Zurück in Astana

Der Tag war entspannt. Genau, wie der heutige Tag entspannt ist. Ich liege lange im Bett, fahre in die Innenstadt und bummel ein wenig. Eigentlich wollte ich etwas am Fluss entlang spazieren gehen, aber es ist kalt und windig. Wir haben 12° und es hat exakt das gleiche Wetter, das ich in Astana hinter mir lassen wollte. Offensichtlich nicht sonderlich erfolgreich. Ich finde in Pavlodar außer einer hübschen Kirche und einer hübschen Moschee nicht unbedingt sehenswertes und gehe daher immer wieder in kleine Geschäfte, um dem kalten Wind zu entfliehen. Abends mache ich mir Fertigramen. Wusste bis letzte Woche nicht, dass so fertiges Zeug auch schmecken kann! Und einfach ist es, das Hostel hat eine Küche und da kann ich Wasser kochen. Ich überlege, was ich noch mit meiner Zeit anstellen soll. Montag ist schon wieder Stichtag, da komme ich zurück. Und das ging jetzt doch so schnell. Immer wieder war ich am schwanken zwischen Einsamkeit und dem Bedürfnis nach Austausch und einer unglaublich großen Reiselust, die auch wieder ein wenig dazu führt, meinen westlichen Lebensstil zu hinterfragen. Ich treffe Menschen, die einen Weg für sich gefunden haben, viel zu reisen. Die einen in mehreren Blocks, die anderen in einer Auszeit, wieder andere arbeiten remote und reisen währenddessen. Ich denke, da muss jeder einen für sich passenden Weg finden und welcher das für mich ist, weiß ich noch nicht. Dauerhaft unterwegs zu sein ist sicherlich nichts für mich, dafür habe ich mein soziales Umfeld zu sehr ins Herz geschlossen. Ich wollte schon immer mal länger in einem fremden Land leben – wann ist dafür wohl der richtige Zeitpunkt? Kommt der überhaupt noch? Im Alltag fühle ich mich in Augsburg sehr wohl, besonders seit ich in mein Häuschen gezogen bin. Jetzt wegziehen kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Aber dann bin ich auf Reisen und diese Sehnsucht kommt wieder auf. Wer weiß, ob und wann es sich ergibt. Und wohin es mich dann zieht.

Mittlerweile ist es Mittwoch Abend und ich bin schon wieder im Zug zurück nach Astana. Wenn das Wetter schon schlecht ist, will ich doch lieber wo sein, wo man zumindest noch was machen kann. Astana hat Museen, Kinos, spannende Architektur und es gibt Touren in Nationalparks, falls das Wetter doch nochmal besser werden sollte. Schauen wir mal.

Ich checke im Hostel ein und bin in einem 8-er Zimmer mit 2 anderen Frauen. Eine spricht (natürlich) etwas deutsch, ihre Brüder wohnen wohl in Nürnberg und Erlangen. Die andere ist völlig überdreht und lässt mich garnicht mehr in Ruhe. Was ok ist, weil ich nichts vor habe. Nur ungewohnt. In anderen Hostels haben mir die Einheimischen Mitbewohner nicht einmal hallo gesagt. Die beiden kommen aus der näheren Umgebung Astanas und sind hier auf Jobsuche. Und scheinbar bin ich eine willkommene Abwechslung. Soll mir recht sein. Irgendwann ruft Papa an, was ich auch sage. Das hält meine übermotivierte Bettnachbarin allerdings nicht davon ab, weiter auf mich einzureden, oder Fragen zu stellen. Dafür klatscht sie auch gerne mal vor meinem Gesicht, wenn ich die Aufmerksamkeit WÄHREND DES TELEFONATES nicht auf sie richte. Ok. Papa hat sie demnach auch kennenlernen dürfen 😀 den Tag bin ich nur etwas in der Nachbarschaft rumgelaufen und gehe am Abend früh schlafen. Glücklicherweise wird meine Nachbarin von ihrem Freund angerufen, weshalb sie sich auf den Weg macht. Ich hatte schon gefürchtet, dass es sonst die ganze Nacht so weiter geht. Das Bett ist furchtbar unbequem, ich schlafe auf einer Federkernmatratze, deren Federn wild durchstechen. Es hat demnach einen Moment gedauert, bis ich eine Position gefunden habe, bei der ich nicht arg gestochen werde.

Es ist Freitag früh und ich checke schon wieder aus. Meiner nun schlafenden Nachbarin schreibe ich einen Zettel und gehe. Ich habe mir für 2 Nächte ein 5-Sterne-Hotel gebucht. Zugegebenermaßen wäre vermutlich jede andere Unterkunft besser gewesen, als das Hostel und es hätte sicherlich kein 5-Sterne-Hotel gebraucht. Aber es ist noch im Budget und ich habe Lust drauf, also warum nicht? Ein sauberes Bad (das ich mir nicht teile), ein bequemes Bett, ungestörte Nächte (und Tage). Es klingt nach einer sehr angenehmen Abwechslung. Ich bin auch gerne im Hostel, vor allem ist dabei schön, mit anderen Reisenden in Kontakt zu kommen. So ist es aber auch nicht schlecht 🙂

Dann fahre ich mit einem Taxi etwas außerhalb zu einer Gedenkstätte eines Camps aus Zeiten der Sowjetunion. Ein Camp für Frauen (und Babys) von „Staatsfeinden“. Es ist ein kleines Museum und erinnert stark an ein Konzentrationslager. Ich finde schade, dass wir zum Thema Sowjetunion so wenig in der Schule gelernt haben. Auf dem Rückweg schließe ich mich 2 älteren Frauen an, die mit dem Bus nach Astana fahren wollen. Zur Erleichterung der Damen im Museum, die versucht haben, ein Taxi für mich zu organisieren. Die beiden Frauen sind Freundinnen und wirken wie ein gutes Team. Marina spricht etwas englisch und ihre Freundin kann gut mit ihrem Smartphone umgehen. Wir warten länger auf den Bus, der nur 1x die Stunde fährt. Irgendwann werden sie etwas ungeduldig und halten ein paar vorbei fahrende Autos an, von denen uns aber niemand mitnehmen mag. Nach ein paar Anrufen erklärt mir Marina, dass der Bus gleich komme, da hält ein junger Mann an und überzeugt durch seinen unschlagbaren Preis von 500 (1€) statt 600 Tenge pro Person. Wir steigen ein und Marinas Freundin fängt direkt an, dem Mann zu erzählen, was sie über mich herausgefunden haben. Dabei fällt das Wort single und ich bin mir unsicher, ob sie mich da verkuppeln möchte, oder nur erwähnt, dass ich alleine reise. Die Frauen haben Kinder in meinem Alter, sind beide schon Oma und bemitleiden vermutlich meine Eltern. Sie steigen kurz vor mir aus, winken zum Abschied und werfen Kusshände zu. An diese Art von Verabschiedung könnte ich mich wirklich gewöhnen!

Dann checke ich im Hotel ein und nehme mir erstmal Zeit für eine ausgiebige Dusche. Wie schön. Am Nachmittag setze ich mich in einen Park, höre Musik und singe dazu. Es ist fast niemand hier und selbst die paar Leute, die mal vorbei laufen, sind mir dabei relativ egal. So schlimm klingt es schon nicht.

Ich bleibe bis zum Sonnenuntergang und mache mich wieder auf den Weg zurück ins Hotel. Hier mein Ausblick bei Nacht:

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