Zurück in Astana

Der Tag war entspannt. Genau, wie der heutige Tag entspannt ist. Ich liege lange im Bett, fahre in die Innenstadt und bummel ein wenig. Eigentlich wollte ich etwas am Fluss entlang spazieren gehen, aber es ist kalt und windig. Wir haben 12° und es hat exakt das gleiche Wetter, das ich in Astana hinter mir lassen wollte. Offensichtlich nicht sonderlich erfolgreich. Ich finde in Pavlodar außer einer hübschen Kirche und einer hübschen Moschee nicht unbedingt sehenswertes und gehe daher immer wieder in kleine Geschäfte, um dem kalten Wind zu entfliehen. Abends mache ich mir Fertigramen. Wusste bis letzte Woche nicht, dass so fertiges Zeug auch schmecken kann! Und einfach ist es, das Hostel hat eine Küche und da kann ich Wasser kochen. Ich überlege, was ich noch mit meiner Zeit anstellen soll. Montag ist schon wieder Stichtag, da komme ich zurück. Und das ging jetzt doch so schnell. Immer wieder war ich am schwanken zwischen Einsamkeit und dem Bedürfnis nach Austausch und einer unglaublich großen Reiselust, die auch wieder ein wenig dazu führt, meinen westlichen Lebensstil zu hinterfragen. Ich treffe Menschen, die einen Weg für sich gefunden haben, viel zu reisen. Die einen in mehreren Blocks, die anderen in einer Auszeit, wieder andere arbeiten remote und reisen währenddessen. Ich denke, da muss jeder einen für sich passenden Weg finden und welcher das für mich ist, weiß ich noch nicht. Dauerhaft unterwegs zu sein ist sicherlich nichts für mich, dafür habe ich mein soziales Umfeld zu sehr ins Herz geschlossen. Ich wollte schon immer mal länger in einem fremden Land leben – wann ist dafür wohl der richtige Zeitpunkt? Kommt der überhaupt noch? Im Alltag fühle ich mich in Augsburg sehr wohl, besonders seit ich in mein Häuschen gezogen bin. Jetzt wegziehen kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Aber dann bin ich auf Reisen und diese Sehnsucht kommt wieder auf. Wer weiß, ob und wann es sich ergibt. Und wohin es mich dann zieht.

Mittlerweile ist es Mittwoch Abend und ich bin schon wieder im Zug zurück nach Astana. Wenn das Wetter schon schlecht ist, will ich doch lieber wo sein, wo man zumindest noch was machen kann. Astana hat Museen, Kinos, spannende Architektur und es gibt Touren in Nationalparks, falls das Wetter doch nochmal besser werden sollte. Schauen wir mal.

Ich checke im Hostel ein und bin in einem 8-er Zimmer mit 2 anderen Frauen. Eine spricht (natürlich) etwas deutsch, ihre Brüder wohnen wohl in Nürnberg und Erlangen. Die andere ist völlig überdreht und lässt mich garnicht mehr in Ruhe. Was ok ist, weil ich nichts vor habe. Nur ungewohnt. In anderen Hostels haben mir die Einheimischen Mitbewohner nicht einmal hallo gesagt. Die beiden kommen aus der näheren Umgebung Astanas und sind hier auf Jobsuche. Und scheinbar bin ich eine willkommene Abwechslung. Soll mir recht sein. Irgendwann ruft Papa an, was ich auch sage. Das hält meine übermotivierte Bettnachbarin allerdings nicht davon ab, weiter auf mich einzureden, oder Fragen zu stellen. Dafür klatscht sie auch gerne mal vor meinem Gesicht, wenn ich die Aufmerksamkeit WÄHREND DES TELEFONATES nicht auf sie richte. Ok. Papa hat sie demnach auch kennenlernen dürfen 😀 den Tag bin ich nur etwas in der Nachbarschaft rumgelaufen und gehe am Abend früh schlafen. Glücklicherweise wird meine Nachbarin von ihrem Freund angerufen, weshalb sie sich auf den Weg macht. Ich hatte schon gefürchtet, dass es sonst die ganze Nacht so weiter geht. Das Bett ist furchtbar unbequem, ich schlafe auf einer Federkernmatratze, deren Federn wild durchstechen. Es hat demnach einen Moment gedauert, bis ich eine Position gefunden habe, bei der ich nicht arg gestochen werde.

Es ist Freitag früh und ich checke schon wieder aus. Meiner nun schlafenden Nachbarin schreibe ich einen Zettel und gehe. Ich habe mir für 2 Nächte ein 5-Sterne-Hotel gebucht. Zugegebenermaßen wäre vermutlich jede andere Unterkunft besser gewesen, als das Hostel und es hätte sicherlich kein 5-Sterne-Hotel gebraucht. Aber es ist noch im Budget und ich habe Lust drauf, also warum nicht? Ein sauberes Bad (das ich mir nicht teile), ein bequemes Bett, ungestörte Nächte (und Tage). Es klingt nach einer sehr angenehmen Abwechslung. Ich bin auch gerne im Hostel, vor allem ist dabei schön, mit anderen Reisenden in Kontakt zu kommen. So ist es aber auch nicht schlecht 🙂

Dann fahre ich mit einem Taxi etwas außerhalb zu einer Gedenkstätte eines Camps aus Zeiten der Sowjetunion. Ein Camp für Frauen (und Babys) von „Staatsfeinden“. Es ist ein kleines Museum und erinnert stark an ein Konzentrationslager. Ich finde schade, dass wir zum Thema Sowjetunion so wenig in der Schule gelernt haben. Auf dem Rückweg schließe ich mich 2 älteren Frauen an, die mit dem Bus nach Astana fahren wollen. Zur Erleichterung der Damen im Museum, die versucht haben, ein Taxi für mich zu organisieren. Die beiden Frauen sind Freundinnen und wirken wie ein gutes Team. Marina spricht etwas englisch und ihre Freundin kann gut mit ihrem Smartphone umgehen. Wir warten länger auf den Bus, der nur 1x die Stunde fährt. Irgendwann werden sie etwas ungeduldig und halten ein paar vorbei fahrende Autos an, von denen uns aber niemand mitnehmen mag. Nach ein paar Anrufen erklärt mir Marina, dass der Bus gleich komme, da hält ein junger Mann an und überzeugt durch seinen unschlagbaren Preis von 500 (1€) statt 600 Tenge pro Person. Wir steigen ein und Marinas Freundin fängt direkt an, dem Mann zu erzählen, was sie über mich herausgefunden haben. Dabei fällt das Wort single und ich bin mir unsicher, ob sie mich da verkuppeln möchte, oder nur erwähnt, dass ich alleine reise. Die Frauen haben Kinder in meinem Alter, sind beide schon Oma und bemitleiden vermutlich meine Eltern. Sie steigen kurz vor mir aus, winken zum Abschied und werfen Kusshände zu. An diese Art von Verabschiedung könnte ich mich wirklich gewöhnen!

Dann checke ich im Hotel ein und nehme mir erstmal Zeit für eine ausgiebige Dusche. Wie schön. Am Nachmittag setze ich mich in einen Park, höre Musik und singe dazu. Es ist fast niemand hier und selbst die paar Leute, die mal vorbei laufen, sind mir dabei relativ egal. So schlimm klingt es schon nicht.

Ich bleibe bis zum Sonnenuntergang und mache mich wieder auf den Weg zurück ins Hotel. Hier mein Ausblick bei Nacht:

Vernunft über Bord

Ich schreibe mal wieder vom Zug aus. Diesmal allerdings nicht vom Nachtzug, sondern es ist ein Zug, der nur Sitzplätze hat. Die ca. 440 km sollen wir in etwa 7 Stunden zurücklegen – ich fahre von Astana nach Pavlodar.

Bin also gut in Astana angekommen, mit dem Flug hat alles wunderbar funktioniert. Außer natürlich, dass ich um 3 Uhr nachts dafür aufbrechen musste und entsprechend Schlafentzug habe. Ich verlasse also den Flughafen und bin auf dem Weg zur Bushaltestelle. Und stelle fest, es hat 12° und regnet. Für dieses Wetter bin ich wirklich nicht so weit gereist, da habe ich ja mal überhaupt garkeine Lust drauf. Ich war erst letzte Nacht auf die Idee gekommen, nach der Wettervorhersage für Astana zu schauen und hatte auch da schon festgestellt, dass wetter.com nicht gerade mein Wunschwetter vorhersagt. Auf der einstündigen Busfahrt in die Innenstadt suche ich ein günstiges Hostel raus, schaue, schaue wo man von Astana aus gut mit dem Zug hinkommt und wo das Wetter besser ist. Ich komme im Hostel an und buche für den Abend direkt einen Zug nach Pavlodar (Richtung russische Grenze im Nordosten). Meinen ursprünglich Plan, mit dem Bus weiter in einen Naturpark zum Wandern zu fahren, verwerfe ich aufgrund noch schlechterer Wettervorhersage. Zumindest vorerst. Stattdessen bin ich gespannt, ob es was interessantes in Pavlodar gibt. Wenn nicht, fahr ich halt wieder zurück. Zumindest konnte ich online ein Hostel und einige weitere Unterkünfte finden. Ich hatte nicht damit gerechnet, so schnell eine Alternative aufzutun, eigentlich hätte ich mir das Hostel auch sparen können. Aber jetzt bin ich schonmal da und es gibt Betten. Das überzeugt. Im Tante-Emma-Laden nebenan hole ich mir Ramen (ich bestelle mit meinen umfangreichen Russischkenntnissen und bin sehr stolz, dass es gut klappt), frühstücke die zusammen mit etwas Fladenbrot und lege mich schlafen. 2,5 Stunden später klingelt mein Wecker und ich breche auf zum Bahnhof. Der Schlaf hat sehr gut getan, ich bin froh, dass ich den noch mitgenommen habe. Die Sonne scheint und mittlerweile hat es 17°. Ok, so schlimm ist das Wetter vielleicht doch nicht. Aber das Ticket ist gekauft und ich fahre da jetzt hin 😀

Die Zugfahrt ist sehr angenehm. Es ist relativ leer, sodass ich nach etwa einer Stunde mit 2 älteren Damen gegenüber nun eine 6-Sitzer-Einheit für mich alleine habe. Ich lege mich auf einen Dreiersitz und es riecht nach Melonen. Mich beschleicht der Verdacht, mal wieder einen Melonendeal verpasst zu haben. Später sehe ich, wie ein Mann mit 2 riesigen Melonen aussteigt. Die Menschen hier müssen Melonen echt sehr gerne haben. Bisher habe ich in jedem Ort welche zum Kauf gesehen und dennoch fährt ein auffällig hoher Anteil meiner Mitpassiere mit einem meiner Meinung nach ungewöhnlich großen Melonenvorrat durch Kasachstan. Das Melonen-Passagier-Verhältnis in kasachischen Zügen liegt eindeutig außerhalbder Norm. Irgendwann kommt ein junger Mann vorbei und fragt, ob er sich zu mir setzen darf, denn er würde gerne sein englisch verbessern. Er ist sehr freundlich und ich habe außer meinen Melonengedanken nicht wirklich besseres zu tun in den nächsten Stunden. Also klar. Er heißt Dschingis Khan, studiert Jura und wir tauschen uns ein wenig über Familien, Orte und Themen aus, die uns gerade einfallen. Er kommt aus der Nähe von Pavlodar und muss wegen irgendwelcher Dokumente heim fahren. Er gibt mir noch Tipps, wo ich in der Umgebung von Pavlodar vorbeifahren könnte, es sind Seen mit Hügeln, vielleicht wird das also doch noch was mit wandern. Ich habe mir die Orte auf jeden Fall abgespeichert und werde versuchen hinzufahren. Seit etwa einer Woche habe ich mich nun so richtig ins Reisen eingefunden, einen Eindruck der Kultur erhalten und fühle mich richtig wohl in meinem Backpackerleben. Hach, reisen ist einfach schön. 3 Stunden vor mir steigt mein neuer Zugfreund leider wieder aus, sodass ich etwa 10 min alleine bin, bis ein Schaffner vorbei läuft und ich ihn frage, ob es hier irgendwo heißes Wasser für Tee oder Ramen gibt. In den Nachtzügen gibt es das und ich dachte, fragen kann man ja mal. 2 min später sitze ich mit den Schaffnern zusammen am Tisch,  sie machen mir mit ihrem Schaffnerwasserkocher Wasser warm und geben mir Tee und Schokowaffeln (zumindest das Ei und Brot zur Suppe konnte ich ausschlagen, aber bei Tee hört der Spaß auf). Einer der 3 spricht ein wenig englisch und darf dolmetschen. Es ist eine witzige Runde, kurz später verabschiede ich mich aber wieder. Ihr englisch ist erschöpft, mittlerweile haben wir halb 12 und ich werde müde. Da ist meine Motivation, mich extra anzustrengen, eine Konversation aufrecht zu erhalten eher gering ausgeprägt. Jetzt dauertes eh nur noch eine Stunde, bis wir schließlich in Pavlodar ankommen.

