Mangos sind noch keine gepflückt. Es gibt ein Problem, und zwar schauen die für mich reservierten Mangos von innen teils nicht mehr so gut aus. Das wird auf den starken Regen der letzten Tage zurückgeführt. Hier wird nun überlegt, was wir jetzt machen. Am frühen Abend fahren Chichi und ich nochmal zu dem fast ausgetrocknet See im Jungle und sehen ein Gaur (indisches Bison) mit Kalb. Mittlerweile hat die Dämmerung eingesetzt und das Muttertier ist mit Kalb unterwegs. Chichi fühlt sich damit nicht so wohl und so klettern wir auf einen kleinen Baum. Als ob die 600-1000 kg, die so ein weibliches Tier auf die Waage bringt, von einem läppischen, toten Baum aufgehalten werden könnten. Aber gut. Vielleicht bin ich zu naiv, ich wäre einfach ruhig sitzen geblieben. Das Tier starrt uns eine Weile an und verschwindet dann wieder im Jungle. Ich erkenne ohne Brille in der Dämmerung nicht allzu viel, außer einer sehr großen Kuh. Jetzt, wo wir wieder sicherer sind, ist Chichi überaus begeistert, denn er versucht schon seit einigen Wochen, so ein Tier in freier Wildbahn zu sehen. Da es jetzt aber langsam gefährlich wird hier im fast dunkel an der Wasserstelle, machen wir uns auf den Weg. Auf der Straße angekommen setzen wir uns noch eine Weile vors Auto und schauen, ob wir noch was erkennen.
Unser Baum des Vertrauens:

Am Abend bekommt Chichi mal wieder Ärger von der Familie. Dass ich hier bin, weiß vermutlich jeder der Familie bis zum ca. 5. Grad inklusive deren Freunde und Nachbarn. Und alle diskutieren mit, was mir gezeigt werden soll, was mir geboten wird und wie am besten auf mich aufgepasst wird. Was mich auch immer mal wieder nervt, weil ich es nicht gewöhnt bin, dass eine so große Gruppe von Leuten in meiner Tagesplanung mitredet und Entscheidungen für mich trifft, rührt mich mittlerweile immer mehr. Die meisten kennen mich überhaupt nicht, sie sind (im Gegensatz zu vielen aus der touristischen Region Varanasi) auch absolut nicht an irgendwelchen materiellen Vorteilen interessiert, die ich ihnen bieten könnte. Im Gegenteil, ich darf ja überhaupt garnichts bezahlen. Es geht ihnen also nicht darum, irgendeinen Vorteil aus mir zu ziehen, sondern ich finde es einfach nur herzerweichend, wie ich in dieser Gemeinschaft, in dieser riesigen Familie aufgenommen werde. Aber zurück zum Abend, Chichi wird dafür gerügt, mich dieser großen Gefahr Natur auszusetzen. Ich solle doch lieber im Haus bleiben, da gibt es Ventilatoren und ich könne mich ausruhen. Wieso er mich dazu nötige, irgendwo rumzulatschen? Und dann noch, wo es dunkel ist. Sie finden es unverantwortlich von Chichi, mich in solche Situationen zu bringen. Es ist auch nur schwer für sie zu verstehen, dass ich da Lust drauf habe. Dass ich das möchte. Bis ihnen Chichi am nächsten Tag Bilder zeigt, wie ich auf einen großen Baum geklettert bin. Sie glauben ihm ein wenig mehr, dass ich da Lust drauf habe. Vor allem, als ich ihnen Freude strahlend berichte, dass ich das viel öfter machen möchte, weil es mir so Spaß macht. Ich habe jetzt also vermutlich noch mehr den Ruf der seltsamen Deutschen. Chichi sagt auch immer wieder, dass er allein die Verantwortung für mich übernimmt. Ich bin nicht von hier und offensichtlich gibt es sehr viele Dinge, die mir fremd sind, die ich nicht verstehe (schon allein die Natur und wilden Tiere hier. Und dann natürlichnoch die sprachliche und kulturelle Barriere, wovon zumindestzweitere immer kleiner wird). Man muss auf mich also mehr aufpassen, als auf einheimische Verwandte. Und zudem scheine ich untypische Vorlieben für Urlaub zu haben. Es ist also etwas schwierig für alle einzuschätzen, wie man auf mich aufpasst und mit mir umgeht. Jeder hat eine andere Meinung. Den Großteil der Diskussionen und Telefonate verstehe ich natürlich maximal wenig bis nicht. Und doch weiß ich, wie vielen Leuten an meinem Wohlergehen gelegen ist. Und das ist einfach wundervoll, zu spüren.
