No, no, no!

Ich wache auf, die Sonne gibt ihr bestes, meinen Hautton der Farbe einer richtig schön gereiften Tomate anzugleichen. Ich mag Gemüse, muss aber nicht unbedingt wie eines aussehen. Parsen, Chichi und ich haben uns in der Nacht auf der Dachterrasse schlafen gelegt und die beiden sind offensichtlich schon vor mir in den Schatten geflohen. Es ist 9 Uhr und da kann man schonmal aufstehen. Wir gehen gegen 2 Uhr nachts schlafen, was ohne Zeitverschiebung etwa meiner Schlafenszeit entspricht. Praktisch, ich musste mich also garnicht erst umstellen.

Ich frühstücke Mangos und dann machen wir einen kleinen Ausflug zu einer Tante in der Nähe. Das finde ich ja auch schön, man fährt einfach hin und verabredet sich nicht. Wir quatschen ein wenig, sie ist schon recht alt aber ziemlich gut drauf. Und dann fahren wir wieder zurück. Zeit fürs zweite Frühstück: es gibt Chapati und Bohnen in einer ziemlich scharfen Sauce.

Anschließend setze ich mich auf einen der neuen Sessel und schon beginnt wieder eine lange Unterhaltung mit Tambdi Dad. Das ist schön und auch witzig, weil wir kaum einen Nenner an Wortschatz haben. Aber es funktioniert. Immer wieder kommt ein „understand?“ Und ich bestätige, dass ich ihn verstehe. Wir tauschen uns viel über das Leben in Deutschland und Indien aus. Irgendwann erzählt er mir, dass er mir einen Karton Mangos per Post schicken wollte und sich dahingehend etwas schlau gemacht hat. Bei der Post war es sehr, sehr teuer und die einzige Alternative, die er aufgetan hat, war einen ganzen Schiffscontainer zu mieten. An dieser Stelle hat er den Versuch abgebrochen. Und er sei richtig froh, dass ich jetzt hier bin, weil dann habe ich ja doch meine Mangos. Er wusste nicht, dass ich komme, denn Chichi hatte beschlossen, dass ich die Eltern überraschen soll. Und das ist uns auch wirklich gut gelungen! Als wir mit dem Transporter und den Sesseln am Morgen vorgefahren sind, kam Tambdi Mum direkt raus und konnte erst garnicht glauben, wer neben den Sesseln auftaucht. Sie hat einen Moment gebraucht und sich dann sehr gefreut. Tambdi Dad war noch in seinem Zimmer und da er aktuell nicht ganz fit ist, wollten wir ihn nicht stören. Er stand dann aber plötzlich hinter mir, als ich meinen Koffer reingeholt habe und hätte nicht mehr überrascht sein können. Das war wirklich schön, denn er hat direkt freudig gefragt, wie es kommt, dass ich wieder hier bin, warum er nichts davon wusste und wie lange ich bleibe. Und dass er sich gleich etwas besser fühlt, wo ich jetzt hier bin. Balsam für die Seele!

Von meinem Platz auf dem Sessel aus kann ich das Vogelnest in der Wohnzimmerlampe beobachten. Die Fenster sind hier den ganzen Tag und auch die Nacht über auf, um den Wind reinzulassen und so fliegen immer wieder zwei kleine Vögel hier rein, um ihren Nachwuchs zu füttern. Zwei kleine Schnäbel schauen dann aus dem Nest raus. Als Mitbringsel habe ich Tambdimum einen Hängesitz geschenkt, weil sie meinen in einer Videotelefonie mal so bewundert hatte. Ich dachte zwar, dass wir den auf der Veranda aufhängen können, aber sie haben beschlossen, dass das wertvolle Geschenk aus Deutschland unbedingt im Wohnzimmer Platz finden sollte. Glücklicherweise haben sie hier noch einen freien Haken in der Betondecke und der liegt auch noch passend in einer Ecke. Das Problem ist nur, dass der Hängesitz jetzt in einer der zwei möglichen Einflugsschneisen der Vögel hängt und es gefällt ihnen garnicht, wenn da wer drin sitzt und sie zum Füttern kommen. Sie schimpfen dann und besonders laut piepsen sie, wenn noch jemand im Bereich des anderen Fensters steht. Sie weisen uns da gut zurecht. Ich lasse mir aktuell also von zwei kleinen Vögeln diktieren, wo ich nicht stehen/sitzen sollte.

Nachmittags fahren wir zum Baden an einen Fluss. Es ist eigentlich eher ein Bach, das Wasser ist nicht tief und zudem warm. Ich finde eine Stelle, an der ich mich auf einen Felsen im Wasser lege und der Kopf schaut entspannt auf die schöne Natur. Ich bin keine Wasserratte, ich schaue lieber auf Gewässer, als in ihnen zu baden, aber die Temperatur ist angenehm. Und den kleinen Bereich, in dem man schwimmen kann, verlasse ich nach kurzer Zeit, da ich befürchte, einen fetten Sonnenbrand zu bekommen. Ich bin mit 50er Sonnencreme eingeschmiert und ich trage Kleidung im Wasser (als Frau macht man das). Ist mir trotzdem zu heikel.

