Schöne Welten bei Aktau

Es ist etwa halb 9 am Abend und wir halten glücklicherweise endlich an einem Bahnhof, wo ich noch was besorgen kann. Yeah. Ich klappere alle Stände ab, da ich auch nichts gegen eine richtige Mahlzeit hätte. Leider gibt es aber nur Fleisch in allen möglichen Formen (gedämpfte Teigtaschen, Gebäck, Spieße, Reis mit Fleisch, Kartoffeln mit Fleisch) zu kaufen und eine Frau hat noch 3 Fladenbrote. Ich nehme Wasser und ein Fladenbrot mit. Das Fladenbrot hat vermutlich schon vorgestern nicht geschmeckt – und ich glaube, das allerbeste Fladenbrot, das ich bisher hatte, ist aus Kasachstan. Von daher schon etwas enttäuschend. Aber mir geht es ja hauptsächlich um das Wasser, daher bin ich zufrieden.  Nachdem wir wieder in den Zug einsteigen, lädt mich eine Frau zum Tee trinken ein. Sie wirkt freundlich und außerdem haben wir gerade Internet,  weshalb ich mich mit ihr unterhalten kann. Sie essen Bonbons zum Tee, weshalb ich den grünen Tee auch runter bekomme. Mit genügend Zucker oder Fett kann man ja die meisten Speisen oder Getränke zumindest erträglich machen. Zwei Kinder gesellen sich zu uns, sie schließen sich ganz selbstverständlich der Runde an..das ist etwas, das ich schön finde. Die Eltern habe ich meistens schlafend oder relaxend erlebt, während ihre Kinder mit anderen Kindern spielen oder sich mit anderen Erwachsenen unterhalten. Dabei scheinen einige Erwachsene sich wirklich zu freuen, mit den Kindern quatsch zu machen, oder sich mit ihnen zu unterhalten. Das kann ich mir in Deutschland nicht vorstellen.

Am nächsten Morgen weckt mich mein Wecker um 3 und ich bin somit gerade so rechtzeitig um 4:45 Uhr fertig zum Ausstieg. Scheinbar sind wir jetzt erst in der neuen Zeitzone. Was bedeutet, dass Google gelogen hatte und mein erster Nachtzug mit ziemlich genau einer Stunde Verspätung angekommen war. Ich bin also viel zu früh auf und hätte etwas mehr Schlaf durchaus genossen. Dafür vereinbare ich mit der Teefrau, dass wir uns ein Taxi teilen. Offenbar ist der Bahnhof einiges vom Stadtzentrum entfernt und Busse fahren um die Uhrzeit noch nicht. Mein großer Rucksack wird zwischen meinen Oberkörper und das Armaturenbrett geklemmt und ich schätze, ein Unfall könnte mir so wirklich nichts anhaben. Praktisch. Wir teilen uns mit 2 weiteren Passagieren die Kosten und so zahle ich nur 2€ für die 45-minütige Fahrt. Die Teefrau wollte sogar für mich bezahlen. Aber das war mir zu viel, wir haben Nummern getauscht und sie hat mehrfach in den Googleübersetzer eingegeben, dass sie sich freuen würde, wenn ich sie anrufe. WhatsApp hat sie nicht und SMS kann ich ihr auch keine schicken. Ich bin mir unsicher, wie das Telefonat so ablaufen soll. Aber mal schauen.

Ich komme im Hostel an und beim etwa 5. Anruf hebt endlich jemand ab und 10 min später öffnet mir eine Frau die Tür. Ich habe ein Zimmer gebucht, da sie sonst nur 8-Bett-Zimmer hatten und ich sicherstellen wollte, dass ich genug Ruhe zum Schlafen bekomme. Es befindet sich eine Frau im Zimmer. Gut, vielleicht hätte ich auch so meinen Schlaf bekommen. Mein Zimmer geht direkt vom großen Zimmer ab. Es hat ein Bett, einen Nachttisch, einen Stuhl und einen Kleiderständer, kein Fenster. Ich lege mich erstmal schlafen.

Gegen 10 werde ich wieder wach und stehe auf. Ich treffe Timon, einen Holländer, der seit 5 Monaten mit dem Motorrad durch Asien tourt. Wir freuen uns beide, mal wider mit jemandem aus ähnlichem Kulturkreis zu sprechen und beschließen, gemeinsam Aktau zu erkunden. Auch er ist gerade erst angekommen. Wir laufen etwas am Kaspischen Meer entlang und finden bald ein Restaurant. Die Karte ist wie üblich auf russisch oder kasachisch und nun wird sich mein Leben grundlegend ändern: denn Timon zeigt mir, dass man mit Google lens Fotos aufnehmen kann und die Schrift wird dann automatisch in eine Sprache meiner Wahl übersetzt. Verrückte Welt. Wo ich in Kindergeschwindigkeit kyrillisch gelesen habe und versuchte zu verstehen, was das sein könnte, hat Timon also einfach die Übersetzung parat gehabt. Ich fühle mich echt old school! Der Kellner kommt und da wir noch keinen Blick auf die Getränkekarte geworfen hatte, frage ich, ob sie Saft haben (danke Duolingo). Haben sie, er will wissen, welchen Saft ich gerne hätte. Da ich nur das Wort für Apfel gelernt habe, wähle ich Apfelsaft. Der Kellner nickt und geht und ich bin so glücklich, dass ich gerade eigenständig mit ein paar russischen Wörtern meine Bestellung aufgeben konnte! Das sage ich auch laut. Bis mir auffällt, dass Apfel das Wort ist, welches ich immer mit einem anderen Wort verwechsel. Möglicherweise (ziemlich sicher) habe ich gerade Hundesaft bestellt 😀 ich lasse Timon von meiner unkonventionellen Getränkebestellung wissen und wir sind gespannt, was kommt. Es schmeckt nach Apfelsaft 😀

