Europa in Banaras!

Gestern habe ich mich 3 Stunden lang gefühlt, wie in Europa! Kaum zu glauben. Vor allem, wenn ihr jetzt erfahrt, wo. Nämlich im Kino. Ich war ja schon letzte Woche mit ein paar Koreanern dort, weil wir uns zusammen ‚Bang Bang‘ anschauen wollte. Prakash hatte uns nur leider eine falsche Zeit gesagt, weshalb wir uns für Sonntag noch einmal verabredet hatten (über die Feiertage lief nichts). Gestern um 1:30, zu der Zeit wurde der Film letzte Woche angekündigt, war ich also vor dem Kino und stelle fest, dass der Film nicht mehr läuft, dafür aber der Film ‚Happy New Year‘ (Trailer gibt in youtube) um 3:20Uhr. Die Koreaner sind nicht gekommen, was ich aber nicht weiter tragisch fand-immerhin reden sie fast nur koreanisch und da macht es dann auch keinen Unterschied, ob ich jetzt neben koreanisch oder hindi sprechenden Menschen den Film anschaue. Habe mir also das Ticket geholt (konnte zwischen den Kategorien ‚diamond‘, ‚gold‘ und ’silber‘ wählen), da ich Angst hatte, in den niedrigeren Kategorien am Ende auf dem Boden vor der Leinwand zu kauern und meinen Hals ewig zu dehnen habe ich mir für 3€ die Kategorie ‚diamond‘ gegönnt. Man gönnt sich ja sonst nichts 😉 das Kino befindet sich in einem lehrstehenden Kaufhaus. Nur ein Schuhladen ist noch übrig. Es gibt 2 Kinosäle. Ja, zugegebenermaßen musste ich gerade die Pluralform von Saal googeln. Wikipedia sei Dank weiß ich jetzt, dass es „Säle“ ist. Und wieder was gelernt. Ach, wo ich jetzt gerade beim Lernen bin. Kann euch jetzt auswendig sagen, wie man Fahrenheit in Celsius um rechnet. Eigentlich kann man es nicht umrechnen, aber eine Formel nähert sich dem ganzen. Und zwar rechnet man (°C – 32)*5/9. Warum ich das weiß und es euch erzähle, wo es euch vermutlich nicht soo besonders interessiert? Ich habe mir vor kurzem ein Fieberthermometer zugelegt. Normalerweise werden hier noch Glasröhre mit sich ausdehnen der Flüssigkeit verwendet, aber ich habe so ein high-tech-Teil gekauft. Und nicht bemerkt, dass das die Temperatur nur in Fahrenheit anzeigt. Was aber gar nicht schlecht ist, weil wie gesagt: jetzt weiß ich, wie man Fahrenheit in Celsium umrechnet. Mit 103,4F konnte ich nämlich nicht so viel anfagen.

Oh, eigentlich wollte ich ja über den Kinobesuch berichten. Also 2 Säle (ich finde, das sieht komisch aus. Aber wie schon mein Physiklehrer gesagt hat: das muss stimmen, das habe ich aus Wikipedia! Also nehme ich das mal so hin.) und Popkornverkäufer, die außerdem noch belegte Brötchen und anderen Kram verkaufen. Ganz normal. Der Kinosaal war echt riesig (wie in Frankfurt) und die Sitze waren total bequem-man konnte die so cool nach hinten schieben, dass man wie in einem Sessel liegt-also saß ich weder, wie befürchtet auf dem Boden, noch auf Plastikstühlen. Auch die Leute in Kategorie ’silber‘ und ‚gold‘ hatten es nicht schlecht. Sie mussten nur weiter hoch gucken. Der Film sollte um 3:20Uhr beginnen. Um 3:17Uhr war Einlass und-man mag es kaum glauben, schließlich bin ich in Indien-pünktlich um 3:20Uhr begann der Film. Und mit Film meine ich nicht 40min Werbung, sondern den tatsächlichen Film. Den Grund, weshalb ich da war. Der Spass konnte also beginnen! Es war wirklich gut, der Film war zwar auf hindi (dabei fällt mir gerade so auf. Was soll da bitte der englische Titel?), das wusste ich aber vorher. Und wisst ihr was? Ich habe manche Sätze verstanden! Beziehungsweise manchmal auch nur Begriffe, aber ich meine-ich habe etwas auf hindi verstanden! Zwischendrin wurden auch mal ein paar Sätze englisch gesprochen. Aber nicht einmal die hätte ich gebraucht, um den Film zu verstehen. Die Handlung war einfach, es ging um eine etwas chaotische Gruppe von 5 Männern und einer Frau (ich nenne sie mal die Quotenfrau, mindestens eine braucht man ja, um irgendwie eine Liebestragödie in den Film einbauen zu können. Indien ist noch nicht so ‚tolerant‘ wie Europa es mehr oder weniger im Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen ist.). Diese Gruppe plante den Diebstahl von Diamanten, wofür sie an den Tanzweltmeisterschaften teilnehmen musste. Im Publikum des Events hat man sogar eine Deutschlandflagge gesehen 🙂 Es war amüsant, teilweise gab es auch Action-ein Mann besiegt im vorbeigehen 100 Feinde-alles kein Problem. Die fliegen dann halt auch mal wie Obelix‘ Römer 😉 Und wie erwähnt das obligatorische Liebesdrama. Wobei die von mir erwarteten Tanzeinlagen gefehlt haben. Gut, es gab natürlich welche, aber die kamen hauptsächlich deshalb vor, weil es um die Tanzweltmeisterschaft ging. Also hat nicht das gesamte Schauspielertum seine Tänzerhüfte entdeckt, sondern das war mehr ein muss weniger Schauspieler. Weil Tanzweltmeisterschaft. Ihr wisst schon. Die Location und das Aussehen erinnerte nicht wirklich an mein zuhause. An die Menschen und Umgebung von Banaras. Das mag einerseits daran liegen, dass Banaras eine der am heruntergekimmensten Stadt Indiens ist, andererseits daran, dass es doch sehr einem Hollywoodfilm ähnelte. Und in den USA und Europa sieht es nun mal anders aus. Was mich gewundert hat: zweimal wurde Hollywoodmusik im Hintergrund verwendet. Vielleicht ist das etwas, was dazu beiträgt, dass ich mich gefühlt habe, als wäre ich in Europa. Trotzdem lustig. Ich, einzige Ausländerin, schaue mir ein Bollywoodmovie auf hindi in einem Kino in Banaras an und fühle mich europäisch. Ein Mann hat mich vorher gefragt, ob ich denn hindi sprechen bzw verstehen würde. Als ich nein gesagt habe und erklärt habe, dass ich aber gerne mal ein Bollywoodmovie sehen würde (die sind immer in hindi), hat er auch direkt verstanden, warum ich alleine da bin. Meine Freunde verstehen auch kein hindi und wollen deshalb nicht ins Kino. Genau. So ist es. Hier können viele nicht verstehen, wie ich Dinge alleine unternehmen kann. Oder auch einfach mal alleine im Gasthaus relaxen kann. Da kommt mir immer Mitleid entgegen. Zusammen mit dem Angebot, nächstes mal anzurufen, dann machen wir gemeinsam was.

