonntag machen? Es gibt doch 6 weitere, wunderbare Tage in der Woche. Tage, an denen mir egal ist, wenn ca. 40-50 Affen meinen, morgens auf dem Dach nebenan kämpfen zu müssen. Und zwar so lautstark, dass ich erst dachte, da kommt ein riesen Schwarm Vögel aus Sibirien. Die kommen nämlich zu dieser Zeit. Aber sie sind rücksichtsvoll, kommen lautlos und lassen mich schlafen. Sehr sympathisch. Achso, keine Ahnung was da in der Schöpfung schief gelaufen ist, aber die Affen hier klingen wie Vögel. Und manchmal auch wie Hunde. Gut, vielleicht habe ich auch eine gestörte Wahrnehmung 😀 Da wurde ich also schon um halb 8 geweckt. Was fing der Tag gut an! Vormittags wollte ich dann eigentlich noch Ohrringe im passenden Grünton zum Saree kaufen. Garnicht so leicht, die ganzen Verkäufer hatten nämlich anscheinend das Glück, lange zu schlafen. Wenn man sie einmal braucht… Jaja, so ist das. Natürlich hatten auch sämtliche Shops zu, die Schals verkaufen. Wollte noch ein Hochzeitsgeschenk besorgen. Hatte Glück, als ich mittags wie der bekommen bin, hatte ein Festpreisladen auf. Ein Laden, wo handeln zwecklos ist, weil alle Preise auf einem Etikett stehen. Wenn man den restlichen Tag nichts mehr vor hat, ist das ja nicht so tragisch, eine gefühlte Ewigkeit um den Preis zu feilschen. Nur nervig. Aber ich musste um halb 5 bei Nisha sein, die mich für die Hochzeit präparieren wollte. War ich dann auch, allerdings war Nisha nicht da. Sie kam eine halbe Stunde später, womit wir eigentlich noch 1,5St Zeit hatten. Wobei ‚wir‘ sie heißt. Ich saß auf einem Stuhl und habe mich schminken und frisieren lassen, dann stand ich um den Saree an mir anbringen zu lassen. War selber also nicht so aktiv 😉 geschminkt hat sie mich wie eine Prinzessin an Fasching. Ihre Schwester fand das nicht ausreichend und hat dann nochmal den Lidstrich fett nachgezogen und mit pinken (der Saree ist grün!!!) Lidschatten auf meinem Auge rumgepinselt. Und dann wurden meine Lippen dunkelrot. Aber was soll ich sagen, wenn sie stolz ihr Werk betrachtet, es super findet und fragt, ob es mir gefällt? ‚Nee du, sorry aber ich fühle mich wie ein Clown, ausserdem kannst du mich doch nicht pink und rot anmalen, wenn ich einen grünen Saree trage!‘ Habe ich nicht über Herz gebracht zu sagen. Sehr schön, vielen Dank. Das war etwa das, was da aus meinem Mund kam… 😀 Meine Frisur war wirklich toll. Muss ich schon sagen. Eigentlich wollte ich ja meine Haare offen tragen. Aber ich wurde nicht gefragt und so hat mir Nisha einen schönen Dutt gezaubert. Mit 24 Haarnadeln! Ich hatte vorher nie Haarnadeln auf dem Kopf, hab es mir immer recht einfach gemacht. Ich konnte mir auch nie so recht vorstellen, wie das halten soll. Aber es saß. Bombenfest. Sogar so gut, dass ich am nächsten Tag mit der selben Frisur durch Varanasi stolziert bin.

So und jetzt zum Saree. Wie gesagt, es ist ein grüner Saree, mit blau-goldenen Blumen und Stickereinen. Für die, die es nicht wissen: ein Saree ist quasi eine lange Stoffbahn, die auf irgendeine komplexe Art und Weise um den Körper geschlungen wird. Gesichert wird das ganze mit einer Menge Sicherheitsnadeln. Nisha und ihre Schwester haben mich also irgendwie damit behängt, dann habe ich noch eine Kette und Ohrringe ausgeliehen bekommen. Meine Ohrringe, die zugebenermaßen night soooo super waren aber immerhin den richtigen Grünton und golden waren, hat Nisha direkt beiseite gelegt. Ihre waren aber auch wirklich um einiges schöner. Und schwerer. Im Tuktuk nicht gerade praktisch. Aber wer will schon praktisch angezogen sein? Der ganze Saree ist nicht unbedingt praktisch. Ich kam nur super langsam voran, da meine Schritte in etwa so groß waren, wie die eines Pinguins. Und dann musste ich ständig darauf achten, nicht auf den Stoff zu treten, die Hunde in der Schule sind nämlich noch schön an mir hoch gesprungen und haben direkt den Saree mit sich gezogen (nicht so, dass man es gesehen hätte, aber weit genug, um Probleme beim Laufen zu haben). Außerdem war das ganze Konstrukt ja nur mit Sicherheitsnadeln befestigt.

