Es geht los! Mein Roadtrip. Mein erster Roadtrip mit Auto. In Indien. Alleine. Es kann eigentlich nur ein Abenteuer werden! Ich versichere meinen Tambdi Eltern, dass ich sie wissen lasse, wo ich so rumfahre und dass wir täglich telefonieren. Das finde ich ein bisschen witzig, weil ich mit Mama und Papa weniger telefoniere. Und das, obwohl ich ihnen deutlich mehr erzählen könnte (aufgrund der kulturellen/geographischen Unterschiede und natürlich auch der fehlenden Sprachbarriere). Am Vormittag habe ich mit Tambdi Dad noch ein Ersatzrad geholt, um mich zumindest ein wenig auf Eventualitäten vorzubereiten. Was nicht meine Idee war, denn ich kann mit dem Rad eh nichts anfangen. Ist ja nicht so, als würde ich bei diesen Straßen a) merken, dass ich nen Platten habe oder b) fähig sein, einen Reifen selbst zu wechseln. Komme ich in die Situation, brauche ich eh Hilfe. Aber da es Chichi und Tambdi Dad beruhigt, nehme ich den gerne mit. Im Laden haben wir einen offensichtlich gebrauchten Reifen für 7€ besorgt, dessen Profil fast vollständig abgefahren ist. Das wäre ich jetzt zum Beispiel auch wieder anders angegangen, aber gut. Autos gehören sicherlich nicht zu einem Bereich, in dem ich mit Wissen auftrumpfen kann. Ich habe versucht, Tambdi Dad zu fragen, ob wir nicht lieber ein Rad mit Profil nemen wollen, aber Tambdi Dad meinte, der sei gut. Also habe ich zugestimmt. Vor der Abfahrt buche ich noch eine Hütte in einem Resort am Strand nordwestlich von Chiplun. Dann fahre ich los und werde winkend verabschiedet. Ich muss noch tanken und Chichi hatte mir beschrieben, wo ich auf dem Weg eine Tankstelle für Erdgas finde kann. Ich lasse auch noch die Reifen aufpumpen und der Junge, vielleicht 15 Jahre alt, erzählt irgendwas von puncture und schwallt mich auf marathi voll. Ich rufe Chichi an, drücke dem Jungen das Handy in die Hand und sie telefonieren. Chichi erklärt mir, dass der Junge meint, ich hätte ein Loch im rechten Vorderrad, aber das glauben wir beide nicht. Vor Abfahrt haben wir noch geschaut, ob alle Reifen gut sind. Also beschließen wir, dass ich so fahren kann. Dann ruft mich jemand vom Resort an, entschuldigt sich und sagt, dass er meine Buchung stornieren muss. Die restlich 4 min Monolog verstehe ich nicht, weiß jetzt aber, dass ich mir was anderes suchen muss. Ok. Ich beschließe, erstmal nach Dapoli zu fahren und dann dort zu schauen. Derweil fragt Chichi einen Freund in der Gegend, ob der was weiß. Da aktuell Hochsaison ist, sind einige Unterkünfte ausgebucht. Dann ruft mich ein Mitarbeiter der Plattform, über die ich das Resort gebucht hatte an, um zu fragen, ob ich das Geld zurück haben möchte oder ob sie mir was anderes buchen sollen. Da ich unsicher bin, wie das mit der Umbuchung genau funktioniert sage ich, dass ich mein Geld zurück haben möchte.
Das (Chichis) Auto meines Vertrauens. Ein Honda:
Ich fahre auf der Autobahn. Durchschnittlich fahre ich etwa 50 km/h, an guten Stellen auch mal 70 km/h. Die Geschwindigkeitsobergrenze liegt auf den normalen Autobahnen bei 110 km/h. Die Autobahn ist größtenteils baulich in 2 Fahrtrichtungen getrennt, öfter mal muss man aber auf die Gegenspur, da es auch hier einige Baustellen gibt. Die Straße ist nicht so eben, wie ich es von Deutschland gewohnt bin, außerdem gibt es auch hier teils Geschwindigkeitsbrecher bzw Schlaglöcher oder Stellen ohne Deckschicht im Asphalt. Man muss sich daher sehr auf die Straße vor einem konzentrieren und so langsam dämmert mir, warum man hier so viel hupt. Ich komme kaum dazu, in den Rückspiegel zu schauen und so ist es tatsächlich garnicht schlecht, dass die von hinten kommenden Fahrzeuge hupen. An einer Stelle wird die Geschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt und ich muss lachen, denn ich fahre gerade nur 60 km/h und fühle mich arg schnell.
