Kundendienstkarriere-hier bin ich!

Lange ists her. Es fühlt sich jedenfalls so an. Ich muss gestehen, dass ich total vergessen habe, einen Blog zu haben… 😀 sorry!

Die letzten Tage war viel los. Es waren Abschlussexamen und im Zuge dessen war viel zu tun. Ich habe einen Teil der Englischexamen für die 3. und 5. Klasse konzipiert. Habe ein paar Schulstunden vorher nochmal Übungsaufgaben gemacht und dann Aufgaben gestellt, die sie laut Lehrplan des Englischlehrers hätten lösen können müssen. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, Aufgaben zu finden, die einfach sind aber auch zeigen, dass die Schüler die Grammatik verstehen.

Alle sind durchgefallen. Kein einziger Schüler hat 50% lösen können, das beste Ergibnis ist 30%. Nicht, dass das eine große Überraschung war, ich bin ja immerhin schon eine Weile hier und kenne das Englischlevel unserer Kids. Und den Englischlehrer. Aber die Tatsache, dass der Englischlehrer genausogut hätte die Wände renovieren können (was echt nötig ist), statt zu ‚unterrichten‘ mal so schwarz auf weiß zu sehen, ist nochmal schlimmer. Das Hauptproblem ist, dass die Kinder nie selber nachdenken müssen, sie bekommen die Lösungen immer vorgesagt und es wird sinnlos auswendig gelernt statt den Sinn zu verstehen. Auch bei den Examen helfen die Lehrer den Schülern. Das ist in ganz Indien ein Problem. Dieses Jahr sind aber Nicole, Clara und ich hier, und wir haben uns auf die Klassen aufgeteilt, um die Schüler UND Lehrer zu kontrollieren. Da war man schon irritiert. Niemandem wird mehr geholfen, Spickzettel werden einkassiert und jede Art von Betrug wird bestraft. Das ist neu hier. Aber mal ehrlich, es ist ja wohl vollkommen lächerlich, Prüfungen zu schreiben, wenn man nicht ansatzweise ehrlich ist. Und dabei meine ich jetzt nicht, mal kurz zum Nachbarn zu schielen. Ich möchte den Kindern so gerne mehr englisch beibringen, aber mit dem Lwhrer ist das eine echte Tortur und ich bin ja auch kein ausgebildeter Lehrer…

naja soviel dazu. Eine Woche lang waren also Examen in Englisch, Hindi, EVS (Sachkunde) und Mathe.

Was es noch so zu berichten gibt. Ich wohne jetzt in der Schule. Heißt, mein Rucksack ist im Lagerraum und nachts schlafe ich auf dem Dach oder in einem Klassenzimmer. Im Schulgebäude haben Micga und Nicole ihre Wohnung und die Jungs aus der Bäckerei haben ein Zimmer also bin ich nicht allein. Ist ne ganz interessante Erfahrung. So garkeinen eigenen Rückzugsort zu haben, keine richtige Privatsphäre. Ab und zu fänd ich es ganz schön, ein Zimmer mit nem Bett zu haben (schlafe auf einer Deckr auf dem Boden), wo man halt einfach mal seine Ruhe von der Welt hat. Aber ich muss sagen, es gefällt mir, zu testen, wie viel man ‚braucht‘. Ich trage mittlerweile nur noch indische Kleidung, habe also eine eher beschränkte Auswahl an 5 Kurtas (lange Tuniken) und 8 Hosen (ja zugegebenermaßen hab ich mich in die Hosen hier verliebt und viel zu viele gekauft…) aber wovon ich ziemlich abhängig bin ist das Internet. Ich liebe es einfach, auf veganen Blogs nach Rezepten zu stöbern 😀 und ich habe die Serie ‚Shameless‘ für mich entdeckt.