Nicole und Clara habe ich in der Schule getroffen, wir sind dann zusammen mit dem Tuktuk zur Party gefahren. Erstmal musste ich also zur Schule. Im Dunkeln mit dem Saree durch die Gassen gestolpert. Das ist eine gute Beschreibung. Und alle fanden mich wunderschön und super, dass ich einen Saree trage. Noch jetzt sagen mir ständig Leute, wie toll ich ja im Saree ausgesehen habe. Auf der größeren Strasse haben die Leute mit dem Finger auf mich gezeigt, mein Rikshafahrer hat sich alle paar Sekunden zu mir umgedreht, ganz Varanasi war begeistert und musste das allen anderen mitteilen. Klingt ziemlich arrogant, aber es ist die Tatsache. Clara meinte nur, ich sei vermutlich der Traum eines jeden Inders. Europäerin mit sehr heller Haut traditionell indisch gekleidet. Ich war ziemlich froh, dass Nicole und Clara dabei waren. Erst hatte ich vor, alleine zur Hochzeit zu gehen, hatte mir gar nichts dabei gedacht. Und als Nicole meinte, es gehe ihr nicht so gut, sie wolle maximal eine Stunde bleiben, meinte ich kein Problem, ich fahre alleine zurück. Aber bei der Hinfahrt haben wir entschieden, dass ich auf jeden Fall mit ihnen zurückfahren werde. Alleine hätte ich mich so nicht getraut. Man will ja nichts provozieren.

Die Frage hat sich aber recht schnell erübrigt. Alles war wundervoll geschmückt, es war ein riesiger Platz, auf dem Zelte standen und es gab zahlreiche Essensstände, mit wirklich gutem Essen. Das war aber auch schon alles. Die laute, stimmungsbringende Musik hat nur 3 Kinder motiviert, der Rest saß gelangweilt auf Plasrikstühlen. Party! Es war totlangweilig. Der Höhepunkt war das Essen. Und Rashi hat uns ihre Schwester vorgestellt, die wirklich schön aussah, aber deren Gesichtsausdruck alles andere als euphorisch war. Auf Nicoles Frage, ob sie glücklich sei, hat sie mit ängstlichem Gesicht ja geantwortet. Klar, sie wird ja auch mit einem unbekannten Mann verheiratet, wird ihr Leben mit ihm verbringen und zieht zu seiner Familie. Die sie nicht kennt. Da wäre ich wohl auch nicht so glücklich. Und trotzdem hat uns Neha gesagt, dass sie eine arrangierte Hochzeit möchte. Sie denkt, dass ihre Eltern weiser als sie sind, und deshalb eine gute Wahl treffen. Aber sie möchte vor der Hochzeit mit ihm gesprochen haben. Bescheiden, die liebe. Und verdammt mutig. Oder auch feige, weil sie sich nicht der Tradition widersetzt. Aber sie will es ja nicht anders. Und Neha kenne ich ja nun schon eine Weile, feige ist sie nicht.

Soweit zum Sonntag. Achja, alle Welt hat mich gefragt, ob ich die Hochzeit genossen habe, ob es mir gefallen hätte. Ja, natürlich. Kann ja meine liegen Leute aus der Gasse nicht enttäuschen. Aber einige haben gesagt, es sei immer besser von seiten des Bräutigams zu kommen, da sei mehr los und es sei witziger. Naja. Wer weiß…

Ich kann jetzt übrigens kochen! In keinem Zimmer habe ich endlich Gas und zwei Töpfe, da habe ich gestern Abend Kartoffeln und Möhren angebraten. Sie sind mir zwar angekokelt, aber hey! Ich habe gekocht! Und heute bin ich dann in einen Supermarkt gegangen. Ja, so richtig, wo man reingehen kann, mit Korb oder Wagen und Kasse mit Scanner. Und Kassenbon! Richtig westlich 😉 Da habe ich heute Großeinkauf gemacht, erstmal Öl, Sojasauce, Nudeln, Sojamilch (!!!), Gewürze und Soja gekauft. Gemüse habe ich noch von gestern. Mal sehen, wie es heute mit dem Kochen klappt 🙂

Für heute wars das. Sobald mir Clara das Bild von mir im Saree geschickt hat, lade ich es hoch 😀

Schönen Abend, bis bald!

PS. Was witzig ist: mit Nitin unterhalte ich mich auf französisch. Mit Jean-Pierre, einem Ffranzösischen Freund von Nitin, der auch ab und zu da ist, Rede ich auf englisch. Wenn wir uns zu dritt unterhalten, reden wir auf französisch und der einzige Franzose unter uns spricht mit mir auf englisch… 😀