Sich über die kleinen Dinge des Lebens freuen

Sich über die kleinen Dinge des Lebens freuen. Über das scheinbar so selbstverständliche und normale. Wegkommen vom Materialismus, den wir zwar alle verpönen aber von dem wir insgeheim doch nicht wegkommen. Geld ist das, was zählt. Klar, irgendwovon muss man die Familie ernähren, da kommt man ums Geld wohl nicht rum. Aber ist es wirklich das, was am Ende übrig bleibt? Was wir als eins unserer Ziele festlegen, auf die wir hinarbeiten? Sich über die kleinen Dinge des Lebns freuen. Weg vom Materialismus. Das Leben so genießen, wie es ist. Das ist eins der vielen Dinge, die ich erreichen möchte. Worauf ich versuche hinzuarbeiten. Garnicht so einfach. Klingt ja so poetisch und grundsärtzlich würden mir wohl die meisten zustimmen, ebenfalls daraufhinzuarbeiten. Ich denke, von mir behaupten zu können, einen kleinen Schritt in die richtige Richtung getan zu haben. Natürlich mit Hilfe meines neuen zu Hauses. In Deutschland, denke ich, wäre das wohl nicht so schnell gegangen. Man muss eben weg von seinem Leben, von all dem normalen, um zu sehen, was es einem doch wirklich Wert ist.

Bemerkt habe ich es auf dem Weg zum Flughafen, als ich Sophia begleitet habe. Von meiner Sehnsucht nach Natur habe ich ja schon berichtet. Mit dem Tuktuk fährt man etwa eine Stunde zum Flughafen und kommt auf dem Weg an jeder Menge Natur vorbei. Also richtiger Natur, nicht nur einem vereinzelten Baum. Viele Bäume, Gras, Felder. Als ich das gesehen habe, musste ich Sophia ganz verzückt mitteilen, wie schön ich das finde. Das klang in etwa so:“Awww, Bäume!“ begleitet von einem glücklichen Grinsen im Gesicht. Als ich Sophias Reaktion auf meine Begeisterung für die Mutter Natur gesehen habe, ist mir klar geworden, was ich da gerade gesagt habe. So sehr habe ich mich in meinem Leben noch nicht über den Anblick von Bäumen und Gras gefreut 🙂 ja, was habe ich das doch vermisst! OK, Perfekt ist vielleicht die falsche Zeitform. Ich vermisse es immer noch ziemlich. Sich einfach mal auf eine Wiese setzen, auf einen Baum klettern. Schön. Das wollte ich ja heute machen. Hatte ich mir fest vorgenommen. Voll Glück habe ich letzte Woche nämlich einen Baum nicht weit vom Gasthaus entfernt gefunden, dessen einer Ast so komisch wächst, dass man sich darauf setzen und einen wundervollen Blick auf den Ganges genießen kann. Tja, wären da nur nicht die Affen. Die müssen es natürlich versauen, haben den Baum wohl schon vor langer Zeit für sich reserviert. Was bedeutet, dass ich nach 5 min Platz machen musste. Schade. Der Baum hatte nämlich mit nahezu 100%iger Wahrscheinlichkeit die Ehre erlangt, sich mein Lieblingsplatz zu nennen. Jaja, die Affen.

Naja, zurück zur Freude über die kleinen Dinge des Lebens. Ich habe meinen mp3-player mit zum Baum genommen, dachte, ich setzte mich da so schön drauf, höre Musik und beobachte das Umfeld. Aber als ich da war, konnte ich das nicht. Nicht wegen den Affen, die sind ausnahmsweise mal unschuldig. Glück gehabt ;). Die Situation war einfach falsch zum Musik hören. Es war wirklich schön (die 5min), da musste ich einfach alles in mich aufnehmen. Alles beobachten, die Geräusche in mich aufnehmen. Das ist ja wieder etwas, was ich in Deutschland nicht konnte. Mich einfach irgendwo hinsetzen und nichtstuend das Leben genießen. Noch etwas, das ich hier gelernt habe. Und ich muss sagen, es ist schön. So richtig zu entspannen. Ohne im Hintdrkopf zu haben, in 10min zur Schule oder Arbeit gehen zu müssen. Einfach da sitzen und nichts tun. Und sich danach nicht schuldig fühlen, weil man die Zeit ‚verschwendet‘ hat. Nicht darüber nachdenken, was man alles ’sinnvolles‘ hätte tun können. Was ist sinnvoll und was nicht? Das muss doch jeder für sich selbst entscheiden. Und selbst wenn man für sich herausgefunden hat, was sinnvoll ist und was nicht, darf man dann nicht auch mal etwas tun, was unter der Spalte ‚leider nicht sinnvoll‘ verbucht ist? Sinnlos ist doch eigentlich nichts. Also ‚verschwendet‘ man doch auch keine Zeit.