Die Nacht wird interessant. Mir wird geraten, mich mit den Cousinen, Nichten, Neffen und Tanten schlafen zu legen aber heute Nacht findet ein Konzert mit traditioneller Musik statt. Ich bin sehr müde, ich möchte wirklich gerne schlafen. Und den Konzerte mit traditioneller Musik, die ich in Indien bisher erlebt habe, konnte ich meist nicht viel abgewinnen. Aber Prasen und Mama (Chichis Onkel) spielen mit, Chichi fährt eh hin und so ist für mich klar, dass ich mitkomme. Wir holen Prasens Eltern sowie seine Oma ab. Die Oma ist überglücklich, mich zu sehen. Wir können nicht reden, aber auch ich freue mich sehr, das bekannte, liebevolle Gesicht, zu sehen. Dann geht es zum Konzert. Mittlerweile ist es etwa 1 Uhr nachts und wir haben nur die ersten Minuten verpasst. Wir setzen uns und Prasen und Mama winken uns fröhlich zu, als sie uns sehen. Es ist ein winzig kleines Dorf hier und ich bin neben der Musik vermutlich die nächste Attraktion. Es ist unglaublich laut. Alle Lautsprecher geben etwa 250% und mir platzt bald der Schädel. Auf dem Weg vom Auto zu den Stühlen hat mir Chichi gesagt, dass wir nicht lange bleiben müssen, sondern auch mit dem Auto irgendwo rumfahren können. Ich bin unglaublich froh um diesen Vorschlag. Ich hatte absolut nicht vor, den anzunehmen. Aber das ist wirklich kaum auszuhalten. Ich denke, ich fände die Musik ok, wenn sie zumindest auf erträglicher Lautstärke zu hören würde. Nach 10 min sage ich Chichi, dass mein Kopf platzt und ich in spätestens 5 min gehen möchte. Es tut mir Leid, denn Prasens Eltern und Oma sind natürlich stolz, dass ich auch zu Prasens Konzert komme. Chichi lacht und sagt, dass auch er gehen will, weil er es nicht aushält und so verschwinden wir. Wir fahren etwas mit dem Auto und auch hier ist die Musik wunderbar zu hören. Wir setzen uns vors Auto auf die Straße und hören von hier zu. Dann reden wir wieder mal über unsere unterschiedlichen Erfahrungen mit Familie in Deutschland und Indien. Um 5 ist das Konzert vorbei und wir holen die 4 wieder ab. Sie sind traurig, dass wir nicht zugehört haben, ich sichere ihnen aber zu, dass wir das durchaus getan haben. Nur halt nicht vor der Bühne. Ich versichere ihnen auch, dass ich nicht geschlafen habe, obwohl ich wirklich müde bin. Prasen freut sich. Bis wir gegen dreiviertel 6 wieder bei Mamadaheim ankommen, schlafen die 3 hinten auf der Rücksitzbank. Die Dämmerung hat bereits eingesetzt und wir gehen schlafen. Um nicht noch mehr Mückenstiche zu bekommen, schlafe ich mit Prasens Mutter in einem Bett drinnen im Haus.