Die Autobahn geht nun ziemlich steil bergab und die Geschwindigkeit wird auf 20 km/h begrenzt. Hier muss selbst ich abbremsen. Vor allem, als ich sehe, dass sie nun alle 20 m Geschwindigkeitsbrecher gebaut haben. Und da gibt es ja auch verschiedene Varianten, manche sind flacher, manche steiler. Das hier sind die ganz miesen, bei denen ich mich aufgrund des Zustands meines Fahrzeugs des Vertrauens nur traue, in Schrittgeschwindigkeit drüberzufahren. Richtig nervig. Ich verstehe, dass dies durchaus zweckmäßig ist, denn links geht es steil einen Abhang runter. Aber nervig ist es trotzdem. Nach gefühlt mindestens 25 Geschwindigkeitsbrechern geht es wieder normal weiter. Ich habe Google Maps offen und bin optimistischer, als ich es sein sollte. Habe nämlich erfolgreich verdrängt, dass mein Maps selbst in Deutschland ständig spinnt und nicht weiß, wo ich bin. Ich kann es also eher als Karte verwenden. Old school quasi. Als ich in Khed ankomme, muss ich abbiegen und etwas zickzack durch die Stadt fahren, um am anderen Ende auf einer Landstraße weiterzufahren. Das hält mein Handy für eine gute Gelegenheit, meinen Standort nicht mehr anzuzeigen und natürlich fahre ich falsch weiter. Am Ende biege ich etwas zu früh ab und fahre statt Richtung Nordwesten Richtung Norden. Als es mir dann irgendwann doch komisch vorkommt, dass die Straße irgendwann nicht mehr befestigt ist, sondern eher einem Feldweg gleicht, habe ich garkeinen Empfang mehr. Ich beschließe, weiterzufahren und irgendwann tauchen einige Laster mit Steinen auf. Hier scheint etwas abgebaut zu werden und ich fürchte, der Weg könnte nur dorthin geführt haben. Er geht aber weiter, also fahre ich weiter. Eine Abzweigung finde ich, aber hier ist es nur ein Erdweg und so bleibe ich meinem Schlaglochversehenen Feldweg treu. Der ist teils so schlecht, dass ich aufsetze. Gut, dass mir Chichi versichert hatte, er sorge sich nicht um sein Auto, sondern darum, dass niemand verletzt wird. Die Gefahr besteht Mangels anderer Menschen und meinen ca. 6 km/h aktuell eher nicht. Was hier vielleicht verletzt wird, ist meine mentale Gesundheit, wenn ich nicht bald zurück auf richtige Straßen finde. Mittlerweile ist der Weg nicht mehr befestigt, sondern abwechselnd eine Schotterpiste oder ein Erdweg. Maps findet kurz heraus, wo ich bin. Das hilft. Ich weiß jetzt immerhin, auf welcher Straße ich bin, und nach welchen Ortschaften ich Ausschau halten muss, sollte ich doch wieder zurück in die Zivilisation finden.
Der Weg:
Es taucht ein kleines Dorf auf, das beruhigt mich. Menschen. Ich fahre hindurch, in Schrittgeschwindigkeit hinter einer Büffelherde. Es ist verdammt eng. Warum, wo hier doch nur ca. 30 Häuser stehen? Platz scheint hier keine Ressource zu sein, die nichtausreichendvorhandenwäre.
Ich bin auf jeden Fall eine kleine Attraktion. Die Menschen kommen aus den Häusern und schauen, wer da lang fährt. Schließlich komme ich an eine Kreuzung und frage einen Mann, wo es nach Mugij gehe. Er sagt, ich solle links fahren und wenn ich auf die Hauptstraße komme, rechts abbiegen. Er hat Hauptstraße gesagt! Juhu, das klingt doch super. Ich bin wieder zuversichtlicher, obwohl ich gerade über eine Stunde Umweg gefahren bin. Und tatsächlich finde ich kurz später die Hauptstraße, biege hier aber links ab, denn ich will ja nicht nach Mugij, sondern Dapoli. Die Straße ist das beste, was mir gerade hätte passieren können, ich kann wieder 50 km/h fahren und muss nach Geschwindigkeitsbrechern suchen. Auf der Strecke nach Dapoli bekomme ich irgendwann wieder Empfang und die Ortung funktioniert auch wieder. Ich telefoniere mit Chichi, er schickt mir einen Hotelnamen, wo ich es probieren könnte. Ich gehe nach meiner unplanmäßigen Erlebnisverlängerung zur Sicherheit nochmal Erdgas tanken (wer weiß, wo ich sonst die nächste Tankstelle finde) und fahre dann nach Ladghar weiter. Und tatsächlich komme ich an. Und sie haben ein Zimmer frei. Es ist teurer als erwartet, hat dafür aber eine richtig tolle Aussicht direkt aufs Meer. Ich finde, das habe ich mir jetzt wirklich verdient!
Es ist ca. 16:30 Uhr und die Sonne steht schon so niedrig, dass ich meiner Haut zutraue, sich einigermaßen unbedeckt am Strand aufzuhalten. (Aufgrund der gesellschaftlichen Norm an von Frauen zu verdeckenden Körperteilen heißt das, meine Arme, Hals und Gesicht sind nicht bekleidet.) Ich laufe die paar Meter an den Strand vor. Ich habe Hunger und auf Maps habe ich gesehen, dass es ein paar Hundert Meter weiter südlich eine kleine Ortschaft mit 3 Restaurants geben soll. Ich spaziere dorthin, vorbei an etlichen Jugendlichen, die am Strand Cricket spielen. Leider finde ich keinen einzigen Laden. Dann muss ich wohl doch noch auf das Abendessen warten. Eine Gruppe knurrender Hunde hält mich davon ab, noch weiter südlich zu laufen und so drehe ich um. Zum Sonnenuntergang setze ich mich auf Steine und genieße das Rauschen der Wellen. Dann gehe ich in mein Zimmer, dusche und lege mich etwas hin. Ich rufe Tambdi Eltern an, versichere ihnen, dass ich keine Probleme habe und dass es mir gut geht. 2x ruft mich die Rezeption an, um zu fragen, was ich denn zu Abend essen möchte. Ich sollte es 2h vorher bestellen. Irgendwann beende ich daher mein Telefon mit einer Freundin und gehe runter. 2h warten mag ich wirklich nicht, aber jetzt nochmal mit dem Auto loszufahren, um ein Restaurant zu finden, klingt gerade auch nicht so verlockend. Ich bestelle eine lokale Spezialität, Sprossen aus Linsen in einem Curry mit Reis. Das Essen kommt schon um 8 und ich vermisse das Essen von Tambdi Mum, bei ihr schmeckt es deutlich besser.
Dann gehe ich bald schlafen.
Eins der schönen Holzboote am Strand:
Und der Sonnenuntergang: