Telepathieversuche im Bus

Jetzt habe ich schon viel über Züge geschrieben, deshalb soll es mal um ein anderes Verkehrsmittel gehen. In Jaipur habe ich mit Mili aufgrund der Unflexibilität der Metrostrecke ja ab und an einen Bus genommen. Wenige waren angenehm leer, sodass jeder eine Reihe für sich hatte. Der Großteil war voll, sodass man zwar noch jemanden reingekommen hätte, aber dann halt Gruppenkuscheln geherrscht hätte. Und wenige waren so voll, dass selbst das Aussteigen kaum möglich war. Weshalb die Kontrolleurin so lieb war, uns Passagiere dabei zu unterstützen. Die Leute, die aussteigen wollten, hat sie daher rausgeschubst. Wer es bis zu seinem Halt nicht geschafft hat, sich in die (offene) Tür zu drängeln und dann laut gerufen hat, dass man hier gerne raus würde, der Bus aber schon wieder am Fahren war (ein völliger Stillstand der Räder wäre pure Zeitverschwendung), wurde von der guten Frau mit den Worten „beruhige dich“ getröstet und musste dann halt dann aussteigen, wenn man sich vorgekämpft hat und der Bus gerade eine geringe Geschwindigkeit hatte. Um das zu vermeiden, bin ich immer in der Tür stehen geblieben (weiter drinnen wäre eh kein Platz) und konnte so genau dann aussteigen, wenn ich es wollte. Wobei ich mit meinem Ausländerbonus (die hat keine Ahnung, was sie tun muss) an der richtigen Haltestelle rausgeschmissen (ziemlich wörtlich) wurde. Haltestellen sind für mich nicht erkenntlich, weshalb ich mich auf Google maps verlassen hatte. In einem Bus, in dem ich mit einer Hand verhindere, dass meine Tasche gestohlen wird (wurde auch da versucht) und mit der anderen, so lange im Bus zu bleiben, wie ich das gerne würde, war es mir nicht möglich in maps zu schauen, wo wir sind. Mili hat sich strikt an unsere Rollenaufteilung gehalten. Demnach habe ich ein paar Leuten gesagt, wo wir raus wollen und die haben mit aufgepasst. Die Kontrolleurin hat da auch ein Auge drauf gehabt. Also eigentlich fast der ganze Bus, außer Mili und mir 😀

Nun bin ich wieder unterwegs. Die 2,5 Tage in Varanasi gingen ganz schön schnell rum und ich sitze nun am Flughafen mit dem Ziel Kochi. Ich möchte ganz in den Süden runter, weil da so wunderschöne Landschaften sind. Außerdem werde ich noch die Familie einer Freundin besuchen. Ich bin mit unsicher, wie weit ich von den Plänen schon berichtet hatte. Ursprünglich wollte ich keinen Flug nehmen (Klima und so), allerdings waren sämtliche Zugtickets ausverkauft und so wurde mir die Entscheidung zwischen Klimaschonung oder Zeitersparnis (der Zug hätte einfach und ohne Verspätung 48 h gebraucht) abgenommen. Der Flug ist zwar nicht ganz ideal, weil ich nachts gegen 12 ankomme und um 5:30 Uhr den Anschlussflieger nehme. Aber ich bin ja im Urlaub, da kann man das schon mal machen. In Delhi bin ich mit Verspätung angekommen und wurde zudem zwischen allen 3 Terminals hin und hergeschickt, bis man mir empfohlen hat, einen Bus zu Terminal 1 zu nehmen. Welcher aus mir unerfindlichen Gründen scheinbar das gesamte Flughafengelände umrundet hat. Jedenfalls waren wir verhältnismäßig lang unterwegs und sind an Hotels vorbeigefahren, was jetzt nicht umbedingt arg zur Stärkung meines Vertrauens in die Wahl des richtigen Busses beigetragen hat. Aber da ich noch 4 h bis zum Anschlussflieger Zeit hatte, habe ich relativ entspannt abgewartet, wo ich wohl lande. Tatsächlich bin ich dann auch richtig rausgekommen. Nach der Sicherheitskontrolle stand noch ein Telefonat mit Micha an, der hauptsächlich dann Zeit hat, wenn es bei mir mitten in der Nacht ist. Ich unterstütze ihn beim Fördermittelantrag für einen Teil seiner vielen tollen Projekte und da ich in dem Gebiet nicht wirklich bewandert bin, gab es noch einiges zu klären. Um 2 habe ich mich dann auf einen 3er-Sitz gelegt. Ich würde dieser Schlafgelegenheit mit 2 störenden Armlehnen mittendrin wohlwollende 1,5 von 10 Punkten verleihen. Aber glücklicherweise hat mich mein Wecker eh bereits 3 h später zum Boarding geweckt. Wobei ich eigentlich kaum wirklich geschlafen habe. Überraschenderweise bin ich jetzt also schon kaputt. Tatsächlich hatte ich mir die Reise irgendwie angenehmer vorgestellt, auch wenn an sich keinerlei Überraschungen (abgesehen von der Tour um den Flughafen rum) dabei waren. Ich stelle fest, dass ich gerne mehr als 3 h schlafe, im besten Fall am Stück und wundervoll wäre auch eine ebene Liegefläche. Aber ehrlich, ich weiß jetzt schon, dass ich noch einige solcher Zyklen der Erkenntnis benötige, bis ein nachhaltiger Lerneffekt eintritt.