Ich laufe den Bachlauf hoch und es wird sogar noch schöner. Irgendwann setzen wir 3 uns hier oben ins Wasser, es ist keine 50 cm tief hier. Es plätschert langsam vor sich hin und die Welt ist in Ordnung.

Am Abend sind wir zu einer Einweihungsparty eingeladen. Ich bin gespannt! Wir fahren um 10 los und da gegen 23 Uhr Abendessenszeit ist und ich das trotz spätem Mittagessen spät finde, habe ich schon Hunger. Da wird man als Gast in Indien ja meistens nicht enttäuscht, daher bin ich zuversichtlich. Als wir nach mehrmaligem Halten und Leute nach dem Weg fragen ankommen, schaut es für mich so aus, als wäre die Party schon rum. Das Haus ist außen mit Lichterketten geschmückt und vor dem Eingang steht eine Bambuskonstruktion, die einige schöne Stoffe wie ein Vorzelt hält. Drinnen ist es sehr ähnlich, wie bei Priyankas Hochzeitszeremonie letztes Jahr aufgebaut:

Interessant. Wir bekommen eine kleine Führung, das Haus ist schön. Es ist eingeschossig mit Stützen im ersten Geschoss als Option zur späteren Erweiterung. Hier liegt nun eine Stahlkonstruktion mit Wellblechdach auf, das kreiert eine ziemlich große Dachterasse. Wieder zurück wird uns Essen angeboten. Da ich die Leute nicht kenne und auch mit so Feiern nicht vertraut bin, weiß ich nicht, wie man zu reagieren hat (erst ablehnen? Wie oft? Oder weil Familienfreunde annehmen? Wie?). Was aber aktuell ja kein Problem ist, denn die Kommunikation läuft eh über Tambdi Mum (Tambdi Dad ist nicht mitgekommen) und Chichi. Ich sage Chichi, dass ich Hunger habe, aber nicht unhöflich wirken mag und er bitte entsprechend für mich antworten soll. Schon praktisch, so einen Übersetzer dabei zu haben, der nicht nur die Sprache übersetzt, sondern auch die Kultur.

Dachte ich.

Das Essensangebot wird ziemlich direkt angenommen und kurz darauf bekommt jeder von uns einen Teller mit Reis (natürlich habe ich eine größere Portion) und Kichererbsencurry. Eine ältere Frau reicht frittierte Zwiebeln im Kichererbsenteig dazu und auch hier bekomme ich einen mehr. Und dann kommen nach und Nach die Gastgeber und füllen unsere Teller immer noch weiter. Der Teller ist übermäßig voll und ich habe zwar Hunger, aber das ist schon ordentlich. Glücklicherweise schmeckt es sehr gut. Gerade so schaffe ich meine Riesenportion. Chichi sagt mehrmals laut, dass ich noch mehr Reis und Dal möchte und natürlich laufen sie sofort los, um mir Nachschub zu besorgen. Ich sage ihnen lachend, dass ich voll bin, es gut war, aber ich nicht mehr essen kann. Und dass Chichi kein guter Typ ist. Sie lachen, da sie glücklicherweise verstehen, dass er uns verarscht. Als auch Tambdi Mum fertig ist, reden sie über das Essen, mein Name fällt, sie schauen in meine Richtung und sofort sage ich mehrmals laut no, no, no und winke mit den Händen an. Chichi fängt an zu lachen. Er habe ihnen gerade gesagt, dass mir das Essen gut geschmeckt habe. Oh. Ehm ups. Das habe ich jetzt auf jeden Fall deutlich abgestritten. Wir alle lachen und ich glaube, sie haben meine Reaktion verstanden. Dann wird noch gefragt, ob wir Fotos machen könnten und Chichi lacht mich aus, wie ich in den verschiedensten Konstellationen posieren darf und sich die Tochter des Hauses (ca. 16 Jahre) ziemlich geniert, neben mir zu stehen. Dann bekommt Tambdi Mum eine kleine Tasche und wir verabschieden uns.

Zurück in Tambdi packt sie die Tüte aus, es sind Süßigkeiten drin. Sie breitet sie auf einem kleinen Teller aus, es ist Kokosnuss mir Zucker und ich nehme ein kleines Stück. Dann erklärt sie, dass es „holy sweets“ sind. Also vermutlich von einem Geistlichen bei der Einweihungsfeier gesegnet. Da meine Berührungspunkte mit heiligen Dingen in Varanasi deutlich anders ausschauten, freue ich mich über diese Wendung. Eine Segnung durch Süßigkeiten ist mir schon ein bisschen lieber, als in einen Kuhhaufen zu treten.

Als alle vom Süßen gegessen haben, läuft sie mit einer Tüte rum und bietet uns hieraus etwas an. Ich schaue sie fragend an und noch bevor ich aussprechen kann, ob das Zucker ist, geht sie weiter und bietet ihn den anderen an. So leckeres Essen gibt es hier und dann sowas.

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