Wir machen noch einen ausgiebigen Spaziergang entlang der Uferpromenade und ich laber den armen Timon ganz schön voll. So sehr, dass ich mittlerweile heiser bin. Abends gehen wir nochmal essen, diesmal ohne Zwischenfälle bei der Bestellung. Am nächsten Morgen breche ich auf zu einer Tour in einen Nationalpark und Timon fliegt seinem per Fähre verschickten Motorrad nach Aserbaidschan hinterher. Ich komme am Abfahrpunkt an und stelle fest, dass von uns 10 Teilnehmern 6 nicht russischsprachige Ausländer sind. Das kommt für uns alle unerwartet, wir sind 3 Deutsche, ein Holländer mit seiner chinesischen Frau, ein Ami (der in Thailand aufgewachsen ist), 2 Russen und 2 Kasachen. Unsere Reiseleiterin ist etwas übermotiviert und lässt uns direkt zu Beginn der Fahrt Namen ziehen und wir sollen der Person etwas nettes wünschen und eine Kleinigkeit schenken. Ich bin als erste dran, na super. Wünsche gehen ja noch, aber ein Geschenk? Am Ende gebe ich meine Banane her. Andere schenken Münzen aus dem Ausland oder ein schnell gefaltetes Papierboot. Sie waren etwas kreativer als ich. Was das genau ist, wo wir ankommen, weiß ich auch nicht. Es sind riesige Felsformationen in einem Gebiet, das wohl ~132 m unter dem Meeresspiegel liegt. Die Sonne prallt runter, es ist trocken und ich schätze, es wäre sehr unpraktisch, hier zu stranden. Ich habe auch keine Ahnung, wie unser Fahrer den Weg hierher gefunden hat, denn nach 2 Stunden Fahrt auf einer relativ neu asphaltierten Straße ging es die restlichen 2 Stunden über Feldwege in der Steppe. Ich füge mal wieder ein paar Fotos ein, damit man eine Vorstellung bekommt:

Was ich nett finde ist, dass kasachische Touristen an Sehenswürdigkeiten Fotos zusammen mit ihrer Flagge machen. Da habe ich mich direkt angeschlossen 🙂

Wir sind an unwirklichen Orten und glücklicherweise sind wir auch die einzigen dort. Es ist also alles andere, als überlaufen und man kann die Atmosphäre richtig auf sich wirken lassen. Wie schön. Ich fühle mich klein und meine Sorgen scheinen eigentlich doch so lapidar. Hier würde ich gerne öfter herkommen.

Als ich abends zurück ins Hostel komme, sind einige neue Leute da. Ein Münchner, ein Pole, der in München lebt, ein Inder, ein Japaner und eine Kanadierin. Es ist nett, aber nach dem doch anstrengenden Tag bin ich müde und gehe schlafen. Am Samstag freunde ich mich mit Karen, der Kanadierin an. Sie ist im Alter von Mama, arbeitet für eine Airline und kann daher sehr günstig fliegen. Sie hat schon einiges von der Welt gesehen und wir haben eine Menge Stories auszutauschen. Es ist ziemlich witzig mit ihr. Wir machen einen entspannten Tag und gehen zusammen Abend essen.

Und schon ist Sonntag. Ich sitze am Ufer, im Schatten unter einem Felsen. Ein paar Kinder und Männer schwimmen im Wasser und wenige Boote sind unterwegs. Eigentlich hätte ich heute nochmal eine Tour zu anderen Felsen gehabt, leider haben sie aber vergessen, mir rechtzeitig Bescheid zu geben, dass die Tour abgesagt werden muss. Deshalb habe ich nochmal einen entspannten Tag am Kaspischen Meer. Besonders böse drum bin ich nicht, denn mittlerweile bin ich erkältet und es wäre schon etwas stressig und anstrengend gewesen. Heute Nacht fliege ich nämlich schon nach Astana, in die Hauptstadt. Der Flieger geht um 6 Uhr morgens, eine sehr angenehme Zeit. Alternative Flüge waren um einiges teurer, deshalb habe ich mich für diese unwürdige Zeit entschieden. Um 3 sollte ich laut meinem Hostelleiter aufbrechen und von der Tour heute wäre ich erst gegen halb 12 nachts zurück gekommen. Ein entspannter Tag mit früh schlafen gehen kommt mir heute daher nicht ganz ungelegen.

Ich habe übrigens mittlerweile erfahren, dass die Zeiten auf den Zugtickets unabhängig des Abfahrts- und Ankunftsortes einfach alle in Astana-Zeit angegeben werden. Das heißt, Google hatte vermutlich doch recht mit der aktuellen Zeit an meinem Umstiegsbahnhof und ich habe einfach nicht gewusst, dass die Zeitangabe auf dem Ticket für eine andere Zeitzone gilt. Das halte ihr auch für nicht besonders praktisch. Aber gut. Ich habe nachgefragt, ob das bei den Flugtickets auch so ist, aber mir wurde gesagt, dass die Zeitangaben in der Zeitzone des jeweiligen Flughafens gilt. Das werde ich ja dann heute Nacht sehen.

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