Das Konzert:

Gegen 11 Uhr werde ich wach und wir machen uns auf, um zu erkunden, welche Mangos wir nun ernten. Nach einer kleinen Tour durchs Dorf, in denen mir wirklich sehr viele Leute ihre Mangos anbieten (gratis?!), entscheiden wir uns für einen Sack mit den reservierten Mangos des Nachbarn sowie einem Sack Mangos einer anderen Nachbarin. Da ich erst Mittag essen soll und 2 Onkel bereits mit der Ernte beginnen, komme ich nach. Ich finde den Baum nicht gleich und so drehe ich eine größere Runde durch den Ort. Als ich schließlich da bin, sind sie fast fertig und ich kletter mehr zum Spaß den Baum hoch. Dann geht es aber zum nächsten Baum und der ist riesig groß. Außerdem hat er viele Astverzweigungen relativ weit unten, sodass dieser Baum quasi zum Klettern gemacht sind. Ich liebe es. Die Nachbarinnen finden es völlig verrückt, dass ich da mit drauf klettere, unser Mangopflückerspezialist findet es amüsant. Ich nehme mir vor, das künftig öfter zu machen. Irgendwann haben wir genug Mangos. Wir klettern runter, packen die Mangos ein und bringen sie zum Auto. Dann ist erstmal Mittagspause. Chichi macht sich ans Kokosnuss ernten und da ich auch sowas noch nie gemacht habe, darf ich auch hier mithelfen. Prasens Vater zeigt mir, wie wir die Machete an dem langen Bambusstab befestigen und am Ende schaffe ich es, 4 Kokosnüsse zu ernten! Ich bin sehr stolz. Frisches Kokoswasser ist eine wirklich super Entlohnung dafür.



Wir verabschieden uns von den zahlreichen Nachbarn, den vielen Familienmitgliedern und fahren samt Prasen und seinen Eltern wieder zurück nach Tambdi. Bepackt mit jeder Menge Mangos und unseren paar Taschen. Wir hören Musik, singen gemeinsam dazu und die Fahrt geht schnell rum. Am Abend gehe ich früh schlafen, denn ich habe noch ein Schlafdefizit. Außerdem waren es wieder so tolle Erlebnisse, dass ich das auch verarbeiten muss. Der Himmel ist klar und meine letzte Nacht in Tambdi schlafe ich wieder auf dem Dach unter freiem Himmel. Eines der vielen Dinge, die ich wirklich vermissen werde!
Der letzte Tag bricht an und wir ernten nochmal Cashews von den eigenen Bäumen im Garten. Und dann verbringt Prasens Mutter den gesamten Vormittag damit, sie zu öffnen und die Cashews für ein Curry rauszuholen. Dafür klemmt sie eine Machete zwischen die Füße, hockt und schneidet die Cashews auf. Außer den Cashews aus dem Garten haben wir auch eine Tüte der Mutter von Tambdi mum bekommen. Damit sie für mich die lokale Spezialität kochen können. Himmlisch! Wir fahren eine große Runde durch die Stadt, bis wir irgendwann gute Kartons zum Verpacken der Mangos gefunden haben. Am Nachmittag machen Prasens Vater, Tambdi mum, und ich uns schließlich ans Verpacken der Mangos. Mum und ich säubern die Früchte mit einem trockenen Tuch, Chichi schneidet Stroh als Dämmung zurecht, Prasens Vater packt die Mangos in die Kartons und Dad zählt, wie viele wir nun haben. 84 Stück! Es sind noch einige übrig, aber ich bin begeistert! So viele Mangos 😍

Meine letzte Abreise im Winter war ziemlich tumultartig und gefühlsmäßig arg durchwachsen. Auch darüber hatten wir noch ein paarmal geredet. Wie es für mich als zur Selbstständigkeit erzogene Deutsche ist, vollkommen abhängig zu sein. Nicht zu wissen, was wie passiert. Und dem entgegengesetzt, wie es für meine Tambdi Familie war, mich so aufgelöst und ohne Vertrauen in ihre Organisation meiner Rückreise – der Rückreise ihrer eigenen Tochter – zu sehen. Ich habe sie verletzt. Das möchten wir alle nicht wiederholen. Dass Tambdi Dad die Tage runter zählt und mir immer wieder erläutert, wann meine Rückreise ansteht, hilft mir auf jeden Fall in der Vertrauenssache. Und so beschließe ich, nicht genau nachzufragen. Wieder mal weiß ich nicht, wann ich welchen Bus nehme, wie und wann ich zum Bus komme, wie und wo ich in Mumbai ankomme, wie ich dort in die Wohnung der Cousins komme. Ich vertraue. Zur größten Not fahren sie mich mit dem Auto, war Plan C. Irgendwie werde ich also schon hinkommen. Ich bin stolz auf mich, dass ich es mit den Erfahrungen des Winters wieder so durchziehe. Als ich zwischendurch zufällig erfahren habe, dass mich Chichi nicht begleiten kann, hatte ich angemerkt, dass in dem Fall eine Simkarte von großem Vorteil wäre. Denn sonst habe ich keine Möglichkeit, mit irgendjemandem zu kommunizieren, geschweigedenn zu wissen, wo ich bin und sehen, wie weit es noch bis dahin ist, wo ich raus muss. Ich möchte, dass Chichi auch bewusst ist, dass es für mich immernoch nicht selbstverständlich ist, so unselbstständig und abhängig zu sein. Vor allem ohne Informationen. Deshalb betone ich nochmal, dass ich am Tag meiner Abreise noch keine Infos bezüglich meines Transportes habe und damit ok bin, es aber nicht selbstverständlich ist. Dass ihm bewusst sein soll, dass es schon noch ein Ding ist für mich, ihnen da so völlig zu vertrauen. Dass die Deutsche in mir sich damit garnicht wohl fühlt, aber von der Inderin in mir unterdrückt wird.
Am Abend fängt es an, zu schütten und der Wind weht unsere Plane zum Schutz der Terasse weg. Chichi und ich rennen raus, am Onkel vorbei um sie zu sichern. Was ich nicht bedenke: die glatten Fliesen auf der Veranda sind bereits nass. Was Chichi nicht davon abhält, drüber zu rennen, haut mich voll hin. Meine Füße haben nicht mit der glitschigen Schicht gerechnet und so lande ich unsanfter, als erhofft, auf der Treppe. Fange mich aber gut ab, also alles gut. Lediglich meine Ferse habe ich einmal aufgerissen. Das ist ungeschickt aber nicht weiter tragisch. Ich fange an zu lachen. Der Onkel hilft mir auf, er, Chichi und der Vater schimpfen mich erstmal und sind leicht irritiert über meine Reaktion. Sie fragen mich besorgt, ob es mir gut geht, ob ich mich verletzt habe und ich bestätige, dass ich nichts habe. Die Ferse habe ich noch nicht bemerkt. Sie begleiten mich rein und dort stelle ich fest, dass meine Ferse voller Blut ist. Ich säubere sie etwas und werde dann umsorgt, als hätte ich mir das Bein gebrochen. Ich bekomme ein Glas Wasser, muss mich setzen und werde vom Onkel verarztet. Es ist gerade Stromausfall und so werde ich mit einer Handytaschenlampe angestrahlt. Ich lache wieder, weil es so absurd ist. Ich werde gefragt, warum ich lache. Und sie sind begeistert von meinem Planungstalent, da ich Tape, Desinfektionsmittel und Taschentücher dabei habe. Es brennt extrem. Tambdi Mum bringt Kurkuma und mein Fuß ist nun gelb. Kurkuma ist antibakteriell und auch das brennt, aber es geht. Chichi hält mir die Lampe ins Gesicht, er sagt, sie wollen mein Gesicht sehen, wenn es so brennt. Ob ich dann immernoch lache. Ich muss sie enttäuschen, all zu sehr verziehe ich das Gesicht nicht. Die Wunde ist nun knallgelb, bedeckt mit einer Menge Kurkumapulver, darauf Baumwolle und diese ist mit dem Tape an mein Bein festgeklebt. Passt. In meiner Welt ist jetzt wieder alles gut. Nicht aber in der Welt meiner verrückten Tambdi Familie. Ich werde nun gefragt, ob mich der Onkel nach Mumbai begleiten soll. Ich lache wieder, denn das ist wirklich absurd. Ich kann laufen (mit dem rechten Fuß halt auf der Zehenspitze) und mein Gepäck auch gut transportieren, es gibt also wirklich keinen Grund für den Aufriss.
