Planing, planing, planing

Auf mich wird nicht nur richtig gut aufgepasst, sondern auch so werde ich wunderbar umsorgt. Was in kleinen Dingen anfängt, wie dem Hände waschen. Die Oma hat mir jedes mal aufs neue gezeigt, wo die Seife ist (steht direkt am Waschbeckenrand, also praktisch versteckt). Dann hat sie mir auch zur Sicherheit noch gezeigt, wo ich mein Handtuch aufgehängt hatte. Dabei schaut sie so lieb aus, dass ich das nicht zu viel, sondern schnuckelig finde. Auch in der zweiten Nacht deckt sie mich zu.

Am nächsten Tag brechen Chichi und ich auf und fahren weiter zu anderen Verwandten. Zwischendurch ruft Tambdi Dad an (er redet wirklich sehr gerne) und nachdem er reihum mit einigen Familienmitgliedern gesprochen hat, möchte er auch mich sprechen. Ich wunder mich aufgrund der hohen Sprachbarriere, freue mich aber auch sehr. Und dann möchte er von mir wissen, ob es mir gut gehe, ob ich mich wohl fühle, ob ich in Ordnung sei. Hachz. Aber natürlich. Nein, ich brauche nichts, nein, Chichi muss mich nicht zurück fahren, es ist alles gut. Langweilen tue ich mich schon garnicht. Dann möchte er noch den Stand der Mangosuche bestätigt haben. Ich habe nämlich erzählt, dass ich Mangisos mit nach Deutschland nehmen möchte und ein Fest plane, bei dem meine Freunde indische Mangos probieren können. Und da habe ich mittlerweile ein richtig schlechtes Gewissen. Anfangs hatte ich ja mal den Eindruck, dass das völlig vergessen war, bis der riesige Karton im Elektroladen besorgt wurde. Und jetzt sucht die gesamte Verwandschaft für mich nach den perfekten Mangos. Ich habe ihnen zwar gesagt, dass wir in Deutschland keine guten Mangos kennen und wir daher jede indische Mango super finden werden. Und da man an jeder Ecke welche kaufen kann, hätte ich einfach irgendwo welche besorgt. Aber nicht mit meiner Adoptivfamilie. Es werden nur die besten mitgegeben. Selbst der Nachbar des Bruders der Mutter hat von mir wissen wollen, wann ich zurück nach Deutschland fliege, um zurückzurechnen, wann die Mangos geerntet werden müssen. Wir haben uns letztendlich für seine Mangos entschieden, da sie den Ruf haben, die besten der Region zu sein und außerdem unbehandelt sind. Ich bin komplett begeistert. Tambdi Dad kann ich am Telefon daher berichten, dass wir welche gefunden haben, die am 17.5. holen werden und dass sie unbehandelt sind. Er wirkt zufrieden.

In einem anderen Gespräch betont er, wie wichtig es ist, dass wir meine Rückreise gut planen. Er wiederholt oft, wann mein Flug geht, wann ich in Mumbai zum Flughafen aufbrechen muss, wann ich nach Mumbai fahren soll. Wie viel kg Gepäck ich mitnehmen darf. Außerdem bedauert er, dass er aktuell nicht so fit ist, denn sonst wäre er gerne mitgekommen beim Verwandschaftshopping. Ich mag ihn sehr. Chichi hat erzählt, dass sie alle dachten, sie hätten letztes mal als Gastgeber verkackt und würden mich nicht wieder sehen. Und dass Tambdi Dad besonders froh ist, dass ich doch wieder hier bin und dass es ihm sichtbar ein wenig besser gehe.

Im Dorf der anderen Verwandschaft werden wir ständig besucht. Es kommen Kinder und ältere Leute, um zu sehen, wer da gekommen ist. Die meisten laden mich zum Essen zu sich ein. Ich müsste dann allerdings noch ein paar Tage bleiben, um all die lieben Angebote annehmen zu können. Und so gehen wir sie zumindest ein paar Häuser weiter besuchen. Dass ich nicht einmal Tee oder Kaltgetränke (alles extrem süß) möchte, sondern einfach nur Wasser trinke, ist für alle eine Enttäuschung. Gerade sind Sommerferien und die Kinder im Ort sind den ganzen Tag draußen und spielen gemeinsam. Ab und an kreuzen sie im Haus einer der Familien auf aber die meiste Zeit rennen sie draußen rum. Solche Sommerferien stelle ich mir richtig schön vor. Einige der Kinder leben mit ihren Eltern in Mumbai und sind in den Ferien bei der Verwandschaft. Ein Mädchen hat im Dorf keine Verwandschaft mehr und ihre Eltern arbeiten in Mumbai, daher pendelt sie hier in den Ferien zwischen mehreren Familien und schläft und isst mal hier und mal dort.