Und nochmal zurück zum Thema ich fühle mich europäisch. Ich habe letztens Guru und Sanjay zum Essen eingeladen. Wir waren in einem indischen Restaurant, von Indern betrieben, in Banaras, Indien. Sie haben indische Gerichte gewählt, ich Lasagne (das Restaurant bot auch manch ausländische Speise an) und da erzählen mir Guru und Sanjay, dass sie sich jetzt total europäisch vorkommen. Ehm. OK. Ich vermute mal aus folgenden Gründen: wir saßen auf Stühlen an einem Tisch und haben mit Besteck gegessen. Wie gesagt, sonst war ja alles indisch. Aber ich glaube sie sind sonst nie in einem Restaurant, sondern kochen selbst oder essen was von der Strasse. Auf der Strasse im Stehen und sonst auf dem Bett oder Boden sitzend. Und natürlich mit der Hand.

Gestern habe ich schon wieder jemanden kennen gelernt, den Julia aus Bad Vilbel auch kennt. Naja, wie hier alle sagen: Varanasi ist eine Kleinstadt, hier kennt jeder jeden. Je nachdem wem man glaubt, hat Varanasi zwischen 1,2Mio und 3,15Mio Einwohner. Aber es ist nicht so, wie in Deutschland. Wo ich nicht einmal alle Nachbarn kenne, die in meiner Strasse wohnen. Hier wohnt man viel näher beisammen, ganze Familien teilen sich einen Raum, mehrere Familien ein einziges Klo. Wenn es denn eins gibt. Wie gesagt, die Strasse bzw Hauswand vom Nachbarn tuts ja auch… Und wenn man so dicht aneinander wohnt, kennt man sich natürlich auch viel eher. Außerdem treffen sich (jedenfalls die Männer) einfach zum Chai auf der Strasse. Generell findet ein Großteil des Lebens auf der Strasse statt. Und hier im Gewusel von Banaras Einwohnern treffe ich wieder jemanden, den Julia auch kennt, wie sich heute rausgestellt hat. Ram studiert an der BHU und hat mich heute etwas kurzfristig dazu eingeladen, mich mit nach Assi Ghat zu nehmen, da sei ein Festival, das nur einmal im Jahr stattfindet und das ich sehen sollte. Gut, warum nicht? Wann denn? Jetzt. Ehm. Wie, jetzt? Ja ich solle zum Monalisa Restaurant kommen (1min vom Gasthaus entfernt) und da kommt er sofort mit seinem Motorrad hin. In 20 min beginne das Festival und es dauert nur 5 Minuten. Aha. Ein Festival in Assi Ghat, das einmal im Jahr 5 Minuten Varanasis Einwohner sowie etliche Touristen anlockt. Gut, da muss ich hin. Es dauerte tatsächlich nicht länger als eine viertel Stunde. Ein Mann ist auf einen im Ganges angebrachten Baum geklettert, von dort in den Ganges gesprungen und dann wurde er von x Helfern auf einer schwimmenden Schlange (vermutlich aus Plastik. Wie so vieles hier) durch den Ganges gezogen. Das war sogar so wichtig, dass der König Varanasi kam und sich das ganze angeschaut hat. Ja, auch ich habe mich gefragt, warum Banaras (habe ich eigentlich schon erwähnt, dass Varanasi und Banaras die selbe Stadt sind? Banaras ist nur der alte Name, der umgangssprachlich häufig verwendet wird) einen König hat. Und was der tut. Außer mit dem Boot zu einem 15 Minütigen Festival gefahren zu werden…

Auch wenn ich nicht weiß, wer eigentlich tatsächlich ein treuer Leser meines so wundervollen Blogs ist 😀 (das ist manchmal komisch. Nicht zu wissen, wer alles an meinem Leben Teil hat.) bzw wer sich irgendwie irgendwann mal hierher verirrt hat- ich freue mich, dass ihr hier seid*!

Julia

*noch schöner wäre es aber natürlich, wenn ihr im realen Leben hier sein könntet. Also so live und in Farbe und so.

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