Chichi, Prasen und ich singen nochmal gemeinsam. Wie schön. Und dann ist es etwa 10 und wir müssen los. Tambdi mum und Prasens Mutter verstehen absolut nicht, wie ich jetzt ohne Abendessen gehen kann, sie hätten doch noch garnicht fertig gekocht. Ihrer Meinung nach sollte ich warten, bis das Essen fertig ist und dann gehen. Glücklicherweise ist den Männern aber bewusst, dass das mit dem Bus nicht so einfach geht und so geben sie mir einen kleinen Proviant mit.
Am Ende bekomme ich Chichis 2. Simkarte für die Fahrt nach Mumbai. Ihm ist nicht recht, nicht mit mir kommunizieren zu können, außerdem ist die Familie generell nicht glücklich mit der Situation, dass ich die Strecke allein fahre. Da sie jedoch eine wichtige Feier besuchen müssen, ist es nicht anders möglich. Und so wird alles andere weiter für mich organisiert. Chichi hat die Telefonnummer des Fahrkartenkontrolleurs im Bus. Er bringt mich zum Bus, sagt denen, wo sie mich genau raus lassen sollen und auch ich weiß bescheid. Dadar ist mein Ziel. Außerdem soll ich ihn sofort anrufen, wenn irgendwas ist. Er hält Wache. Außerdem habe ich Akshays Nummer, der Cousin, der mich in Mumbai vom Bus abholen wird. Ihm soll ich gegen 5 Uhr morgens meinen live Standort schicken, damit er weiß, wann er aufbricht. In der Wohnung ist außerdem noch Gaurav, der kaum englisch spricht. Da Akshay am Tag arbeiten gehen wird und ich dann mit Gaurav alleine wäre, hat der sich Verstärkung von Kaju (die Cousine, mit der ich bereits am ersten Tag händchen haltend durch Mumbai gelaufen bin) geholt. Und da ihre Mutter neugierig ist, kommt auch sie mit. Ich bin also alles andere als allein in Mumbai. So viel erfahre ich noch, als wir auf den Bus warten.
Mein Platz im Bus ist neben einer Frau, die ihr ca. 1-1,5 Jahre altes Baby auf dem Arm hält. Es ist ein Sitzplatz. Dafür verfluche ich Chichi etwas. Ich hatte gesagt, dass mir wichtig ist, einen Liegeplarz zu bekommen, da ich unbedingt ausgeschlafen sein möchte, wenn ich am Dienstag wieder arbeiten gehe. Er hat allerdings beschlossen, dass die Liegeplätze Wucherpreise sind und das sieht er nicht ein. Ja gut. Dann halt nicht. Überraschenderweise ist das Baby ziemlich ruhig. Es wechselt nur ab und zu die Position auf der Mutter und schmeißt einen Arm oder ein Bein auf mich, aber es ist sehr ruhig und schläft. Tatsächlich schlafe ich immer mal wieder ein und so werde ich um 5 von meinem Wecker geweckt. Ich sehe, dass mir Chichi noch mehrmals geschrieben hatte, er sei wach, bis ich sicher bei den Cousins und Cousinen angekommen sei. Außerdem eine Nachricht von Kaju um 4:30 Uhr morgens, ich möge bitte meinen Standort teilen. Wieso zur Hölle sind die denn alle wach? Meine Abreise scheint für meine Tambdi Familie aufregender zu sein, aks für mich. Ich schicke Akshay meinen Live Standort, wir sind noch etwa 1h von Dadar entfernt. Direkt antwortet er, dass er schon in Dadar ist und auf mich wartet. Puh. Schlechtes Gewissen. Um 6 sind wir gemäß maps noch ca. 30 min von Dadar entfernt. Etwas später sind wir nördlich von Dadar und fahren auch nur noch Richtung Norden. Mir schwant, da passt was nicht. Ich sage mehrmals „Dadar???