Ich liege völlig aufgedreht im bequemen Bett meines Hostels. Das war mir jetzt doch zu viel Abenteuer. Der Reihe nach.

Ich komme am Bahnhof an und laufe gemeinsam mit den anderen, wenigen Passagieren aus der Bahnhofshalle raus auf den Vorplatz. Von den Mitarbeitern meines Hostels weiß ich, dass ein Taxi etwa 600 Tenge kostet, außerdem sollen es zu Fuß nur 20 min sein. Das mit den 20 min kommt mir komisch vor, denn weder Google Maps, noch 2gis kennt einen Weg, der mich so schnell ans Ziel führt. Da die Taxifahrer 2000 Tenge von mir wollen und sich nur auf 1000 runterhandeln lassen, beschließe ich loszulaufen und auf dem Weg Autos ranzuwinkem. Es ist eine Frage des Prinzips, ganz klar. Das ist hier eine gängige Methode. Quasi trampen, aber man bezahlt dafür. Ich folge dem Wegvorschlag von 2gis und bin etwas irritiert, dass der Weg eine nicht beleuchtete Matsch-„Straße“ ist. Laufe ein Stück, da ich glaube, dass mich dieser Weg nach kurzer Zeit wieder auf eine richtige Straße führt. Schließlich würde ich gerne ein Auto anhalten und hier ist absolut niemand unterwegs. Wobei das nicht ganz stimmt, denn es laufen 2 bellende Hunde rum. Hunde, die erst von mir weglaufen und aber plötzlich durch einen Sinneswandel um mich herum und nicht besonders freundlich scheinen. Ich liebe Hunde aber die machen mir tatsächlich etwas Angst. Sie schreckt es ab, wenn ich meine Handytaschenlampe auf sie richte und meine Stimme etwas erhebe. Ich laufe schnell weiter, da sie sich entgegen meiner Laufrichtung entfernen. Ich komme an die Kreuzung, von der ich dachte, es sei eine richtige. Nope. Matschkreuzung im Nirgendwo. Um mich herum Gebüsch. Gut, an dieser Stelle würde ich dann eigentlich umdrehen, wären da nicht die Hunde. Denen möchte ich nicht nochmal begegnen. Also weiter. Laut 2 gis soll ich jetzt die Gleise überqueren. Hier ist aber keine Brücke oder ähnliches. Was bedeutet, dass ich nachts um 1 alleine mit meiner Handytaschenlampe in der einen und meinem Hut in der anderen Hand über ein etwa 20 m breites Gleisbett mit etlichen Gleisen steige. Ist nicht unbedingt mein präferierter Weg aber an dieser Stelle muss ich meine Ansprüche wohl runterschrauben. Dabei hilft zumindest zu wissen, dass die Züge recht langsam unterwegs sind und dieser Abschnitt der Gleise ist zudem beleuchtet. Von den Gleisabschnitten Kasachstans habe ich mir damit also vermutlich noch einen guten zum Überqueren ausgesucht. Auf der anderen Seite angekommen finde ich zum Glück schnell einen Weg, der mich zu einer großen, befahrenen und beleuchteten Straße bringt. Leider hält keins der vorbeifahrenden Autos an. Ich beschließe also, zur nächsten Tankstelle in ca. 50 m Entfernung zu gehen und dort jemanden um Hilfe zu bitten. Heute arbeitet Clavdia an der Tankstelle. Sie spricht kein englisch, wartet dafür aber geduldig, bis ich meinen kurzen Text in den Übersetzer eingegeben habe, in dem ich erwähne, dass ich mich auf dem Weg zum Hostel verlaufen habe (dieser „Weg“ ist seines Namens zumindest zu dieser Tageszeit wirklich nicht würdig) gerne ein Taxi rufen würde, aber die App auf meinem Handy nicht nutzen kann (ist eine russische App, ich vermute, es liegt an den Sanktionen). Und sie daher bitten möchte, für mich ein Taxi zu rufen. Sie nickt, holt ihr Handy und ich gebe ihr die Adresse. Dann sagt sie tschüss und verschwindet wieder im Inneren ihrer Tankstelle. Ich frage noch einmal, was die Fahrt denn koste und stelle fest, dass sie sich ekne Jacke holt, um draußen mit mir zu warten. Sie hatte zuvor durch ein kleines Fenster mit mir gesprochen. Wir stehen zusammen draußen und fangen ein wenig an, uns zu unterhalten. Ich bin noch etwas gestresst, weil mir der Weg zu ihr im Nachhinein doch Angst macht. Im Moment habe ich zwar mit mir selbst gesprochen und versucht mir einzureden, dass alles gut sei. Aber jetzt, wo ich ja erstmal sicher bin, wird mir sehr bewusst, dass ich diesen Weg überhaupt nicht in Ordnung fand und mich auch nicht wohlgefühlt habe. Noch bin ich aber auch noch nicht im Hostel und gemäß der App scheint der Fahrer sich nicht von der Stelle zu bewegen. Wir unterhalten uns weiter, ich erzähle, dass ich Touristin aus Deutschland bin. Ich bin ihr sehr dankbar, auch dafür, dass sie gemeinsam mit mir draußen wartet. Da fällt mir ein, dass ich noch ein Armband habe, welches ich von einem der Tanzmädels bekommen hatte. Es ist mir viel zu groß und so beschließe ich, es meiner neuen Tankstellenfreundin zu schenken. Sie freut sich sehr und lädt mich kurz später auf einen Kaffee drinnen ein. Sie sperrt die Tankstelle auf und ich darf mir am Automaten einen Kaffee aussuchen. Kaffee ist zusammen mit alkoholischen Getränken wohl das letzte, dass ich nachts um halb 2 jetzt gerne trinken würde, aber ich möchte die Geste nicht ausschlagen. Da mir Kaffee nicht schmeckt und ich einen schwarzen auswähle, bediene ich mich noch ordentlich am Sirup. Top. Kaffein und Zucker mitten in der Nacht, so habe ich mir das vorgestellt. Wir machen Selfis und tauschen unsere Instagram-Accounts aus, bis sie einen neuen Fahrer bestellt und dieser tatsächlich nach 2 min da ist. Clavdia ist meine Heldin des Monats.

Die Fahrt kostet 570 Tenge und somit fällt der Lerneffekt meiner nächtlichen Prioritätensetzung im Kampf zwischen Vernunft und Prinzipien etwas geringer aus, als er vermutlich sein sollte. Ich bin im Hostel, die Mitarbeiterin ist sehr lieb und nach einer Dusche liege ich im frisch bezogenen Bett. Clavdia hat mir noch geschrieben und gefragt, ob ich gut angekommen sei. Mittlerweile haben wir 3 Uhr morgens und ich liege hellwach im Bett. Ich schätze, morgen mache ich einen entspannten Tag.

Ich hänge zur Veranschaulichung noch ein Bild der Stelle an, an der mein Weg vor den Gleisen endete:

Schöne Welten bei Aktau

Es ist etwa halb 9 am Abend und wir halten glücklicherweise endlich an einem Bahnhof, wo ich noch was besorgen kann. Yeah. Ich klappere alle Stände ab, da ich auch nichts gegen eine richtige Mahlzeit hätte. Leider gibt es aber nur Fleisch in allen möglichen Formen (gedämpfte Teigtaschen, Gebäck, Spieße, Reis mit Fleisch, Kartoffeln mit Fleisch) zu kaufen und eine Frau hat noch 3 Fladenbrote. Ich nehme Wasser und ein Fladenbrot mit. Das Fladenbrot hat vermutlich schon vorgestern nicht geschmeckt – und ich glaube, das allerbeste Fladenbrot, das ich bisher hatte, ist aus Kasachstan. Von daher schon etwas enttäuschend. Aber mir geht es ja hauptsächlich um das Wasser, daher bin ich zufrieden.  Nachdem wir wieder in den Zug einsteigen, lädt mich eine Frau zum Tee trinken ein. Sie wirkt freundlich und außerdem haben wir gerade Internet,  weshalb ich mich mit ihr unterhalten kann. Sie essen Bonbons zum Tee, weshalb ich den grünen Tee auch runter bekomme. Mit genügend Zucker oder Fett kann man ja die meisten Speisen oder Getränke zumindest erträglich machen. Zwei Kinder gesellen sich zu uns, sie schließen sich ganz selbstverständlich der Runde an..das ist etwas, das ich schön finde. Die Eltern habe ich meistens schlafend oder relaxend erlebt, während ihre Kinder mit anderen Kindern spielen oder sich mit anderen Erwachsenen unterhalten. Dabei scheinen einige Erwachsene sich wirklich zu freuen, mit den Kindern quatsch zu machen, oder sich mit ihnen zu unterhalten. Das kann ich mir in Deutschland nicht vorstellen.

Am nächsten Morgen weckt mich mein Wecker um 3 und ich bin somit gerade so rechtzeitig um 4:45 Uhr fertig zum Ausstieg. Scheinbar sind wir jetzt erst in der neuen Zeitzone. Was bedeutet, dass Google gelogen hatte und mein erster Nachtzug mit ziemlich genau einer Stunde Verspätung angekommen war. Ich bin also viel zu früh auf und hätte etwas mehr Schlaf durchaus genossen. Dafür vereinbare ich mit der Teefrau, dass wir uns ein Taxi teilen. Offenbar ist der Bahnhof einiges vom Stadtzentrum entfernt und Busse fahren um die Uhrzeit noch nicht. Mein großer Rucksack wird zwischen meinen Oberkörper und das Armaturenbrett geklemmt und ich schätze, ein Unfall könnte mir so wirklich nichts anhaben. Praktisch. Wir teilen uns mit 2 weiteren Passagieren die Kosten und so zahle ich nur 2€ für die 45-minütige Fahrt. Die Teefrau wollte sogar für mich bezahlen. Aber das war mir zu viel, wir haben Nummern getauscht und sie hat mehrfach in den Googleübersetzer eingegeben, dass sie sich freuen würde, wenn ich sie anrufe. WhatsApp hat sie nicht und SMS kann ich ihr auch keine schicken. Ich bin mir unsicher, wie das Telefonat so ablaufen soll. Aber mal schauen.