Ich sitze im Bus. Das ist angesichts der Wahl meiner Verkehrsmittel für größere Strecken in der Vergangenheit eher ungewöhnlich. Züge und Autorikshas bilden bei den öffentlichen Verkehrsmitteln mit Abstand die Spitze. Ich fahre nun nach Munnar, in einen kleineren Ort in den Bergen. Was mich ein wenig überrascht hat, weil ich immer dachte, die Berge wären nur im Norden. Aber mittlerweile bin ich überzeugt – das hier würde ich als Expertin (wohne schließlich in Bayern) durchaus als Berge bezeichnen. Es ist landschaftlich eine wunderschöne Fahrt. Sie dauert von 9:45 Uhr bis 14:15 Uhr und die letzten 2 h davon gingen ausschließlich über Serpentinen. Ich könnte kotzen. Nicht bildlich gesprochen, sondern leider wörtlich. Der Busfahrer meines Vertrauens lässt das Gaspedal nur sehr widerwillig los und so halte ich mich am Vordersitz fest, um auf der Dreiersitzbank nicht ständig hin und her zu rutschen. Während ich anfangs begeistert bin und die wirklich tolle Aussicht genieße, meldet sich dann doch bald mein Magen zu Wort und versucht sich für einen Abbruch der Fahrt stark zu machen. Gelingt ihm glücklicherweise nicht. Ich habe kein Wasser und außer gerösteten Kichererbsen auch kein Essen, was vermutlich gut ist. Im Bus sind lediglich vorne und hinten Scheiben drin, seitlich gibt es keine Fensterscheiben sondern Fensteröffnungen, die wahlweise mit einer Art Jalousie geschlossen werden können. Was keine schlechte Idee ist, weil ich mich so immerhin im Notfall aus dem Fenster beugen kann.

Das hier ist Bus Nr. 4. Ich hatte ein Gasthaus gebucht und sie hatten mir gesagt, ich könne einen Bus nach Aluva KSRTC nehmen und dort in einen Bus nach Munnar umsteigen. Was gut ist, denn hätte ich gewusst, dass ich nicht 2 sondern 4 Busse brauchen würde, hätte ich einen alternativen Ort mit besserer Anbindung gesucht. Dabei läuft zumindest der Teil der Reise wirklich problemlos, ich bin über Aluva Metro station nach Aluva KSRTC gefahren. Dort hat mir eine junge Frau gesagt, ich könne mit dem Bus, der gerade kommt, zu einem mir unverständlichen Halt fahren und da nach Munnar umsteigen. Also schnell rein. Ich habe insgesamt vielleicht 4 min auf Busse gewartet heute, das ging fix. Isha, meine Nebensitzerin im Bus wusste glücklicherweise auch, wo ich raus muss, um nach Munnar zu kommen. Sie erkundigte sich auch extra, welchen Bus ich anschließend nehmen muss. Ich bin wieder einmal begeistert davon, wie mir die Leute hier helfen. Und schäme mich dafür, dass die gleichen Leute vermutlich eine deutlich andere Erfahrung machen, würden sie nach Deutschland reisen. Bus Nr. 4 macht irgendwann Pause und es steigen außer einem Mann alle aus. Ich weiß nicht, wie lange wir halten und überlege kurz, ob ich nicht doch eine Flasche Wasser besorgen sollte. Entscheide mich aus Gründen dagegen. Möchte meinem Magen keine Gelegenheit geben, noch weitere Randale zu betreiben. Dafür lege ich mich auf der Dreierbank hin und schlafe sofort ein, weshalb ich auch keine Ahnung habe, wie lange wir da standen. Da ich das Gefühl habe, es hilft zumindest ein wenig, wenn ich raus starre, setze ich mich bei der Weiterfahrt. wieder auf und stemme mich mit einem Arm und Bein gegen die Busseite um den Kräften ein wenig entgegenzuwirken.