“ zu Kontrolleur und Busfahrer, erst schauen sie mich fragend an und dann diskutieren sie. Ich verstehe nichts, also rufe ich mein Sicherheitsnetzwerk an und Chichi will sofort wissen, was los ist. Ich erkläre ihm, dass ich glaube, dass wir nicht mehr nach Dadar fahren. Ich drücke dem Fahrkartenkontrolleur mein Handy in die Hand und sie reden. Offensichtlich haben sie mich vergessen (Excuse me? Mich? Vergessen?Wie???). Wir halten an, sie organisieren mir ein Taxi, setzen mich rein, laden mein Gepäck um und weg sind sie. Das ging überraschend einfach. Aus einem mir unverständlichen Grund hat Chichi die Handynummer des Fahrers, wir schreiben und als wir bei Akshays Wohnung ankommen, ruft mein Taximann des Vertrauens sofort Chichi an und drückt mir sein Handy in die Hand. Ich bestätige ihm, dass wir nun bei der Wohnung sind (ich erkenne die Straße). Dann kommt Akshay vorgelaufen und meine Leute in Tambdi können nun endlich beruhigt sein. Geschafft.
Wir gehen schlafen. Die Wohnung ist voll, in dem ca. 14 m^2 großen Zimmer schlafen Kajus Mutter und Gaurav je in einem Bett, Akshay zwischen Bett und Küchenzeile und ich lege mich in den Spalt zwischen Kaju und Gauravs Bett. Ich bin wirklich müde.
Gegen 12 stehen wir auf. Ich erfahre, dass Kaju in der Nacht bis 4:30 wach geblieben war, um sicherzustellen, dass Akshay auch wirklich aufsteht. Als er aus der Wohnung ist und er sie quasi abgelöst hat, ist sie schlafen gegangen. Gaurav geht einkaufen und Kajus Mutter kocht uns erstmal Frühstück. Dann quatschen wir ewig. Ich bin in Kontakt mit Chichi und außerdem ruft Akshay zwischendurch von der Arbeit bei mir an, um zu fragen, ob ich ok bin. Ob es mir gut gehe? Brauche ich irgendwas? Wenn ja, möge ich das bitte Kaju sagen. Ich kann immernoch kaum glauben, wie sich alle um mich sorgen. Derweil lädt mich Kajus Mutter zu sich ein, ich soll sie nächstes mal unbedingt besuchen! Irgendwann ist Abend, wir besorgen mir noch ein paar Snacks, eine Salbe für meinen Fuß und Chichi tätigt einen Erinnerungsanruf, damit wir auch ja rechtzeitig ein Taxi für mich zum Flughafen haben. Es funktioniert alles bestens und ich verabschiede mich traurig.
Am Flughafen angekommen, drückt mir der Taxifahrer das Handy in die Hand, Chichi ist dran. Geht es dir gut? Bist du jetzt am Flughafen? Bekommst du deinen Flug? Ja. Alles ist gut. Und doch ist garnichts gut, ich möchte nicht von hier weg. Natürlich mag ich mein Leben in Augsburg, mein soziales Netz dort, meinen Job. Aber es fällt mir unglaublich schwer, diese wunderschöne Zeit mit meiner Tambdi Familie hinter mir zu lassen und das Land zu verlassen. Dieses Land, in dem alles möglich ist, das mich jedes mal aufs neue wieder so herzlich aufnimmt. In dem ich viele Freunde und eine riesige, wunderbare Familie gefunden habe. Der Flug läuft reibungslos und in München holt mich Ludwig ab. Auch in Augsburg habe ich eine große Familie. Und hier bin ich wieder.