Ich komme im Hostel an und beim etwa 5. Anruf hebt endlich jemand ab und 10 min später öffnet mir eine Frau die Tür. Ich habe ein Zimmer gebucht, da sie sonst nur 8-Bett-Zimmer hatten und ich sicherstellen wollte, dass ich genug Ruhe zum Schlafen bekomme. Es befindet sich eine Frau im Zimmer. Gut, vielleicht hätte ich auch so meinen Schlaf bekommen. Mein Zimmer geht direkt vom großen Zimmer ab. Es hat ein Bett, einen Nachttisch, einen Stuhl und einen Kleiderständer, kein Fenster. Ich lege mich erstmal schlafen.

Gegen 10 werde ich wieder wach und stehe auf. Ich treffe Timon, einen Holländer, der seit 5 Monaten mit dem Motorrad durch Asien tourt. Wir freuen uns beide, mal wider mit jemandem aus ähnlichem Kulturkreis zu sprechen und beschließen, gemeinsam Aktau zu erkunden. Auch er ist gerade erst angekommen. Wir laufen etwas am Kaspischen Meer entlang und finden bald ein Restaurant. Die Karte ist wie üblich auf russisch oder kasachisch und nun wird sich mein Leben grundlegend ändern: denn Timon zeigt mir, dass man mit Google lens Fotos aufnehmen kann und die Schrift wird dann automatisch in eine Sprache meiner Wahl übersetzt. Verrückte Welt. Wo ich in Kindergeschwindigkeit kyrillisch gelesen habe und versuchte zu verstehen, was das sein könnte, hat Timon also einfach die Übersetzung parat gehabt. Ich fühle mich echt old school! Der Kellner kommt und da wir noch keinen Blick auf die Getränkekarte geworfen hatte, frage ich, ob sie Saft haben (danke Duolingo). Haben sie, er will wissen, welchen Saft ich gerne hätte. Da ich nur das Wort für Apfel gelernt habe, wähle ich Apfelsaft. Der Kellner nickt und geht und ich bin so glücklich, dass ich gerade eigenständig mit ein paar russischen Wörtern meine Bestellung aufgeben konnte! Das sage ich auch laut. Bis mir auffällt, dass Apfel das Wort ist, welches ich immer mit einem anderen Wort verwechsel. Möglicherweise (ziemlich sicher) habe ich gerade Hundesaft bestellt 😀 ich lasse Timon von meiner unkonventionellen Getränkebestellung wissen und wir sind gespannt, was kommt. Es schmeckt nach Apfelsaft 😀

Wir machen noch einen ausgiebigen Spaziergang entlang der Uferpromenade und ich laber den armen Timon ganz schön voll. So sehr, dass ich mittlerweile heiser bin. Abends gehen wir nochmal essen, diesmal ohne Zwischenfälle bei der Bestellung. Am nächsten Morgen breche ich auf zu einer Tour in einen Nationalpark und Timon fliegt seinem per Fähre verschickten Motorrad nach Aserbaidschan hinterher. Ich komme am Abfahrpunkt an und stelle fest, dass von uns 10 Teilnehmern 6 nicht russischsprachige Ausländer sind. Das kommt für uns alle unerwartet, wir sind 3 Deutsche, ein Holländer mit seiner chinesischen Frau, ein Ami (der in Thailand aufgewachsen ist), 2 Russen und 2 Kasachen. Unsere Reiseleiterin ist etwas übermotiviert und lässt uns direkt zu Beginn der Fahrt Namen ziehen und wir sollen der Person etwas nettes wünschen und eine Kleinigkeit schenken. Ich bin als erste dran, na super. Wünsche gehen ja noch, aber ein Geschenk? Am Ende gebe ich meine Banane her. Andere schenken Münzen aus dem Ausland oder ein schnell gefaltetes Papierboot. Sie waren etwas kreativer als ich. Was das genau ist, wo wir ankommen, weiß ich auch nicht. Es sind riesige Felsformationen in einem Gebiet, das wohl ~132 m unter dem Meeresspiegel liegt. Die Sonne prallt runter, es ist trocken und ich schätze, es wäre sehr unpraktisch, hier zu stranden. Ich habe auch keine Ahnung, wie unser Fahrer den Weg hierher gefunden hat, denn nach 2 Stunden Fahrt auf einer relativ neu asphaltierten Straße ging es die restlichen 2 Stunden über Feldwege in der Steppe. Ich füge mal wieder ein paar Fotos ein, damit man eine Vorstellung bekommt:

Was ich nett finde ist, dass kasachische Touristen an Sehenswürdigkeiten Fotos zusammen mit ihrer Flagge machen. Da habe ich mich direkt angeschlossen 🙂

Wir sind an unwirklichen Orten und glücklicherweise sind wir auch die einzigen dort. Es ist also alles andere, als überlaufen und man kann die Atmosphäre richtig auf sich wirken lassen. Wie schön. Ich fühle mich klein und meine Sorgen scheinen eigentlich doch so lapidar. Hier würde ich gerne öfter herkommen.

Als ich abends zurück ins Hostel komme, sind einige neue Leute da. Ein Münchner, ein Pole, der in München lebt, ein Inder, ein Japaner und eine Kanadierin. Es ist nett, aber nach dem doch anstrengenden Tag bin ich müde und gehe schlafen. Am Samstag freunde ich mich mit Karen, der Kanadierin an. Sie ist im Alter von Mama, arbeitet für eine Airline und kann daher sehr günstig fliegen. Sie hat schon einiges von der Welt gesehen und wir haben eine Menge Stories auszutauschen. Es ist ziemlich witzig mit ihr. Wir machen einen entspannten Tag und gehen zusammen Abend essen.

Und schon ist Sonntag. Ich sitze am Ufer, im Schatten unter einem Felsen. Ein paar Kinder und Männer schwimmen im Wasser und wenige Boote sind unterwegs. Eigentlich hätte ich heute nochmal eine Tour zu anderen Felsen gehabt, leider haben sie aber vergessen, mir rechtzeitig Bescheid zu geben, dass die Tour abgesagt werden muss. Deshalb habe ich nochmal einen entspannten Tag am Kaspischen Meer. Besonders böse drum bin ich nicht, denn mittlerweile bin ich erkältet und es wäre schon etwas stressig und anstrengend gewesen. Heute Nacht fliege ich nämlich schon nach Astana, in die Hauptstadt. Der Flieger geht um 6 Uhr morgens, eine sehr angenehme Zeit. Alternative Flüge waren um einiges teurer, deshalb habe ich mich für diese unwürdige Zeit entschieden. Um 3 sollte ich laut meinem Hostelleiter aufbrechen und von der Tour heute wäre ich erst gegen halb 12 nachts zurück gekommen. Ein entspannter Tag mit früh schlafen gehen kommt mir heute daher nicht ganz ungelegen.

Ich habe übrigens mittlerweile erfahren, dass die Zeiten auf den Zugtickets unabhängig des Abfahrts- und Ankunftsortes einfach alle in Astana-Zeit angegeben werden. Das heißt, Google hatte vermutlich doch recht mit der aktuellen Zeit an meinem Umstiegsbahnhof und ich habe einfach nicht gewusst, dass die Zeitangabe auf dem Ticket für eine andere Zeitzone gilt. Das halte ihr auch für nicht besonders praktisch. Aber gut. Ich habe nachgefragt, ob das bei den Flugtickets auch so ist, aber mir wurde gesagt, dass die Zeitangaben in der Zeitzone des jeweiligen Flughafens gilt. Das werde ich ja dann heute Nacht sehen.

(Fast) verpasst: von Zügen und Melonen

Ich fühle mich overdressed. Das kommt nicht häufig vor in meinem Leben. Vor allem nicht, wenn ich auf Reisen bin, da bin ich eher konsequent underdressed. Ich liege auf meinem Platz (diesmal auf dem richtigen, das wurde mir mehrfach bestätigt) im Nachtzug nach Shalkar und trage eine lange, dünne Hose und ein T–Shirt. Es passt einigermaßen zusammen, aber es ist jetzt auch nicht so, als könnte man das nicht leicht toppen. Aber tatsächlich tragen die meisten meiner Mitfahrer*innen einen Pyjama. Und mit Pyjama meine ich so richtig zusammenpassende Zweiteiler. So etwas befindet sich nicht einmal in meinem Besitz. Wenn man es genau bedenkt, bin ich vielleicht doch eher underdressed. Ich in meiner Alltagskleidung.

Als ich noch am Bahnhof auf meinen Zug gewartet habe, fand ich einen Mann ziemlich aufdringlich. Aber glücklicherweise kamen da gerade auch 4 Reisende an, denen ich die Tage schon beim Einkaufen begegnet war. Zwei Mütter mit ihren Kindern (~7J und ~11J), die deutsch sprechen. Sie haben mich zu sich hergewunken (ich bin ihnen sehr dankbar für die Aufmerksamkeit) und so war ich den Typen los. Leider haben sie einen Zug vor mir genommen, weshalb sie auch gleich wieder weiter sind. Aber den Rest der Wartezeit konnte ich dann trotzdem wieder in Ruhe verbringen. Ruhe – etwas, das ich hier eher zu viel als zu wenig habe – ist mir dann doch lieber, als blöd angemacht zu werden.

Ich drehe mich von Seite zu Seite und fühle mich wie ein Dönerspieß. Ich liege auf einem oberen Gangplatz. Was zur Folge hat, dass ich direkt an einem Fenster liege. Und uns trennt zwar ein roter Vorhang, aber der strahlt ganz schön gut Wärme ab. Es werden abwechselnd mein Hintern und Bauch gut gewärmt. Ich versuche zwar, mir einzureden, dass es wie eine Wärmelampe ist und Wärme mag ich ja. Aber in dem Fall bin ich nur semi begeistert. Die Liege ist etwa 50 cm breit und 1,80 m lang. Die Matrazenauflage ist allerdings etwas breiter und scheinbar liege ich unvorteilhaft, denn ständig rutsche ich. Vielleicht liegt es auch an meinen Dönerspießdrehungen, jedenfalls ist das hier gerade nicht so ideal. Kurz vor meiner Abfahrt habe ich mir noch ein paar Podcastfolgen runtergeladen und ich beginne mit einer. Die Reihe heißt „Are you Garbage“, es werden amerikanische Comedians interviewt und ich finde es extrem nervig. Das ist eine Antiwerbung, hört euch das nicht an. Aber immerhin reden sie auf einer Sprache, die ich verstehe und so lasse ich es laufen. Irgendwie fühle ich mich damit weniger allein unter all den Leuten um mich herum.

Und dann sind da wieder diese kleinen Momente, die für mich das Reisen reisenswert machen. Eine ältere Frau, Sonia, kommt vorbei und unterhält sich ein wenig mit mir. Fragt, wo ich herkomme, was ich mache, ob ich verheiratet sei. Sie spricht recht gut englisch und es ist mir eine Freude, mich mit ihr zu unterhalten. Wie viele Leute hier, kann sie ein paar Brocken deutsch. Ihr Brocken beinhaltet den Satz: „Wie viel kostet eine Flasche Wein?“, eine Freundin habe ihr den Satz beigebracht. Irgendwann verabschiedet sich meine neue Zugbekanntschaft wieder und schon taucht der Kopf meiner lächelnden Liegenachbarin (sie liegt unter mir) auf und sie hält mir ihr Handy hin, wo sie extra auf deutsch übersetzt hat, ob ich mich setzen möchte, dann baut sie ihr Bett wieder in eine Sitzbank mit Tisch um. Ich finde das Liegen aber angenehmer und unterhalten könnte ich mich auch nicht mit ihr, also verneine ich dankend. Am Nachmittag laden mich andere Liegenachbarn zum Tee trinken ein. Das ist sehr lieb, nur leider finde ich grünen und schwarzen Tee scheußlich und sie sprechen kein einziges Wort englisch. Ich kann ihnen auf russisch aber nur erzählen, dass ich Julia heiße, aus Deutschland komme und ein paar willkürliche Dinge benennen (zB. „Das ist eine Katze“). Leider sind hier aber keine Katzen (oder Hunde). Ab und an sieht man Pferde (vielleicht sogar wilde Pferde?) in der Steppe. Aber ich weiß auch nicht, was Pferd heißt. Meine Kommunikationsfähigkeiten sind etwas beschränkt. Ab und an halten wir an Stationen, wo wir ~20 min stehen und man sich Essen und Getränke am Bahnhof kaufen kann. An einer solchen Station steigt beinah der ganze Zug aus und kauft sehr, sehr viele Melonen. Die Leute steigen mit 3-4 Melonen pro Person ein. Wassermelonen (sehr große) und die anderen schauen aus, wie Honigmelonen, nur sind sie so groß, wie die Wassermelonen). Mich beschleicht der Verdacht, einen sehr, sehr guten Deal verpasst zu haben. Falls ihr mal nach Kasachstan kommt: die Station war Chieli.

20 Minuten später. Sonia taucht wieder auf. Juhu! Diesmal zusammen mit einem jungen Mann, dessen Namen ich nicht aussprechen kann. Er ist 18, fährt in ihrem Abteil und spricht ein klein wenig englisch, weshalb Sonia entschieden hat, dass er die Gelegenheit am Schopfe packen und mit mir üben sollte. Und er hat offenbar nichts dagegen, vielleicht kommt ihm die Abwechslung auf der Zugfahrt auch entgegen. Sie fahren nämlich von Almaty (16 Zugstunden vor Turkestan) nach Uralsk (~32 Zugstunden nach Turkestan) mit dem Zug durch. Ein paar junge Mädels in der Nähe hören auch etwas zu und ihnen wird übersetzt. Die Mädels waren auf einem Tanzwettbewerb und haben Pokale dabei, mindestens eine von ihnen hat den ersten Platz belegt! Sie zeigen mir ein Video, wie eine von ihnen einen klassischen, kasachischen Tanz aufführt und damit den ersten Platz belegt. Wir unterhalten uns noch länger, bis wir gegen 11 Uhr schlafen gehen. Diese Nacht schlafe ich wie ein Stein. Zur Sicherheit stelle ich meinen Wecker auf zwei Uhrzeiten, denn ich fahre in eine andere Zeitzone und bin mir unsicher, ob mein Handy rechtzeitig die neue Zeitzone übernimmt (weil streckenweise ja wirklich garkein Netz vorhanden ist). Ich weiß auch nicht, wo die Grenze der Zeitzone ist, und wie das genau funktioniert mit dem Handy. Als ich mit dem ersten Klingeln über die Ortung von Google maps feststelle, dass wir noch ein gutes Stück von Shalkar entfernt sind, bleibe ich aber noch liegen und stehe mit dem 2. Klingeln eine Stunde später auf. In Erinnerung an den gestrigen Abend wache ich mit einem Lächeln auf. Für den Fall, dass ich liebe Leute kennen lerne und ihnen ein kleines Dankeschön geben möchte, habe ich einige Tafeln Schokolade und andere Snacks aus Deutschland im Gepäck. Und davon habe ich noch ziemlich viel über, weshalb ich beschließe, Sonia und dem Kerl sowie den Tanzmädels etwas zu geben. Sonia finde ich einen Wagon weiter, sie schläft noch. Ich schreibe ihr einen kurzen Zettel und hinterlasse ihn mit der Schokolade auf ihrem Tisch. Ein paar der Mädels sowie ihre Trainerin sind schon wach, ihnen gebe ich auch einige Tafeln. Sie freuen sich sehr und geben mir als Andenken ein paar Münzen ihrer Währung und zwei der Mädels schenken mir ihre Armbänder. Und dann sind wir auch schon an meiner Endstation angekommen und winken zum Abschied. Das war eine schöne Zugfahrt.

Ich bin am Bahnhof und hatte zuvor auf Google maps gesehen, dass ganz in der Nähe ein See ist. Mein Plan ist, mich samt Gepäck an den See zu setzen und dort die 5 Stunden bis zum Anschlusszug zu überbrücken. Eventuell mit Zwischenstopp in einem Restaurant oder Cafe. Auf dem Weg zum See merke ich schon, dass ein ganz schön kalter Wind geht. Zum Glück trage ich in den Wandersandalen noch Omas Wollsocken. Angekommen am See stelle ich fest, dass mir trotz Wollschal, den ich zur Decke umfunktioniere, zu kalt ist. Die Restaurants und Cafes haben noch geschlossen, also laufe ich zurück zum Bahnhof. Für den Weg werfe ich mir den Schal als Kopftuch über und ziehe den Hut darüber. Mein Outfit ist heute wirklich schwer zu toppen. Beinahe würde ich so weit gehen und mich als Trendsetter bezeichnen. Zumindest setze ich hier ganz bewusst ein modisches Statement! Am Bahnhof finde ich ein Cafe und frühstücke zwei frittierte Brote mit Kartoffelfüllung und Tee. Dann stehe ich eine Weile in der Bahnhofshalle rum, weil hier mitten an einer Wand eine Steckdose liegt und ich mein Handy laden kann. Etwas später stehe ich wieder hier, um vor meiner Weiterfahrt in einer Stunde nochmal den Akku voll aufzuladen und telefoniere mit einer Freundin. Nach etwa 4 min fragt mich ein Polizist via Google Übersetzer, was ich hier mache und nachdem ich ihm mein Zugticket zeige, deutet er mir gestresst, dass der Zug, der schon eine Weile hier steht, meiner sei, schnappt sich meinen Rucksack und rennt zum Zug. Ich hole meinen großen Rucksack und humple mit dem schweren Teil hinterher. Eine Schaffnerin öffnet dem stürmisch klopfenden Polizisten glücklicherweise eine Tür und erklärt mir gleich 4x, dass ich in Wagon 1 sei und mein Platz in Wagon 3 ist. Ich schätze, sie geht aufgrund meines Verharrens (aka Zusammenpackens) davon aus, dass ich hier in der Tür Wurzeln schlagen möchte. Als ich aufbruchbereit bin, bestätige ich ihr, dass ich in Wagon 3 gehe und finde kurz später auch schon meinen Platz. Ich bin immernoch verwirrt. Ich hatte extra gegoogelt, welche Zeit in Shalkar ist und dort wurde mir angezeigt, dass wir 12:30 Uhr und nicht 13:30 Uhr haben. Weshalb ich davon ausging, dass mein Handy noch die alte Uhrzeit drin hat. Entweder bin ich also doch nicht in einer anderen Zeitzone, Google zeigt die falsche Zeit, ich habe Denkfehler, oder der Zug fährt eine Stunde zu früh. Naja, ich habe auch schonmal beinahe meinen Flug verpasst, obwohl ich schon einige Stunden am Gate war. Irgendwie klappt dann doch immer alles. Meine direkten Sitznachbarn sind Yasmin, ein etwa 5-jähriges Mädchen mit ihren Eltern und Großeltern. Sie steigen auch in Aktau aus, was mich beruhigt – so verpasse ich den Ausstieg bestimmt nicht. Mit Yasmin reisen auch ihre 2 Barbies und sie und benachbarte Kinder spielen zusammen mit ihnen. Auch in diesem Zug haben einige Leute Melonen im Gepäck. Ich finde es ganz angenehm hier. Bisher hat sich noch niemand als englischsprachig geoutet, deshalb ist es recht ruhig für mich. Dafür fahren wir an sehr vielen Pferdeherden vorbei, mittlerweile bin ich relativ sicher, dass sie wild sind. Ab und an kann man auch Kamele sehen. Leider sind sie immer so weit weg, dass man auf Fotos kaum was erkennt. Ich hoffe, dass wir bald wieder einen längeren Halt haben, denn ich habe noch kein Wasser gekauft und wollte auch noch ein Fladenbrot als Abendessen besorgen. Es ist 21:32 Uhr, ich hatte die Hoffnung eigentlich aufgegeben aber wir stehen und ich habe beides kaufen können! Was gut ist, weil mein Getränkevorrat leer ist. Das Fladenbrot ist nicht halb so gut, wie es sei. Könnte, aber ok. Hauptsache Wasser!

Turkestan

Die Nacht im Zug ist durchwachsen. Abends gegen 11 Uhr kommt auf, dass ich auf dem falschen Platz bin, ich hatte auf dem Ticket die falsche Zahl für die Platznummerierung gehalten. Als ich also auf meinen richtigen Platz gehen will, deuten mir der Schaffner und der Familienvater in meinem 4er-Abteil, ich solle bleiben. Also bleibe ich. Die Familie wird,plötzlich nochmal ziemlich aktiv und ich finde nicht unbedingt in einen,ruhigen Schlaf. Gegen 2 Uhr weckt mich dann der Schaffner, jetzt soll ich den Platz wechseln. Also Bett abziehen und das gegenüber liegende beziehen. Die Familie packt derweil ihre Sachen, sie steigen bei der nächsten Haltestelle aus. Ich lege mich in mein neues Bett und nachdem die Familie weg ist und 3 andere Leute ins Abteil kommen, wird es endlich ruhig. Trotzdem werde ich ständig wach und überprüfe, ob ich meinen Wecker eventuell überhört haben könnte. Habe ich nicht. Um kurz nach 7 sollen wir in Turkestan ankommen, um 6 weckt mich der Schaffner und deutet mir, dass ich beim nächsten Halt raus muss. Ich freue mich, dass der Schaffner an mich denkt, hätte es aber auch durchaus für gut befunden, hätte er eine halbe Stunde später an mich gedacht. Aber gut, da ich eh schlecht geschlafen habe, kann ich auch gerne wach sein. Es wird langsam hell und so habe ich noch etwas Zeit, um die ewige Steppe anzuschauen.

Für diese Nacht habe ich mir ein Luxushotel ausgesucht. Es kostet nur 85€ und dann hab ich Abwechslung zum Hostel. Und es schaut auch echt schön aus! Die nähere Umgebung erinnert mich etwas an Wertheim Village, es ist eine kleine Stadt für Touristen. Ich werde fündig und kaufe mir einen Hut. Draußen vor dem Geschäft fragt mich ein Mann, woher ich komme. Er hat drinnen schon gemerkt, dass ich wohl Ausländerin sei und stellt mir direkt seine ca. 14-jährige Tochter vor, mit der ich doch bitte ein wenig reden möge, damit sie etwas englisch üben kann. Gerne doch, sie ist nett. Am Ende empfehlen sie mir noch ein Restaurant und machen sich auf den Weg. Mittlerweile hat die Dämmerung eingesetzt und ich trage meinen Hut in der Hand. Und schon werde ich von einer Frau angesprochen, sie würde gern kurz meinen Hut ausleihen für die Fotos, die ihre Freundin gerade von ihr macht. Das ist eine etwas unerwartete Anfrage, aber warum nicht 😀

Hier die Touristenstadt, in der auch mein Hotel liegt: 

Es ist Sonntag und es regnet. Zum ersten mal, seit ich in Kasachstan bin. Hätte wegen mir auch eine Stunde später einsetzen dürfen, bevor ich in ein preiswerteres Hotel umgezogen bin, aber ok. Es kühlt etwas runter und da die Sonne nicht zu sehen ist, kann ich mal ohne Sonnenschutz raus – auch nicht schlecht. Ich laufe zum Mausuleum vor. Beeindruckend, was die Menschen früher schon für große Gebäude gebaut haben. Ich zahle als Ausländerin 1€ Eintritt und folge erstmal den anderen ca. 10 Leuten, die auch rein wollen. Scheinbar bin ich aber in einer Sitzung gelandet, in der gebetet wird und irgendwelche religiösen Sachen gesagt werden. Upsi. Da wollte ich eigentlich nicht rein. Ich verstehe weder sprachlich, noch sonst, was genau passiert und warte ab, bis die Leute aufstehen und weitergehen. Und dabei stellt sich raus, dass das Mausuleum wegen Bauarbeiten von innen nicht zugänglich ist, man kommt lediglich in 3 Vorräume. Kurz frage ich mich, warum die Verkäuferin der Tickets nichts gesagt hat. Aber vielleicht hat sie das ja und ich hab es -Überraschung- einfach nicht verstanden. Um das Mausuleum herum liegt eine riesige Parkanlage. Perfekt, um sich mit einem Buch hinzusetzen!