Gerade bin ich wieder krank (Durchfall, extreme Bauchschmerzen, Erkältung, kurz vorm Sterben. Das übliche 😉 )

Nein, gerade ist es etwas besser. Nehme Antibiotika und Schmerzmittel, wodurch mir jetzt übel ist 😀 das find ich ja schon toll. Schmerzmittel, das andere Beschwerden hervorruft. Naja, ich kann wieder sitzen, sogar bis zur Apotheke laufen (10m von der Schule), ohne das Gefühl zu haben, gleich umzukippen und ohne vor Bauchschmerzen zu heulen. Besserung in Sicht! Da ist halt ein bisschen blöd, dass ich kein Zimmer habe, weil bis mittags die Kinder hier sind und in der Bàckerei gearbeitet wird. Also sitze ich im Treppenhaus rum oder vegetiere vor dem Kühler in Michas und Nicoles Wohnung, wenn sie es mir gestatten. Aber es gefällt mir. Einfacher zu leben. Ich werde auf jeden Fall groß ausmisten, wenn ich wieder in Deutschland bin! Weg mit dem ganzen Kram!

So langsam wirds warm. Die 40° Grenze hats noch nicht überschritten, aber man ist fleißig dabei. 39° hats jeden Tag, nachts kühlt es immerhin auf anscheinend 25° ab. Hab ich noch nicht wahrgenommen. Um 1 Uhr nachts hat es immernoch 30°. Aber gut, der Wetterdienst lügt bestimmt nicht. Wobei. Hat mir schon ein paarmal erzählt, es würde gerade regnen. Da bin ich hoffnunhsvoll aufs Dach gerannt und sehe, dass nichteinmal Wind weht. Die Tage werde ich meinen Rückflug umbuchen, es wird vermutlich Mitte Juni. Wenn ich bis dahin überlebe. Aber ich will es ausprobieren. Ob ich der Hitze Stand halten werde. Sonst müsste ich schon nächste Woche den Flieger nehmen :O

Die Schule schließt bald, dann werde ich im Restaurant, Cafe oder Bäckerei arbeiten. Morgen fängt mein Telefonkundenservice an 😀 heißt, ich nehme die Bestellung vom Deliveryservice auf. Eigentlich hasse ich es ja, auf einer anderen Sprache als deutsch zu telefonieren. Aber gut, Bestellungsaufnahme wird wohl nicht so kompliziert. Hoffentlich 😀

So, jetzt seid ihr wieder auf dem neuesten Stand!

Viele Grüße!

Ps. Noch ein paar Fotos:

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The Dowry System

The Dowry system

Eine indische Tradition ist, dass die Familie der Braut der des Bräutigams Geschenke in Form von Geld, Elektrogeräten, Schmuck und Haushaltswaren überreicht. Offiziell ist das Dowry system seit 1961 verboten, das bedeutet, dass die Familie der Braut nicht zum Dowry gezwungen werden darf. Es darf nicht eingefordert werden. Wird es aber immernoch häufig. Da bekommt die Familie der Braut dann ganz genaue Ansagen, was sie zu schenken hat. Die Zeiten ändern sich aber und glücklicherweise gibt es immer mehr Familien, die ihre Töchter nicht an solche Familien hergeben, die Dowry einfordern. Aber obwohl kein Dowry eingefordert wird, wird die Tradition trotzdem eingehalten und es werden freiwillig Geschenke gemacht. Kühlschränke, Fernseher, Schmuck für den Schwiegersohn, natürlich (viel!) Geld, Kühler, Waschmaschinen, alles was man irgendwie brauchen könnte. Was passiert aber, wenn es nicht genug ist? Wenn die Familie des Bräutigams immer mehr verlangt, zu viel? Eine milde Strafe ist es, die Schwiegertocher zu misshandeln. Zu schlagen, sie offen zu demütigen. Es geht auch schlimmer. In Varanasi gibt es ein Krankenhaus, das allein darauf spezialisiert, Verbrennungen zu heilen. Es passiert tatsächlich -und nicht zu selten- dass die Schwiegertochter verbrannt wird. Der Saree angezündet, die Frau verbrannt. Und wer Glück hat, überlebt und schafft es zu dieser Klinik.

Wie grausam können Menschen sein? So sehr ich Indien liebe, wie kann so etwas nur passieren?! Und das in der Nachbarschaft, in der Familie. Wir haben 13 unserer Mädchen gefragt, ob sie solch eine Geschichte aus ihrem Umfeld kennen. 11 konnten etwas erzählen. Von den Lehrerinnen waren es nur 2. Sie glauben, sowas bekommt man hauptsächlich über die Medien mit. 11 von 13 Mädchen kennen eine Frau, die auf Grund von Dowry verbrannt oder misshandelt wurde.

In Rajasthan herrscht Frauenmangel. Großer Frauenmangel. Es ist hier soweit gekommen, dass die Familie der Braut Mitgift bekommt. Also Dowry nur andersrum. Ein Grund, warum mehrere Familien ihre Tochter an einen Mann aus Rajasthan verheiraten.

Wie kommt es zu so einem großen Frauenmangel? Abtreibung weiblicher Föten und Mord von weiblichen Babies.

Wie zur Hölle kommt man dazu, weibliche Föten abzutreiben und sogar neugeborene Mädchen zu töten? Wegen des Dowry Systems. Ein Mädchen kostet (bei der Hochzeit) und bringt kein Geld ein. Also ist es nur eine große Last. Dann lieber Jungs gebären, die werden arbeiten, Geld verdienen und die Familie unterstützen und bei der Hochzeit bekommt man jede Menge Mitgift.

Tja, blöd gelaufen. Töten sie so viele Mädchen (zur Info: Ultraschalluntersuchung ist in Indien verboten, weil dadurch das Geschlecht bestimmt werden kann), dass Frauenmangel herrscht und am Ende dafür bezahlt werden muss, eine Schwiefertochter zu finden. Ich würde mal sagen, das war ein Eigentor.

Dowry führt also zu Abtreibung, zum Töten. Dazu, dass man sich wünscht, bloß einen Jungen zu gebären und ja kein Mädchen.

Firdous, eine Lehrerin hat erzählt, ihre Oma sei 7 Jahre lang versteckt worden sein. Die Familie erwartete einen Jungen, ein Mädchen würden sie nach der Geburt töten. Die Urgroßmutter gebärt jedoch ein Mädchen. Und was macht sie? Sie wohnt bei ihrer Familie, kleidet das Kind mit Jungenklamotten und erzählt ihrer Schwiegerfamilie (?), es sei ein Sohn. Nur wenige male bekommen sie das Kind zu sehen, keiner merkt, dass es eigentlich ein Mädchen ist. In der Familie gehen alle Männer ins Fitnessstudio, ‚der Junge‘ auch. ‚Er‘ wird wie ein Junge großgezogen, bis die Mutter damit anfängt, mit der Familie zu reden und ihnen langsam im 8. Lebensjahr des Kindes gesteht, dass ‚er‘ eigentlich eine ’sie‘ ist. Ein glückliches Mädchen. Die Familie akzeptiert das Mädchen doch es bleiben Schäden. Bis heute trägt die Oma nur sehr ungern Saree oder Schmuck.

Viele Familien wollen sogar eine Schwiegertochter aus armen Verhältnissen. Ein Mädchen, dass sich ihnen unterwirft und alle Arbeit im Haus erledigt, da sie ärmer ist. Aber es gibt auch Hoffnung. Familien wie Firdous‘ Familie, die ihre Töchter an keine Familie gibt, die Dowry fordert und die von den Schwiegertöchtern kein Dowry fordert und keine großen Geschenke akzeptiert. Alle Lehrerinnen haben erzählt, dass ihre Familien sie nicht an eine Dowry einfordernde Familie gibt. Na immerhin ein Anfang.

 

So ist das Leben. Manchmal so richtig kacke. Aber zum Glück nicht meins 🙂 ich bin super glücklich in Varanasi. Nächste Woche schreiben die Kinder Examen, da habe ich etwas Angst vor… die entscheiden über die Versetzung und mit den Testaufgaben, die ich diese Woche gestellt habe, wären 10/12 Kinder durchgefallen. Die habens leider (noch) garnicht drauf, was halt hauptsächlich am Lehrer liegt. Eben habe ich meinen Anteil der Englischexamen für eine Klasse konzipiert. Wenn sie lernen, sollten sie es locker schaffen. Wenn.

Und das wars wieder. Bis bald!

Julia

Glückliche Julia :D

Woran erkennt man einen veganer?

Er feiert mit Sojamilch und Gemüsechips.