Hier Fotos der wunderschönen Natur:

Näher an Munnar sind zudem einige Teeplantagen:

Und endlich kommen wir an. Immer wieder sende ich über Blickkontakt dem Kontrolleur bei Stopps die Frage zu, ob ich hier raus muss. Dass er keinerlei Reaktion zeigt, deute ich als „nein, du musst hier noch nicht raus“. Irgendwann sehe ich ihm an, dass er bei meinem erneuten Telepathieversuch nicht weiter ins Leere starrt sondern scheinbar irgendwie überlegt, weshalb ich frage „Munnar?“ Und glücklicherweise antwortet er ja, ich soll raus. Das ist der mit Abstand am wenigsten engangierte Kontrolleur meiner Karriere als Gast eines indischen Busses aber es hat ja alles funktioniert. In der letzten halben Stunde Fahrt hat es angefangen zu regnen und bei meiner Ankunft schüttet es. Hier weiß die Regenzeit ihren Job zu erledigen (im Gegensatz zu Varanasi, wo es ab und an mal etwas regnet und selten wirklich so viel, dass es auf der Straße steht). Sofort werde ich von einem Tuktukfahrer (Tuktuk=Autoriksha) abgefangen, er fragt, wo ich hin möchte. Erfahrungsgemäß gehören Tuktukfahrer nicht zu meinem favorisierten Personenkreis. Besonders die, die einen als erstes abfangen, verlangen immer Wucher und sind unverschämt. So will es das Gesetz. Davon hat der gute Mann aber scheinbar nichts mitbekommen, weshalb er mich in Ruhe lässt, als ich sage, dass ich kein Tuktuk brauche. Ich setze mich in die Haltestelle und schaue zunächst, wie weit es von hier bis zu meiner Unterkunft sind. 1,6 km. Das einzige Schuhwerk, das ich mit nach Indien genommen habe, sind ein Paar Flipflops. Es schüttet, hat um die 20° und mir ist kalt. Ich beschließe, dass ein Tuktuk vielleicht garnicht mal so eine schlechte Idee ist und zu meinem Wunder verlangt der Fahrer auf meine Frage nach dem Preis sogar etwas weniger, als ich von der Entfernung her geschätzt hätte. Außerdem wirkt er freundlich. Der Mann verwirrt mich. Am Ende der Fahrt bekundet er Interesse daran, mir mit seinem Tuktuk die Gegend inklusive einiger Sehenswürdigkeiten, wie beispielsweise Elefantenritt, Wasserfall und irgendeinem Park zu zeigen. Ich bin nun weniger irritiert bezüglich seines Antiarschlochverhaltens. Ich habe zwar wirklich kein Interesse daran, mich Elefanten aufzuzwängen oder einen Wasserfall anzuschauen, der direkt an der Straße ist und an dem ich bereits vorbeigefahren bin. Aber wir sind auch an einigen Schokoladenfabriken vorbeigefahren und bestimmt kann er sein Programm ein wenig anpassen. Sebastian heißt er und seine Schwester Juliet. Dass wir quasi den gleichen Namen tragen muss Schicksal sein und ich denke, dass ich ihn morgen kontaktieren werde.

Bei der Ankunft im Gasthaus wird mir freudig mitgeteilt, dass im Haus noch eine allein reisende Frau ist (aus Kerala, dem Staat in dem ich gerade bin) und wir könnten ja zusammen was unternehmen. Mal schauen, ich bin gerade erstmal froh, wieder alleine entscheiden zu können, was ich mache. Aber wenn ich sie treffe und nett finde, warum nicht? Erstmal möchte ich aber schlafen. Beziehungsweise duschen. Mein Gastgeber erzählt mir glücklich, dass es hier 24 h warmes Wasser gibt. Das bin ich aus Varanasi gewohnt (schwarze Wassertanks in der prallen Sonne), aber hier liebe ich es! Der Boden ist sehr kalt, ich friere und eine heiße Dusche ist genau das, was mich nun glücklich macht. Glücklicherweise habe ich meine Wollsocken mitgenommen und eine Jeans dabei. Nach der Dusche lege ich mich erstmal schlafen.