Mausuleum:

Am Abend gehe ich in einem Restaurant und im Gegensatz zu vielen Kommunikationsaufnahmen meinerseits, die aufgrund der Sprachbarriere abgeblockt werden, ist meine neue Kellnerin des Vertrauens ganz besonders bemüht, mich gut zu bedienen. Wir schreiben uns über den Google Übersetzer hin und her und sie hört garnicht mehr auf, zu schreiben 😀 ich mag sie. Ich bestelle eine Gemüsesuppe mit Brot. Die Suppe ist eine Brühe mit 2 Scheiben Möhren und einer ganzen Kartoffel drin. Und Dill. Bevor ich hierher kam, habe ich mich nicht recht mit Dill anfreunden können. Aber da hier etwa 85% der Gerichte, die ich bisher gegessen habe, mit Dill gewürzt sind, hab ich mich wohl an den Geschmack gewöhnt. Die Suppe schmeckt gut.

Jetzt haben wir schon wieder Dienstag und ich mache mich gleich auf den Weg zum Bahnhof. Ich fahre mit dem Nachtzug nach Shalkar, um dort morgen Mittag den nächsten Nachtzug nach Aqtau zu nehmen. Ich fahre ans Kaspische Meer, also ganz in den Westen. Da ich die Tage etwas schlapp bin, hoffe ich, in den Zügen viel zu schlafen und wieder ganz fit anzukommen.

Bis dahin viele Grüße aus weiter Ferne!

Canyonhopping und eine neue Freundin

Die Bustüren schließen sich und wir fahren los. Für Donnerstag stehen 3 Canyons auf dem Plan: zuerst Black canyon, dann Lunar Canyon und zum Schluss der größte – Charyn Canyon. Es gibt einen Zwischenstopp, wo wir uns etwas Essen besorgen können, da wir sonst nirgends mehr vorbeikommen. Ich nehme einen Salat mit und habe noch Brot und Knabbergebäck im Rucksack. Kurz vor der Ankunft am ersten Canyon fängt unsere Reiseleiterin wieder an, etwas zu erzählen. Nach etwa 7 min auf russisch erklärt sie uns 4 nicht russisch sprachigen auf englisch, dass wir gleich ankommen, es gibt Toiletten und Treffpunkt am Bus ist um 11:25 Uhr. Das Längenverhälnis der russischen und englischen Durchsagen war jetzt immer etwa gleich. Offenbar braucht man in russisch deutlich mehr Wörter, um das auszudrücken, was in 2 min auf englisch übermittelt werden kann 😀

Wir klappern die ersten beiden Canyons ab, sie sind nicht so groß und man kann auch nur von einem Punkt aus darauf schauen. Deswegen sind sie aber natürlich nicht weniger eindrucksvoll. Ich setze mich auf einen Felsvorsprung und starre auf die Felsen, bis mir auffällt, dass mir eine Frau (etwas jünger als ich) winkt und zulächelt. Wie nett, ich winke zurück. Leider verstehe ich nicht, was sie sagt, aber es stellt sich raus, dass sie sogar deutsch lernt! Und englisch spricht. Jackpot. Sie ist Russin und reist mit einer Freundin zusammen durch Kasachstan. Die beiden hätten mich schon gestern an den Seen gesehen und da aus irgendeinem Grund Fotos von mir gemacht. Und auch gerade hätten sie mich fotografiert, wenn ich möchte, könnten sie mir die Bilder schicken. Ich hinterfrage das einfach nicht, sondern freue mich, Fotos von mir zu bekommen 😀 natürlich ist es sehr sonnig und für meine Vampirhaut bedeutet das, sie möchte maximal geschützt werden. Man sieht also hauptsächlich eine Ansammlung von Stoffen:
Ehrlich gesagt finde ich aber noch eindrucksvoller, dass es hier im Nirgendwo eine Toilette mit Spülung gibt. Weiter geht es zu Sharyn Canyon, dem größten der drei. Hier haben wir 4 Stunden Zeit und können die etwa 2 km bis zum Fluss vor laufen. Die Leute sind recht verteilt und so bekommt man den Eindruck, beinahe allein zwischen diesen hohen Felsen zu laufen. Das gefällt mir. Am Ende angekommen, stehen mehrere Unterstände mit Sitzgelegenheiten, auf denen sich die Leute sammeln. Ich laufe den Fluss etwas weiter vor und setze mich dort unter einen Baum. Und lausche dem Rauschen. Weg vom Lärm der Leute und dafür direkt am türkisfarbenen Fluss, der sich seinen Weg zwischen den rötlichen Felsen schlängelt, finde ich es sehr idyllisch.

Und dann ist die Zeit auch schon wieder rum und wir sitzen im Bus auf dem Heimweg nach Almaty. Neben mich setzt sich ein Mädchen, sie ist 12 Jahre alt und reist mit ihrem Bruder und den Eltern. Sie hatte sich bei der Abfahrt schon neben mich gesetzt und gefragt, ob wir gemeinsam ein Selfi machen könnten. Sie hat also direkt gemerkt, dass ich Ausländerin bin und mein mir unverständliches aber vorhandenes Bedürfnis, als solche wahrgenommen zu werden, endlich erfüllt. Ich mag sie. Während der gesamten 2 Tage, die wir uns ab und an sehen, winkt sie mir immer glücklich zu. Bis sie mich einmal fragt, ob ich jetzt allein im Bus sitze. Als ich bejahe und ihr sage, dass sie sich gerne wieder zu mir setzen könne, lehnt sie allerdings ab und sagt, sie setzt sich neben ihren Bruder. Aha. Bin ich in den Augen einer 12-jährigen also uncooler, als ihr 14-jähriger Bruder. Und schon mag ich sie weniger. Dass sie zum Schluss aber doch wieder bei mir sitzen will und auch kaum aufhören mag, sich mit mir zu unterhalten (sie spricht ein wenig englisch), bringt wieder Pluspunkt ein. Irgendwann wird zum Glück auch sie müde und schläft ein wenig.

Jetzt haben wir Freitag Nachmittag und ich liege im Bett eines Nachtzuges. Wie habe ich es vermisst, auf diese Art zu reisen! Bepackt mit deutlich mehr Snacks, als ich bräuchte, liege ich in einem Viererabteil zusammen mit einem Mann, seinen zwei kleinen Kindern und der Oma. Wir unterhalten uns etwa 5 min über Google, bis das Internet weg ist. Sie wirken nett. Ich habe ein Buch und plane, abwechselnd zu lesen, schlafen und rauszuschauen. Mittlerweile haben wir nicht einmal mehr Netz. Wenn ich es richtig im Kopf habe, gehört Kasachstan zu den am wenigsten dich besiedelten Ländern und es ergibt ja auch irgendwie Sinn, leere Steppen nicht unbedingt mit Netzabdeckung zu versehen.

Morgen früh werde ich in Turkestan ankommen, ich bin schon gespannt, woe groß der Unterschied zur ehemaligen Hauptstadt Almaty ist.

Ich wünsche euch einen guten Start ins Wochenende!

Es geht los!

Es ist Montag Vormittag und ich bin ausgeschlafen. Nach wenigen Nächten im Hostel habe ich mich an die Geräusche im 6er-Zimmer gewöhnt und lasse mich durch sie nicht mehr von meinem Schlaf abhalten. Die Wanderung gestern war wirklich schön aber auch sehr anstrengend. Deshalb mache ich heute einen entspannten Tag um Park! Ich habe mein Buch dabei und war nochmal bei einer anderen Touristen-info. Heute möchte ich also noch weiter schauen, ob ich an weitere Infos komme und etwas weiter planen kann. Diese ganze Planerei nimmt deutlich mehr Zeit und Raum ein, als ich mir das vorgestellt hatte. Aber ich habe ja Zeit, von daher passt es.  Zum Frühstück gehe ich in einen Supermarkt, der hat eine eigene Bäckertheke. Beim Überlegen, wofür ich mich entscheide, spricht mich ein Inder an (der erste offensichtliche Ausländer, dem ich begegne! Juhu!) und fragt, ob ich englisch spreche. Ich antworte, dass ich das tue, nur leider kein russisch kann. Wir lachen beide, da wir vor dem gleichen Verständigungsproblem stehen und unterhalten uns nur kurz, bevor er wieder geht. Er reist mit seiner Familie, sie klappern die touristischen Orte ab und fahren wieder. Haben schon die Tour gemacht, zu der ich morgen Abend aufbrechen werde. Auch er hatte mich erst für eine Russin gehalten. Das finde ich immernoch skurril.

Zu meinem wertvollen Wortschatz der russischen Sprache zählen genau 2 Tiere und das sind Hund und Katze. Und man mag es nicht glauben, aber Duolingo bereitet mich wirklich gut auf den Einstieg in russisch vor, denn genau diese beiden Begriffe habe ich auf dem Weg zur Wanderung innerhalb kürzester Zeit direkt brauchen können. Der Weg zum Start führte an einem Anwesen vorbei, in dem 3 Hunde laut auf sich aufmerksam gemacht haben. Bevor ich sie sehen konnte,  kam mir jemand entgegen und hat mich direkt vor dem Hund gewarnt. Und etwa 20m weiter saß eine süße Katze mitten auf der Straße. Ich habe sie gestreichelt, als ein Auto vorbei wollte und die Katze keinerlei Motivation zeigte, sich von Fleck zu bewegen. Ich habe sie dann zur Seite getragen. Das hat ein Taxifahrer beobachtet, der mir amüsiert irgendwas erzählt hat, das das Wort Katze beinhaltete. Ich habe so getan, als hätte ich ihn verstanden und auch gelacht, wollte nicht ausführlich erklären, dass ich kein russisch verstehe.