Wir gehen in den Wald und mittlerweile passe auch ich automatisch auf, wo ich hintrete. Es gibt hier wohl ziemlich viele Schlangen und als Deutsche ist es für mich schon ungewohnt, im Wald so genau darauf zu achten, wo man hintritt. Außerdem gibt es aber auch Bäume mit Lianen à la Tarzan und ich klettere auf ein paar von ihnen. Und stelle fest, dass ich völlig vergessen hatte, wie viel Spaß das macht. Muss ich unbedingt mehr in meinen Alltag integrieren. Chichi pflückt uns noch ein paar Beeren, die ich auch noch nie gesehen, geschweige denn gegessen habe. Sie erinnern mich etwas an Johannisbeeren. Es ist einigermaßen windig und somit sogar relativ angenehm. Trotz mehrfachem Eincremen, langer Kleidung und Aufenthalt hauptsächlich im Schatten, habe ich am Abend Sonnenbrand an den Armen. Meine Oberteile haben größtenteils dreiviertel Ärmel und das fehlende Viertel macht sich bemerkbar. Außerdem ist mein Gesicht schon einige Tage etwas rot. Das verstehe ich allerdings wirklich nicht, denn ich verwende ja schon Sonnenschutz mit dem (mir bekannt) höchsten Schutzfaktor und trage meine Tücher in der Sonne so, dass nur ein Schlitz für die Augen übrig bleibt.

Am späten Nachmittag informiert mich Chichi, dass er heute wieder nach Tambdi zurückfahren will. Und fragt mich, ob das passe. Klar passt das. Die Sachen sind schnell gepackt, ich habe eh nur 1x Wechselklamotten dabei und die abgespeckte Version meines Kulturbeitels. An Handtuch und Nachthemd hatte ich nicht gedacht, weshalb mir das jeweils geliehen wurde. Wir brechen auf und legen auch bei der Tante noch einen Zwischenstopp ein. Von ihnen bekomme ich Kokosnüsse, Mangos und frische Cashewkerne (für Tambdi Mum zum Kochen) mit. Dann beteuern sie, dass es ihnen so Leid tue, mir nichts anbieten zu können. Ja, die große Tasche mit Mangos, Kokosnüssen und Cashews finde ich auch fast ein bisschen frech. Schließlich fahren wir mit viel Musik wieder zurück und kommen pünktlich zum Abendessen an.

Chichi hat mittlerweile ziemlich Gefallen daran gefunden, den Leuten zu sagen, dass ich gerne noch mehr Essen hätte (obwohl ich ihm meistens schon was von meinem Reis/Chapati gebe, weil ich es nicht schaffe). Generell ist Kochen im privaten Rahmen Frauensache und dazu gehört auch das Servieren. Sobald die Männer und Kinder gegessen haben, essen die Frauen. Da ich als Gast natürlich nicht am Kochen und Servieren beteiligt bin, bekomme ich das Essen mit Chichi serviert und dabei wird genau beobachtet, wie viel ich wovon esse. Wir bleiben so lange sitzen, bis die Frauen schließlich selber essen und eine merkt an, dass sie ein schlechtes Gewissen habe, weil ich so wenig gegessen habe und sie viel mehr esse. Ich erzähle, dass ich das bei Prasens Oma so krass fand, weil die etwa dreimal so viel gegessen hat, wie ich und das obwohl sie nur halb so groß ist. Auch hier musste ich beim Essen wieder gut aufpassen und versuchen zu verstehen, was gesprochen wird, um direkt eingreifen zu können, als er wieder verkündet, ich hätte noch Hunger. Die Sprachsache ist tatsächlich etwas, das ich unterschätzt und verdrängt hatte. Hindi kann ich mittlerweile schon etwas besser, nur bringt mir das hier kaum was. Nur, wenn mir die Eltern ein paar Wörter auf marathi beibringen, kommt es ab und an vor, dass ich etwas erkenne, weil es ähnlich klingt. Das macht es teils entspannter, weil ich manchmal garnicht erst versuche, zu verstehen, worüber gesprochen wird. Andererseits ist es aber auch anstrengender, weil ich oft eben schon gerne wissen würde, was gesagt wird und viel weniger Wörter zur Verfügung habe, anhand derer ich mir einen Sinn zusammen reimen kann.