Mittlerweile ist es Dienstag Abend. Gegen 5 hat mich eine Bekannte aus Delhi angerufen und geweckt. Gutes timing, denn so frage ich genau dann meine Gastgeber, wo ich hier Schuhe kaufen kann, als sie selbst mit dem Auto 1 km weiter in die „Innenstadt“ fahren. Sie nehmen mich mit und der erste Schuhladen, den ich sehe, wird sofort angepeilt. Es gibt 2 Paar passende Schuhe, wovon mir eines einigermaßen gefällt. Noch nie ist mir die Wahl beim Kauf von Klamotten so leicht gefallen. Auch Socken und Regenschirm nehme ich mit. Endlich warme Füße, es ist wunderbar. So schlender ich weiter durch den Regen und finde eine kleine Imbissbude. Sie schaut nicht unbedingt nach meinem neuen Lieblingsrestaurant aus aber mittlerweile habe ich echt Hunger. Ich gehe rein und stelle fest, dass es mein schon in Vergessenheit geratenes Lieblingsgericht Keralas gibt: Parotta. Bevor ich mich auf den Weg in die Innenstadt machte, habe ich mir überlegt, dass ich heute beim Essen nicht auf den Preis achten werde und alles unter ~8€ ok ist (weil in Jodhpur keine Restaurants offen hatten, war meine Befürchtung, dass ich nur was verhältnismäßig super teures finden könnte). Was soll ich sagen? Eine Portion, bestehend aus 2 Pfannbroten mit Sauce haben 31 ct gekostet. Und es hat wirklich sehr lecker geschmeckt! So lecker, dass ich auf dem Rückweg meines kleinen Rundgangs noch eine Portion für den Abend mitgenommen habe. Mittlerweile bin ich beim Einkaufen wieder vollkommen die indischen Preise gewohnt und rechne nicht in Euro um, weshalb mir in letzter Zeit ab und an echt mulmig wurde, als ich etwas außergewöhnlich teures gemacht hatte. Zum Beispiel war ich mit Mili einmal in einem schickeren Restaurant und sie hat einen Thali (Teller mit mehreren, kleinen Gerichten) für 650 Rs bestellt. Da ich sonst in Restaurants keine 200 Rs für Essen ausgebe, kam mir das extrem teuer vor und ich habe mich schlecht gefühlt, dass wor so viel Geld „rauswerfen“. Erst am Abend ist mir gekommen, dass es lediglich 8€ waren und ich mir das guten Gewissens leisten kann. Soviel zum Thema Geld.

Hier erstmal noch ein Bild von meiner Portion Parotta to go:

Wieder zurück im Gasthaus fühle ich mich wie die Shopping queen. Mein heutiger Einkauf beinhaltet: 1 Paar Schuhe (8 €), 2 Paar Socken (je 1 €), 1 Regenschirm (4 €), 2 kleine Tütchen Waschmittel (je 3 ct), 133 g Mandelschokolade (1,60 €) und 109 g Cashewscgokolade (1,30 €). Außerdem 3 Sandelholzseifen für Papa. Hier ist es super grün, wir sind über 2 h nur durch Wald gefahren, es riecht und klingt nach Natur. Ich habe feste Schuhe und warme Füße, da stört mich der Regen kaum. Außerdem war die Wiederentdeckung der Parotta wundervoll und ich habe 142 g vegane Nussschokolade! Ich bin glücklich.

Morgen werde ich überlegen, was ich hier machen möchte. Wandern ist bei dem Wetter keine gute Idee, viel rumlaufen möchte ich auch nicht. Den Ort habe ich auch schon gesehen, wahrscheinlich kaufe ich noch etwas Schokolade für Freunde. Und da ich schonmal eine Führung in einer Teefabrik gemacht habe, aber nicht in einer Schokoladenfabrik (das kann ja nur besser werden. Tee mag ich nicht, Schokolade dagegen halte ich für eine tolle Erfindung), werde ich das vielleicht machen. Das überlege ich mir morgen früh. Vielleicht treffe ich ja auch noch die Frau im Gasthaus. Und übermorgen fahre ich wieder zurück. Davor graut es mir schon. Aber die Seite aktive-rentner.de rät mir, Ingwer gegen Reiseübelkeit zu essen – also werde ich mir morgen wohl einen Ingwervorrat zulegen. Ich möchte den ganzen Weg bis Kochi zurück fahren und dann von dort aus noch etwa 1,5h in den Süden weiter. Ich muss mich mal erkundigen, wann die Busse so fahren, werde aber wohl versuchen, in der Früh loszukommen.

Viele Grüße aus dem Süden!

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