Heute ist ein verrückter Tag. Ich habe am Abend ein unangenehmes Telefongespräch vor mir, bin noch ein wenig genervt davon, dass ich immernoch kaum was vom Land gesehen habe und auch ein wenig enttäuscht, dass mir die Leute bisher nicht so sehr weiterhelfen. Dazu kommt, dass ich die Nacht echt schlecht geschlafen habe. Der Plan für heute war, mit einem privaten Führer zu einem See zu fahren und ein paar Stunden dort zu verbringen. Gestern Abend noch hat mich eine Zimmernachbarin (sie spricht englisch, ich kann einfach mit ihr kommunizieren 🤩) gefragt, ob ich mit ihr zu besagtem See fahren mag. Aufgrund mangelnder Motivation und nicht sonderlich ausgeprägter positiver Stimmung meinerseits hätte ich der Einfachheit halber eigentlich diese kleine Tour gemacht, Manuela überzeugt mich aber, dass wir uns stattdessen ein Taxi teilen. Wir kommen gegen 11 Uhr am See an und er schaut schön türkis aus. Irgendwann wollen wir wieder zurück und da beginnt auch schon der spannende Teil. Wie kommen wir wieder zurück? Eine Frage, der ich normalerweise sehr wohlgestimmt wäre. Wo andere Leute sind, kommt man immer irgendwie hin und zurück. Die erste viertel Stunde haben wir aber eher Pech, es fahren nur Autos, die keinen Platz mehr haben. Ein Fahrer bietet uns an, uns für je 10.000 Tenge (20€) die 15 km bis zur nächsten Bushaltestelle mitzunehmen. Eine Frechheit, fürs Taxi hatten wir vom Stadtzentrum aus (insgesamt etwa 23 km) nur 9€ gezahlt. Wir verneinen und entdecken ein Auto mit nur 2 Männern,  die aufzubrechen scheinen. Wir gehen also schnell zu ihnen und der Fahrer spricht auch noch englisch. Jackpot! Leider verneint er aber, uns mitzunehmen, da er einen Klienten fährt. Welcher wiederum sagt, dass sie uns gerne mitnehmen, woraufhin wir einsteigen. Sie machen sogar einen winzigen Umweg, um uns noch eine andere kleine Aussichtsstelle auf den See zu zeigen. Es stellt sich raus, dass der „Klient“ Achmed aus Saudi Arabien ist, geschäftlich ein paar Tage hier ist und glücklicherweise die heutigen Meetings absagen konnte, wodurch er sich von Guide Dan ein wenig die Umgebung zeigen lässt. Und nichts dagegen hat, uns ein Stück mitzunehmen. Entgegen meiner klischeehaften Vorstellung von Männern aus Saudi-Arabien wirkt Achmed weder böse, noch gefährlich – sondern sehr sympathisch 😀 er erzählt, wie er einmal in der Grenzgegend zu Afghanistan war und jemand ihm eine lokale Spezialität Pov (?) auf Weltklasseniveau zeigen wollte. Er ist ins Auto eingestiegen und sie sind immer weiter Richtung Berge und Taliban gefahren. Achmeds Kommentar dazu war in etwa „Wisst ihr, ich bin zwar aus Saudi-Arabien. Aber ich hatte wirklich Angst! Ich dachte, dass ich entweder gleich als Geisel genommen werde oder das beste Pov aller Zeiten essen werde“. Ich finde, damit hat er durchaus Humor bewiesen  und eventuell muss ich mal wieder an meinen Vorurteilen arbeiten. Wir machen einen Zwischenstopp in einem schönen Restaurant auf dem Weg, wo Manuela und ich beschließen, sie als Dank einzuladen. Das funktioniert aber nur mäßig gut, es geht für beide auf garkeinen Fall, dass wir als Frauen hier irgendwas bezahlen. Vielleicht muss ich also doch noch nicht ganz alle Vorurteile begraben. Achmed arbeitet für die Tourismusbehörde Saudi-Arabiens und versucht Werbung für sein Land zu machen. Touristen anzulocken. So spontan fallen mir außer Nordkorea nicht viele Länder ein, bei denen ich mir diesen Job schwieriger vorstelle. Der Gute hat da sicher noch einiges zu tun. Manuela lebt aber schon mehrere Jahre in Saudi-Arabien und sie und Achmed sagen beide, dass sich innerhalb der letzten 3 Jahre viel getan hat im Land. Und dass man sicher reisen kann, wenn man sich die Regeln hält. Mit dieser Begegnung hat Achmed also zumindest schonmal einer potentiellen Touristin sein Landes aut der Bucketlist ein wenig nach oben schieben können. Wir steigen wieder ins Auto ein und sie lassen uns nahe einer Bushaltestelle aussteigen, da sie nun in eine andere Richtung weiterfahren werden. Die beiden waren echt nett und großzügig und ich bin froh, dass Manuela mich überzeugt hatte, die private Tour abzusagen. Dieser Tag entspricht genau meiner Vorstellung vom Reisen, jetzt geht es doch endlich richtig los!

Hier noch ein Bild vom Big Almaty Lake:

Los geht am Abend auch mein Ausflug mit der Reisegruppe. Ich bin sehr gespannt. Das Telefonat zuvor ist gut gelaufen, meine Stimmung ist also wieder auf auf einem Hoch. Den Treffpunkt finde ich einfach. Was mich aber auf ein Thema bringt: Google maps ist hier nicht wirklich zu gebrauchen. Woran es liegt, weiß ich nicht, aber sowohl die Orte als auch die Adressen sind äußerst ungenau. Hier verwendet man andere Apps, die sind um Welten genauer. Ich steige in den Bus ein und stelle bei der Abfahrt fest, dass ein Ehepaar in meiner Nähe sitzt, das deutsch spricht. Vorerst warte ich aber ab mit dem Outing, vielleicht sind sie ja nervig und ich möchte garnicht, dass sie wissen, dass ich sie verstehe 😀

Gegen 2 Uhr morgens kommen wir im Dorf Saty an. Meine Herberge hat ein Waschbecken im Eingangsbereich, sowie ein Plumsklo mit Holzverhausung im Garten. Fehlt eigentlich nur noch, dass ein herzförmiges Loch in die Tür gesägt wurde, um dem Klischee Plumsklo voll zu entsprechen. Wie gut, dass ich Stehklos schon aus Indien gewohnt bin. Wir wohnen 2 Nächte bei einer Familie und ich finde die Art der Unterkunft ziemlich angenehm.

Mittlerweile ist es Mittwoch Vormittag und es gibt Frühstück im Gasthaus. Die Nacht habe ich zusammen mit Rufina (etwas jüngerals ich) und ihrer Mutter Sula in einem 5-Bett-Zimmer geschlafen. Die beiden sind bestimmt eine Stunde nach mir schlafen gegangen und waren auch mindestens eine Stunde vor mir auf. Ich fand die Alternative mit 2 Stunden Schlaf mehr deutlich ansprechender, aber ok. Sie sind sehr ruhig und rücksichtsvoll, daher können sie wegen mir auch die Nacht durchmachen. Zusammen mit dem (vermeintlich) deutschen Ehepaar, das sich aus einem Österreicher und einer Polin zusammensetzt (aber immerhin sprechen sie deutsch, ganz falsch lag ich also nicht) und einem Ehepaar mit der ca. 12-jährigen Tochter und unserer Gastmama sitzen wir am gedeckten Küchentisch. Es gibt eine Art Haferbrei aus Hirse oder ähnlichem mit Kirschen, frittiertem Brot, Fladenbrot und einer Auswahl an Keksen.

Und dann geht es los zu unserem ersten Ziel des Tages: einem See, der in den Bergen liegt und an dessen Stelle mal ein Wald stand, weshalb Stämme aus dem Wasser schauen. Wir fahren mit Minibussen aus der Zeit der Sowjetunion los. Und jetzt kann ich auch besser nachvollziehen, weshalb es keinen öffentlichen Verkehr zu diesen Naturschönheiten gibt. Die Straßen sind für Verkehr eher ungeeignet. Besonders für großen Verkehr. Wir kommen an einem Parkplatz an, um 12:30 Uhr treffen wir uns wieder am Bus. Bis dahin kann jeder machen, wie er/sie mag – das gefällt mir, denn dann hat man ja doch auch seine Freiheit auf dieser kleinen, durchgetakteten Reise.  Die letzten Meter zum See können wir ein Taxi nehmen, reiten oder ein kleines Stück wandern. Ich gehe zu Fuß. Mit jedem Atemzug werde ich aber daran erinnert, dass ich auch hätte reiten können – denn der Weg besteht aus einer Mischung aus Kies, Staub und Pferdemist. Meine letzte Baustoffkunde-Vorlesung ist schon etwas her, aber im Gegensatz zu Zement scheint sich Pferdemist eher weniger zum Binden des Kieses zu eignen. Und so kommt es, dass meine bereits von einiger Tierarten gesegneten Trekkingsandalen und Füße nun mit Pferdemist bedeckt werden. Da Pferde hier aber ein recht gutes Ansehen haben – immerhin sind sie als Transportmittel tauglich und scheinen auch gut zu schmecken – sehe ich es als erneute Segnung. Außerdem komme ich ja gleich an einem See an, da kann ich mich waschen.

Hier ein Bild von Kaindy Lake:

Der See ist wirklich schön, den Pferdemiststaub an den Füßen ist er allemal wert. Ich weiß nicht, auf welcher Höhe wir sind, aber diese Bergkulisse um uns herum rundet das Bild noch ab. Mit den Füßen gehe ich ein wenig ins Wasser, es ist ganz klar und eiskalt. An verschiedene Stellen setze ich mich noch ein wenig hin und lasse die Natur auf mich wirken, während der Großteil meiner Touristenfreunde damit beschäftigt zu sein scheint, möglichst viele Fotos zu machen. Es verteilt sich aber gut an dem See, also soll es mir recht sein. Zurück am Treffpunkt treffe ich meine Zimmernachbarinnen Rufina und Sulu wieder, sie sagen „hello Julia“ und winken. Ich mag die beiden, sie sind sehr positiv gestimmt und winken immer, wenn wir uns wiedersehen. Weil es meinen Namen so auch im russischen gibt, können einige ihn sich gut merken und haben natürlich auch keinerlei Probleme mit der Aussprache. Es ist ungewohnt, im nicht deutschsprachigen Ausland die deutsche Aussprache meines Namens zu hören. Wir fahren zurück in unser Unterkunft und essen Mittag. Es gibt Reis mit Möhren und Fleisch. Für mich wird netterweise um das Fleisch rumgeschöft. Dazu trinken wir Tee. In den wird hier ein wenig Hirse gegeben. Wofür genau, weiß ich auch nicht. Schmeckt neutral. Scheinbar ist etwas witziges passiert, denn Rufina lacht und bekommt sich garnicht mehr ein. Sie entschuldigt sich auch mehrmals für ihr Lachen. Den Anfall wird sie vorerst nicht los, denn selbst kurz später, als sie im Zimmer betet, prustet sie immer wieder los. Das steckt ihrd Mutter und mich an, sodass wir und immer wieder gegenseitig anstecken 😀

Nach einer kurzen Mittagspause fahren wir zu See Nr. 2. Ist ganz nett, aber leider gibt es keinen Weg entlang des Sees, sondern nur einen großen Platz, an dem man Boote mieten kann. Weshalb der See geradezu gepflastert ist mit Booten. Die 3 Stunden verbringe ich größtenteils damit, mit Mama zu telefonieren. Ich weiß nicht, was meine ganzen Mitreisenden getrieben haben, aber etwa 2 Stunden vor dem Aufbruch ist der See bereits ziemlich leer und der Platz ist auch nicht mehr gefüllt mit Menschen.

Hier wollte ich eigentlich noch ein Bild einfügen, aber es lädt gerade nicht. Stellt euch an dieser Stelle also ein Foto von einem See mit Nadelbäumen außenrum vor 😀

Abends gibt es gedämpfte Teigtaschen mit Kartoffel-Kohl-Möhrenfüllung und Mayonnaise. Dazu einen sehr leckeren Salat. Zurück im Zimmer fragt mich Sulu pantomimisch etwas. Was ich verstehe: ihre Tochter hat gepupst und deshalb lachen sie. Ich lache mit, weil die zwei einfach witzig sind. Und Lachen steckt einfach an. Da ich aber keine Frage hierin sehe, bleibt auch eine Antwort aus. Das veranlasst Rufina dazu, mir mit Google zu übersetzen, was ihre Mutter da gerade dargestellt hat: es stellt sich raus, dass das Sprudeln, zeigen auf Rufina und wegwinken für die Frage steht, ob ich mit zum Lagerfeuer gehe. Der letzte Programmpunkt für heute. Ich schätze, wir müssen noch etwas mehr Zeit miteinander verbringen, bis ich die Pantomime richtig übersetzen kann. Das Lagerfeuer wird abgesagt, da der Wind zu stark weht. Ich bin aber auch nicht böse drum, denn schlafen klingt echt auch verlockend.

Pläne stehen Kopf

Und weiter geht es auch schon! Nachdem die ersten Mahlzeiten jetzt nicht unbedingt erfüllend waren, habe ich nun einen neuen Lebensmittelhändler des Vertrauens aufgetan: Kantinen. Ich habe festgestellt, dass es hier Cantinen für jedermann gibt. Ist etwas ungewöhnlich. Aber deutlich preiswerter, und noch wichtiger: man sieht das Essen, das man bestellt. Sehr gut. Hier kann ich mir einfach das Beilagengemüse mit Kartoffeln/Buchweizen/Reis/… bestellen. Ich hatte schon ein wenig gefürchtet, dass ich mich die kommenden Wochen von Brot, Maiskolben und Pommes ernähren werde. Mein Leben hat also gerade eine Wendung angenommen, ich werde ein paar Vitamine zu mir nehmen. Cool.

Es ist Sonntag Abend und ich bin das zweite mal in meiner wundervollen Entdeckung. Hier habe ich den Satz „ich esse kein Fleisch “ nochmal auf russisch verinnerlicht. Der ist glücklicherweise bereits Teil von Lektion 2 auf Duolingo. Ich gehe damit gut vorbereitet auf die Theke zu und als sich mir eine Essensausschöpferin (gibt es ein Wort dafür?) zuwendet, sage ich den Satz. Sie völlig unbeeindruckt, zeigt auf die grünen Bohnen mit Pilzen und sagt „no meat“. Danach zeigt sie auf eine Sauce und sagt das gleiche nochmal. Ich wähle Buchweizen als Beilage zur Beilage aus. Dass ich mehrmals Stop sage, ignoriert sie geflissentlich. Hier bestimmt also die Kantinenfrau, wie viel ich essen werde. Überzeugt mich noch nicht, aber ok. Sie hat Erfahrung, vielleicht sieht sie mir ja an, dass die Augen kleiner sind als der Magen. An der Kasse bin ich vorbereitet und frage direkt, ob ich das Essen noch aufwärmen muss. In Kantine 1 habe ich mein Gemüse am Mittag nämlich kalt gegessen. Hatte mich schon gewundert. Aber dachte dann, vielleicht ist das der Deal. Preiswert, dafür kalt. Erst nach dem Essen ist mir die Mikrowelle aufgefallen. Und eine Frau, die da ihr Essen reingestellt hat. Zur Sicherheit frage ich in Kantine 2 also, ob ich das Essen noch aufwärmen muss (natürlich mit google). Als die Verkäuferin sieht, dass ich mit der Mikrowelle meine Probleme habe, stellt sie sie mir ein. Insgesamt ein sehr positives Erlebnis. Noch ein paar mal üben und ich werde Profi im Kantinenbesuchersein.

Kantine 1:

Es gibt auch endlich einen Plan, wie es zumindest die nächsten Tage weitergeht. Noch in Deutschland hatte ich mir ein paar Dinge rausgesucht, die ich gerne sehen würde. Dazu gehören ein Canyon (ähnlich dem Grand Canyon), eine Region mit einigen schönen Seen, Nationalparks und ein Nationalpark mit einer Wüste. Und ich werde den Großteil dessen, was ich mir für den Verlauf von 3,5 Wochen vorgenommen hatte, innerhalb von 2 Tage im Schnelldurchlauf mit einer kasachischen Reisegruppe und einem russischsprachigen Führer ansehen. Es entspricht also beinahe meiner Vorstellung vom Reisen. Und das beste: die Wüste ist nicht dabei. Dabei ist die sogar besonders, weil sie im Wind Töne erzeugt (daher wird sie auch singende Wüste genannt). Und wer von meiner letzten Indienreise mitbekommen hat weiß, dass ich auch da schon eine Wüste sehen wollte. Gut, da war es eindeutig mein Fehler. Ich war einfach davon ausgegangen, dass sämtliche gelb markierten Flächen auf Google maps Wüste sind. Ist nicht so. Diesmal habe ich mich also extra informiert, aber es soll wohl nicht sein. Irgendjemand hat mir erzählt, dass die Straße dorthin in sehr schlechtem Zustand ist, weshalb keine Fahrten angeboten werden. Muss ich meinen ersten Wüstenbesuch wohl nochmal verschieben 😅 mal sehen, ob das dieses Leben noch was wird. Und auf die 2-Tage-Tour bin ich wirklich gespannt. Dienstag Abend geht es los und Do Abend werde ich zurück kommen. Dann habe ich es endlich hinbekommen, ein Zugticket zu buchen. Am Freitag fahre ich dann direkt mit dem Zug nach Turkestan, das liegt westlich von Almaty. Mich erwartet wohl eine tolle Moschee und insgesamt eindrucksvolle Architektur. Diesmal ganz ohne Reisegruppe. Dass ich dann aber schon praktisch alles gesehen habe, das ich mir mal rausgesucht hatte, wirft dann aber auch die Frage auf, womit die übrigen guten 2 Wochen gefüllt werden. Die Frage bleibt vorerst so stehen. Keine Ahnung.   Das mit der Reiseplanung ist so eine Sache. Ich stelle fest, dass es hier nicht üblich ist, spontan in Unterkünften aufzutauchen. Bzw. ich habe leider keine Ahnung, ob ich das in kleineren Orten tun kann. Und da mir die Kasachen bisher deutlich verhaltener helfen, als ich mir das wünschen würde, traue ich mich gerade auch nicht, es darauf ankommen zu lassen. In einem Land, in dem ich niemanden kenne, möchte ich nur sehr ungern irgendwo ohne Obdach stranden. Und das Problem ist nicht, dass ich mir keine Unterkunft buchen möchte. Ich finde aber außer in den Metropolen keine Unterkünfte, die ich kontaktieren kann (außer vielleicht ganz vereinzelt welche mit horrenden Preisen). Der nette Mitarbeiter der Touristeninfo hat gemeint, dass man in Kasachstan über Instagram Hotels bucht. Wie ich da aber welche finde, entzieht sich aktuell noch meiner Kenntnis. Da habe ich also noch mindestens ein Rätsel zu lösen.  Von ihm habe ich auch einen Stadtplan (so ganz altmodisch auf Papier, als würden wir nicht alle eh Google Maps verwenden) bekommen. Aber auf dem ist der Süden oben und Norden unten. Solche Karten gehören meiner Meinung nach verboten, es gibt Regeln.

Am Abend mache ich auf dem Rückweg von Kantine 2 Halt an verschiedenen Orten der Flaniermeile, über die mein Weg zurück ins Hostel führt. Es spielen einige Musiker, manche mehr, andere weniger gut. Ein Gitarrist singt sehr schön, da setze ich mich eine Weile auf die Bank gegenüber. Etwas weiter spielt eine Band, sie besteht aus Schlagzeug, Saxophon, Posaune, Trompete und einem Bassisten, der rappt. Wilde Mischung, gefällt mir!  Manche Leute wippen mit, die Stimmung ist gut. Und sie spielen so laut, dass ich es selbst im Bett des Hostels eine Straße weiter im Innenhof hören kann. Langsam freunde ich mich mit Almaty an.

Hier ein Bild der Flaniermeile:

Heute Vormittag war ich ausgiebig wandern und morgen werde ich mich zum Ausgleich mit einem Buch in den Park legen, so der Plan. Ich mag Almaty, aber 2 Tage bräuchte ich hier jetzt eigentlich nicht mehr. Mal schauen, was ich am Dienstag noch so an Beschäftigung finde.

Hier ein Bild der Wanderung, die war richtig toll:

Viele Grüße und einen guten Start in die kommende Woche!

Julia

Hallo Kasachstan!

Mein erster Blogbeitrag aus Zentralasien!
Heute ist Tag 5 auf meiner Reise – ich starte in Almaty und fliege in 3 Wochen aus Astana zurück. Wie ich die guten 3 Wochen dazwischen verbringe, steht noch nicht fest.

Es fängt ganz gut an. Der erste Flug geht mit etwas Verspätung von Frankfurt los und wir laden abends in Ankara. Hier werde ich im Transitbereich von einer Frau auf deutsch angequatscht, sie fragt, ob ich das mit dem W-lan hier hinbekomme. Tu ich nicht. Besonders vor dem Hintergrund, dass ich in Deutschland nicht selten von Deutschen auf englisch angesprochen werde (scheinbar schaue ich nicht typisch deutsch aus), finde ich witzig, dass nun direkt angenommen wird, ich spreche deutsch. Am Gate komme ich auch mit einem Mädchen ins Gespräch, sie ist Kasachin. Auch sie startet die Konversation auf deutsch. Entweder die beiden Frauen haben im gleichen Flieger gesessen und mich als einzige mit nicht dunklen Haaren direkt wiedererkannt – oder ich sehe doch deutscher aus, als gedacht. Die W-lan-Frau sitzt kurz später auch  am Gate neben mir. Und dann läuft noch das Ehepaar, welches auf dem ersten Flug neben mir saß, vorbei und winkt mir zu. Ich fühle mich am Flughafen Ankara so, als würde ich mit Bekannten hier durchreisen und nicht allein. Das kommt ein wenig unerwartet.
Ich bin gespannt, welche Nationalität(-en) mir auf meiner Reise noch zugesprochen werden – oder ob meine deutsche Ausstrahlung dominiert.

Es ist 7:51 Uhr und ich sitze an einer Haltestelle der Metrostation irgendwo in Almaty, Kasachstan. Ich weiß, dass mein Hostel nahe einer Metrostation ist und habe die Busfahrer am Flughafen gefragt, ob sie da irgendwo hinfahren. Sie haben mir gedeutet, ich solle einsteigen. Wie schon oft sitze ich in einem Bus, von dem ich weder weiß, wo er genau hin fährt, noch, wo ich aussteigen soll. Irgendwann fällt mir auch auf, dass ich ganz vergessen habe, ein Ticket zu lösen. Das sollte so ca. 150 Tenge kosten (~30 ct) und der kleinste Schein, den ich am Geldautomaten bekommen habe, sind 10000. Ich gehe also davon aus, dass er mir eh nicht wechseln könnte und belasse es dabei.
<span;>Der Bus ist nach wenigen Stationen voll und ich bin mir unsicher, ob der Busfahrer noch im Kopf hat, dass ich bei einer Metrostation raus will und kann eh nicht einschätzen, ob er mich an entsprechender Stelle darauf hinweisen würde. Schaue aus dem Fenster, es ist schön grün. Im Hintergrund der Stadt gehen die Berge steil auf, das schaut echt toll aus. Irgendwann habe ich den Eindruck, dass wir schon eher in die Innenstadt kommen. Kurz später brüllt der Busfahrer an einem Stop etwas, das sehr ähnlich wie Metro klingt. Damit fühlt sich mein übermüdetes ich aber nicht angesprochen, bis wir schon wieder weiter fahren und ich ein Schild zur Metro sehe. Gut, dann steige ich wohl an der nächsten Haltestelle aus. Es gibt genau eine Linie und diese hat 9 Stationen. Ich habe gelesen, dass es die kürzeste Metro der Welt sei. Dafür aber sehr schöne Bahnhöfe, sie sind mit Mosaiken gefliest. Die Fahrt kostet etwa 16 ct.
<span;>Mit Hilfe einer Frau, die glücklicherweise auf Google Maps die genaue Lage meines Hostels raussucht, finde ich mein erstes Ziel. Schlauerweise hatte ich mir die Adresse nicht notiert, wusste aber noch, bei welcher Metrostation ich raus muss und etwa die Straße. Angekommen bin ich dann mit maximaler Übermüdung. Die Nacht habe ich praktisch durchgemacht, weil ich im Sitzen nicht schlafen kann. Und durch die Zeitverschiebung ist es bei meiner Ankunft im Hostel auch schon halb 9 Uhr morgens. Ich beschließe, noch ein wenig zu schlafen und dann ein wenig die Umgebung zu erkunden.