Sorry, irgendwie bin ich gerade auf die philosophische Schiene geraten. Das passiert häufiger, seit ich hier bin. Ich fange an, viel mehr über das Leben nachzudenken. Über das, was ich wirklich will, was ich erwarte, was ich persönlich erreichen will. Kommt wahrscheinlich davon, dass ich frei bin. Frei von Verpflichtungen, frei von selbst auferlegten Zwängen. Weil ich ein neues Leben begonnen habe, das meinem alten nicht sonderlich ähnelt.

Da kommt man schon ins Grübeln. Wie soll es weitergehen? Was kommt nach dieser Zeit, die ich hier in Banaras verbringen? Wie möchte ich leben, wenn ich zurück in Deutschland bin? Und was möchte ich auf lange Sicht gesehen? Fragen über Fragen. Und Antworten lassen sich da nicht mal eben finden. Dafür bedarf es einer Menge Grübelei. Meine lieben indischen Freunde sagen mir ständig, ich würde zu viel nachdenken. Ich solle weniger nachdenken und mehr relaxen. Dann sei ich auch nicht so müde. Und schwach. Schwach, weil ich vor kurzem umgekippt bin. Und jetzt machen sie sich Sorgen und versuchen mir ständig lieb gemeinte Tipps zu geben, was ich tun soll, um nicht mehr so schwach zu sein. Süß. Das stärkt auf jeden Fall das Heimatgefühl. Zu wissen, dass es jemanden gibt, der sich Sorgen macht. Aber mit dem Tipp, ich solle weniger denken, kann ich noch nicht so viel anfangen. Wobei ich mit meinem ’nichtstuend das Leben genießen‘ vermutlich auf dem richtigen Weg bin. Nichtstun klappt schon mal, muss ich nur noch das Denken abstellen. Nur noch :). Keine Angst, nur mal kurz. So zum Abschalten, Entspannen, was auch immer. Ich denke, das ist ein Teil des Lebensstils, den ich anstrebe. Auch mal komplett abschalten können, ohne im allgemeinen Stressstrom der Gesellschaft mit zu schwimmen. Mal sehen, wie das so klappt, wenn ich wieder zurück bin. Wobei das ja erstmal hier klappen muss 😀 bzw soll. Ich will mich ja nicht unter Druck setzen 🙂

Nochmal zurück zur Freude über die kleinen Dinge 🙂 letzte Woche hat mir Rajesh, der Gasthausbesitzer, ein Regal gebracht. Für mein Zimmer. Super nett! Ich meine, mittlerweile bin ich in einem Raum, der eingemauerte Regalfächer hat, weshalb das Regal eigentlich überflüssig ist. Aussedem, tja jetzt kommt wieder die Deutsche in mir hervor, ist es mit Macken übersäht und in kackbraun gestrichen 😀 Aber hey, es zählt doch der Gedanke. Und der ist auf alle Fälle echt gut. Ich habe mich wirklich aufrichtig darüber gefreut. Genau wie über das Lächeln der vielen Shopbesitzer, begleitet von einer lieben Begrüßung, wenn sie mich sehen. Das ist so schön 🙂 Das bringt mich selbst dann zum Lächeln, wenn meine Laune gerade Urlaub in der Arktis macht. Ja, auch das kommt hier mal vor. Aber wirklich nur verdammt selten. Indien ist eben kein Paradies. Es ist immernoch die Erde 🙂

Es gibt auch einen ganz besonders lieben Shopbesitzer. Gut, Shopbesitzer ist wohl übertrieben. Er arbeitet als Arzt und hat einen 1qm (wirklich! Nur 1qm!) großen Shop, in dem er Speicherkarten und Tabakprodukte verkauft. Jedenfalls hat er mir letztens einfach so Räucherstäbchen geschenkt. Super nett! Ohne mir irgendwas an drehen zu wollen. Einfach so aus Freude. Super lieb! Letzte Woche, als Sophia da war, hat er mir nochmal welche gegeben, diesmal noch eine Packung für meine Freundin. Heute haben wir einen Chai zusammen getrunken. Und wisst in was? Er spricht französisch! Und das auch noch richtig gut! Aber es kommt noch besser. Er arbeitet in einer Bücherei/Buchladen, in der/dem gespendete Bücher verkauft werden. Dabei sind viele französische und sogar auch deutsche Bücher! Er hat mir direkt welche ausgeliehen, meinte ich kann sie kostenlos ausleihen, weil ich  ja volunteer bin und helfe. Und er auch (Der Erlös geht an arme Kinder). Er zeigt mir demnächst, wo die Bücherei ist, dann kann ich mir regelmäßig welche holen. Französische Bücher! Kostenlos! In Indien! Wow! Und deutsche und englische. Ich bin glücklich 🙂

Meine Lieben, ich wünsche euch eine gute Nacht 🙂 und alles an Glück und Verstand dieser Welt…

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