Tambdi Dad hat das Planen für sich entdeckt. Jeden Tag zählt er mir die Tage runter, wie lange ich noch hier bin. Fehlt nur, dass er mir ein Stück Schokolade dazu gibt und ich hätte einen wandelnden Adventskalender. Jedes mal aufs neue wiederholt er dann auch, wann ich die Mangos bekomme, wann ich sie einpacke, wann ich einen Tag entspanne, dann nach Mumbai reise, um AUF JEDEN FALL den Flieger zu erwischen. Planing, planing, planing sagt er dann. Und da ihm das vermutlich  ein bisschen zu langweilig ist an Planung, möchte er mittlerweile auch immer von mir wissen, was heute und am nächsten Tag geplant ist. Da sich diese Pläne mit Chichi allerdings stündlich ändern und ich meist auch erst relativ kurzfristig informiert werde, muss ich ihn da enttäuschen. Er möchte meinen Urlplanen und da hat er offensichtlich einen höheren Planungsdrang, als ich. Und so hat er sich einem neuen Projekt angenommen: der Gartengestaltung. Das Grundstück ist ziemlich groß und vor der Terasse am Eingang des Hauses möchte er einen Bereich zum Wenden der Fahrzeuge abgrenzen. Dahinter soll dann eine Bepflanzung vorgenommen werden. Am Abend steckt er mit Chichi ab, wo die Ziegel gelegt werden sollen. Sie fragen mich, was ich von der Flucht halte und ich finde es gut. Der Vater betont, dass ihm meine Meinung wichtig sei, denn er wäre nur ein einfacher Mann und ich eine Ingenieurin. Verrückt. Auf welchen Fluchten man Ziegelsteine zur Gartengestaltung verlegt, habe ich Studium wohl verpasst. Ich beteuer zwar, dass sowas keinesfalls zu meinem Studium oder Beruf gehöre, aber er hält mich dennoch für kompetent. Als ich am nächsten Morgen aufstehe, sind die beiden bereits dabei, den Boden zu lockern und ich helfe mit, die Ziegel einigermaßen entlang der Richtschnur zu verlegen. Tambdi Mum ruft entsetzt, was ich da tue? Ich hätte doch gerade erst geduscht und es ist heiß, warum ich überhaupt da mit mache? Weil ich möchte 🙂

Gegen 12 gibt es dann Frühstück. Kichererbsencurry, meine indische Leibspeise.Da Muttertag ist und offensichtlich niemand anderes aus der Familie daran denkt, möchte ich Tambdi Mum Blumen besorgen. Chichis schlägt vor, nach dem Frühstück loszufahren. Da er bei weitem nicht abfahrbereit wirkt, lege ich mich zum Mittagsschlaf hin. Als ich gegen 2 wieder aufwache, sagt er, wir könnten jetzt los. Bis er dann fertig ist, ist es 3. Indische Zeitangaben.

In der Stadt angekommen finden wir schließlich einen Laden, der Blumenketten (für Götter) und einzelne Rosen verkauft. Ich kaufe eine Rose für einen überteuerten Preis von etwa 25 ct. Zusammen mit etwas Schokolade, die ich aus Deutschland mitgebracht hatte und ausgedruckten Fotos vom letzten Besuch wünsche ich ihr alles Gute zum Muttertag. Tambdi Mum freut sich sehr. Als ich Chichi frage, wo wir denn die Rose aufheben (ich denke an ein Glas als Vasenersatz), schlägt er den Kühlschrank vor. Hmm. Nicht ganz das, woran ich so gedacht hatte.

Am Abend kommt ein Onkel zu Besuch. Tambdi Dad erzählt ihm viel über mich und als sie versuchen, mir Fragen zu stellen, freut er sich sehr über seine neue Entdeckung: den Google Übersetzer. Man spricht rein und bekommt eine Text- sowie Sprachausgabe in der gewünschten Zielsprache. Ich schätze, dass die vielen möglichen Sprachen unterschiedlich weit entwickelt sind in den Übersetzungstools. Marathi kann ich nicht so gut einschätzen, aber oft kommt da nicht so viel sinnvolles raus. Wenn ich es dann Chichi zeige, sagt er allerdings, dass sein Vater sich sehr gehoben ausdrückt und dass sein Satzbau auch nicht ganz hinkommt. Wie auch immer das zusammen geht. Vielleicht liegt es also auch daran. Ich versuche, mich in sehr einfacher Sprache auszudrücken und damit funktioniert es ganz gut. Tambdi Dad geht davon aus, dass wir im Deutschen (und auch in englisch, das wechseln wir immer wieder) einfach nicht so viele Wörter haben. Der Onkel ist jedenfalls völlig beeindruckt von der Möglichkeit, so doch relativ einfach kommunizieren zu können.

2 Gedanken zu „Planing, planing, planing

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