Das mit dem Schlaf stelkt sich dann doch eher als Theorie und weniger als Praxis heraus. In einem 6-Bett-Zimmer ist es wohl nie so wirklich ruhig. Ich bin gespannt auf die Nacht.
<span;>Nach meinen ca. 2,5 Stunden Schlaf breche ich auf. Ab nach draußen und schauen, was es so gibt. Wie es ausschaut, wie ich die Atmosphäre wahrnehme. Es ist deutlich grüner, als erwartet. Und sehr sauber auf den Straßen. Hier in der Innenstadt stehen prunkvolle Gebäude und Wohnhäuser, die so auch in Europa stehen könnten. Hier ein Bild der Uni:

Die Leute in Almaty sprechen russisch, da Kasachstan mal Teil der Sowjet Union war. Außerdem leben hier auch einige Russen, ist mein Eindruck. Soweit, so gut. E<span;>ine Sache überrascht mich aber doch sehr: ich werde als russischsprachig wahrgenommen. Einige Leute gehen davon aus, ich sei Russin. Selten war ich auf einem anderen Kontinent und wurde für mehr oder weniger einheimisch gehalten. Des öfteren werde ich angesprochen und beispielsweise nach einem Weg gefragt. Eine junge Frau (17 Jahre alt) spricht mich im Park an und sie ist die erste und bisher einzige Person (der ich begegne, ausgenommen dem Mitarbeiter der Touristeninfo), die ein wenig englisch spricht. Es ist Freitag und ich genieße es, mich mit jemandem unterhalten zu können. Sie möchte mich auf ein Eis einladen, bei Eis schrillen aber meine Alarmglocken. Ich kann (noch) nicht einschätzen, ob ich das meinem sensiblen Magen-Darmtrakt antun möchte. Ich lehne dankend ab und begründe es mit einer Milchunverträglichkeit. Mein Veganerdasein habe ich für diese Reise erstmal aufs Eis gelegt aber zumindest vegetarisch versuche ich zu essen. Wenn es Möglichkeiten gibt, nehme ich natürlich auch gerne vegan, aber damit möchte ich mich hier nicht allzu sehr einschränken. Immerhin sind meine Russischkenntnisse -sehr wohlwollend formuliert- ausbaufähig. Auf Duolingo bin ich in Lektion 3. Das Alphabet kann ich aber schon einigermaßen, immerhin kann ich damit schonmal Straßennamen oder auch das Kleingedruckte lesen. Und glücklicherweise bin ich schon auf sehr viel Wörter gestoßen, die ich aus anderen Sprachen bereits kenne. Das ist auf jeden Fall hilfreich.

Kommen wir aber nochmal zu meinen ersten Begegnungen mit Kasachen. Ein Grund, weshalb ich hier im Gegensatz zu einigen anderen asiatischen Ländern nicht, wie ein Papagei heraussteche, ist, dass die Leute in Almaty auch recht unterschiedlich aussehen. Von asiatischer Augenpartie mit allen Hauttönen zwischen ganz hell und gut braun gebrannt, bis stroh blond ist gefühlt alles vertreten. Der Kleidungsstil entspricht in etwa unserem, wodurch ich oft gehofft habe, dass ich da gerade vielleicht anderen Ausländern begegne. Aber nein, irgendwann kommt dann doch die Auflösung, wenn ich sie russisch sprechen höre.

Am Mittwoch habe ich mir direkt eine Simkarte mit Internet besorgt. Sehr, sehr wichtig. Jetzt kann ich nämlich mit den Leuten kommunizieren, ohne ihre Sprache (über Lektion 3 hinaus) zu beherrschen. Was für ein Luxus! Im Rahmen meiner ersten Erkundungstour stoße ich auf moderne und teure Einkaufszentren. Und etwas später auf lokale Märkte, die sind mir schon deutlich sympathischer. Ich finde es spannend, im Ausland auf Märkten zu bummeln. Der Googleübersetzer erleichtert mir ganz gut das Leben. Nicht nur auf dem Markt, auch im Gasthaus. Ein wenig unterhalte ich mich mit den Rezeptionistinnen. Die sind mir ursprünglich ziemlich miesepetrig vorgekommen. Nachdem wir aber ein paar Sätze gewechselt haben, sind sie super nett und lächeln mich an. Eine Mitbewohnerin genauso. Über Russland weiß ich, dass die Kultur noch direkter ist als unsere und dass uns dieser Umstand als unhöflich vorkommen kann. Was grotesk ist, wenn man bedenkt, dass es sonst andersrum ist und wir deutschen die unfreundlichen sind. Ich habe den Eindruck, das gilt auch für Kasachstan und ich muss mich daran gewöhnen. Im Ausland bin ich sonst darauf bedacht, höflicher zu sein und jetzt versuche ich, eine vorerst vermeintlich unfreundliche Art nicht persönlich zu nehmen. Auch nicht schlecht.

Aktuell bin ich übrigens noch in Almaty, es stellt sich schwieriger als erwartet heraus, Verkehrsmittel und geeignete Unterkünfte zu finden. Jetzt habe ich langsam den Dreh raus, es ist aber relativ aufwendig. Daher verbringe ich gerade noch viel Zeit mit der Planung meiner weiteren Reise.

Für heute belasse ich es erstmal dabei und werde die Tage weiterschreiben 🙂 Ich freue mich, wenn wer mitliest!
Julia

Home sweet home

So, und schon bin ich wieder zurück in der Heimat. Hallo Augsburg!

Die Rückreise nach Frankfurt verlief problemlos und Mama hat mich morgens am Flughafen abgeholt. Mein Magen hat bei der Ankunft bei meinen Eltern allerdings beschlossen, dass das Leben in Abenteuern vorerst weitergehen soll und da direkt selbst Hand angelegt. Ich habe das Wochenende also mehr oder weniger im Bett oder über die Kloschüssel gebeugt verbracht (bin ich froh über die Entscheidung unserer Vorfahren über die Form unserer Toiletten. Daumen hoch, wirklich. Ich will nicht wissen, wie es ist, sich in ein Loch im Boden übergeben zu müssen). Der Verlauf des Wochenendes – auch wieder was, das ich mir ja anders vorgestellt hatte. Torte und Krautkrapfen haben leider das Gegenteil von den Gefühlen in mir ausgelöst, die im Normalfall zu erwarten wären. Aber gut, es wird besser. Das Wohnzimmer meiner Eltern wurde zwischenzeitlich in einen Gewürzmarkt verwandelt. Unter etlichen Mitbringseln waren eben auch einige Kilo Gewürze dabei und auch, wenn die Packungen verschweißt wurden – der Geruch nach Kreuzkümmel, Koriander, Pfeffer, Kurkuma und weiteren setzt sich noch durch. Und nicht nur hier habe ich indische Eindrücke, auch hat erst der Kindergarten um die Ecke beschlossen, die gesamte Nachbarschaft mit seiner Party zu unterhalten. Im Fließenden Übergang wurde diese von einem Stadtsommerfest abgelöst, das sich scheinbar auch von der indischen Mentalität à la „jeder soll mitbekommen, dass wir hier Spaß haben“ was abgeschnitten hat. Es war also nicht komplett ruhig. Was Mama als laut empfindet, fühlt sich für mich eher leise an und stört auch überhaupt nicht. Vermutlich ist es mir sogar nur deshalb wirklich aufgefallen, weil Mama die Fenster geschlossen hat, damit ich ruhig schlafen kann.   Ruhiger Schlaf. Das ist noch was, das ich als Privileg schätzen gelernt habe. Es fällt mir in Deutschland (außer im Winter, wenn es kalt ist) auch wirklich leicht. Hier liege ich nicht in Schweiß gebadet unter einem Ventilator, der laut rattert. Hier sind keine fliegenden Ameisen, die mich beißen. Oder Mücken in meinem Zimmer (das kam zugegebenermaßen auch selten in Indien vor). Ich werde nicht von einem Muhen geweckt, welches klingt, als stünde eine Kuh neben meinem Bett. Oder einem hupenden Motorrad, das kurz davor ist, mich im Schlaf zu überfahren. Ich habe ja schonmal von dem Wert von Lärmschutzmaßnahmen in Indien gesprochen. Auch, wenn mein Zimmer im 3. Stock war,mit Fenster zur Gasse – es klingt dennoch, als stünde die Kuh gerade neben mir. Dichte Bebauung, Schallreflexion und so. Das Kindergartenfest muss also noch um einiges zulegen, um mich um meinen Schlaf zu bringen!

Mir fällt immer noch auf, wie ich draußen weiße Menschen sehe und mein Kopf sich denkt „oh cool, die sind so wie ich“. Und frage mich, wie sich wohl Menschen fühlen, die dauerhaft in Regionen leben, in denen sie nicht als der Kultur zugehörig gelesen werden. Was mich zu einem anderen Punkt bringt. Die allseits beliebte Frage „wo kommst du her?“. Eine Frage, die hier aufgrund von Rassismus diskutiert wird. Zu der ich keine klare Meinung hatte, mich jetzt aber eher einer Seite anschließen würde. Ich gehöre zu den Leuten, die an anderen Kulturen interessiert ist und vermutlich mit deshalb auch gerne die Wurzeln einer fremden Person erfährt. Trotzdem konnte ich auch vor Indien verstehen, dass die Frage kritisch ist. Dass sie Menschen ausschließt, ihnen die Zugehörigkeit zu meiner Gruppe abspricht. Aber man ey, kann die Frage nerven! Ich weiß nicht, wie oft Menschen, die in Deutschland nicht weiß gelesen werden, das gefragt werden. Ich wurde sie an jedem einzelnen Tag, an dem ich mein Gasthaus verlassen habe, mindestens 3x gefragt. Meistens öfter. Es ist also nicht so, als würde man das einmal klären. Klar, man begegnet ja immer wieder neuen Leuten. Und zumindest weiß ich von Indien, dass die Frage auch keine negativen Motive mit sich brachte. Einfach nur, weil ich weiß bin. Es ist also nochmal anders, als wenn das Menschen in Deutschland gefragt werden. Und es ist auch was anderes, wenn ich mich länger mit Personen unterhalten habe oder gemerkt habe, dass jemand an mir als Person interessiert ist. Natürlich erzähle ich dann gerne, dass ich aus Deutschland komme. Aber die Frage ständig irgendwelchen Fremden beantworten zu müssen (sollen, wie auch immer), ist nervig und anstrengend. Dass ich nun wieder eher dem „normalen“ Aussehen entspreche, freut mich daher irgendwie. Ich gehe in der Masse unter und bin kein Leuchtturm. Juhu!

<span;>Wieder zurück in Augsburg gilt es langsam, mich um einen Job zu bewerben. Der Alltag fängt also langsam wieder an. Ich freue mich darauf. Und besonders freue ich mich darauf, selber zu kochen. Mit mir vertrauten Zutaten. Und die Stille. Das Grün vor meiner Haustür. Ich verlasse das Haus und bin direkt am Fluss. Schön. Ich mag mein Zuhause.

In diesem Sinne – es hat mir wieder eine große Freude bereitet, meine Eindrücke schriftlich festzuhalten und damit noch ein paar ganz objektive Berichte über die indische Kultur zu bieten 😉 es hat mich riesig gefreut zu hören, dass doch so mancher ab und an reingelesen hat 🙂 wer weiß, wann es weitergeht.

  1. Liebe Grüße aus Augsburg!