Ja 🙂 und ja, es gibt was zu feiern:

… ich habe ein 6-Monats-Visum bekommen!!! 6 Monate! 😀 Und das, obwohl ich nur 3 Monate beantragt habe 😀

Ich erinnere daran, dass ich in Nepal nur 2 Monate bekommen habe, obwohl ich 6 beantragt hatte…

Tja die Tatsache, dass ich nochmal länger bleiben kann -vorausgesetzt ich kann den Rückflug nochmal umbuchen- macht mich unglaublich glücklich :))) ich musste sogar weinen, als ich es gelesen habe 😀

Aber keine Angst, ich werde nicht bis Ende September hier bleiben. Im Oktober möchte ich schließlich das Studium (Bauingenieurwesen) beginnen und dazu muss ich ein Vorpraktikum machen und dann muss ich ja auch noch umziehen. Fragt mich nicht, wohin. Keine Ahnung 😀 Und dann kommt da noch die Sache mit dem Geld dazu. Hier zu leben, ohne Geld zu verdienen kostet natürlich auch. Das sind also die Gründe, warum ich nicht die vollen 6 Monate ausnutzen werde.

Nochmal kurz zu Thailand, wo ich doch demnächst wieder nur von Indien schwärmen werde 😉

Also in Thailand von A nach B zu kommen, ist ja schon nicht leicht. Weil man sich nicht darauf verlassen kann, dass einem jemand helfen kann. In Indien hab ich einfach ein paar Leute gefragt, wie ich zu Ort X komme, und es hat immer funktioniert, auch wenn es manchmal über Umwege ging. Wenn ich hier jemanden frage, können mir die meisten nicht helfen. Meistens weiß ich nicht, warum. Manchmal wissen sie es halt nicht, manchmal verstehen sie kein englisch. Da habe ich gestern abend etwa 45min gebraucht, um herauszufinden, dass ich mit Buslinie 15 oder 47 von der Haltestelle auf der anderen Strassenseite zurück zum Gastgaus komme. In Indien ist die Hilfsbereitschaft größer. Selbst wenn jemand selber nicht weiß, wie ich von A nach B komme, hilft man mir zumindest damit, dass die Person andere anspricht und die mir zusammen den besten Weg erklären. Klappt hier nicht so 😉

Einmal, als ich im Pick Up hinten drauf saß (die haben da hinten Sitzbänke und ein Dach drangebaut), und der Fahrer seinen kleinen Sohn auf dem Schoß hatte, meinte ein deutscher Mitfahrer (schrecklich. So viele Deutsche hier.) „Das wäre in Deutschland ja unvorstellbar. Wenn der (/die/das???) Airbag aufgeht, ist der Junge tot.“ Worauf ich erstmal lachen musste. Weil ich dachte „haha, als ob’s hier Airbags gäbe“. Und da viel mir auf „oh. Ja. Gibts hier ziemlich sicher. So modern, wie hier alles ist. Die Autos natürlich auch.“ In Varanasi gibts kaum Autos, hauptsächlich Tuktuks, Mottorräder und Fahrradrikshas. Und die Busse, mit denen ich so durch Südindien gekurvt bin, da wäre garantiert niemand vom TÜV freiwillig eingestiegen. Die hätten 1km Sicherheitsabstand gehalten. Und wir es in den Zügen aussieht, habe ich euch ja auf Bildern gezeigt. Voll mit diesen Eindrücken habe ich irgendwie immernoch nicht ‚umgestellt‘ auf ‚Fahrsicherheitstechnisch gilt hier europäischer Standard‘.

Dinge, woran ich merke, dass ich gedanklich nicht aus Indien ausgereist bin:

Vorhin habe ich mich verwirrt umgedreht, als ich gesehen habe, wie ein Restaurant die Aschenbecher polierte.

Ich wunder mich immer wieder, dass es an jeder Ecke Nudeln gibt.

Die Tempel sind so sauber. Und die öffentlichen Gebäude und Strassen.

Ich frage mich, warum Inder keine schlechten Vorbehalte gegenüber Thaifrauen haben. So knapp, wie die in der Öffentlichkeit rumlaufen.

Wenn ich Hilfe brauche, spreche ich Männer an, da indische Frauen kaum englisch sprechen und den ganzen Tag zu Hause sind, deshalb also meist nicht wissen, wie sie mir helfen könnten. Hier ist die Frau allerdings hilfreicher.

Alles ist so mega teuer 🙁

Ich wunder mich über rauchende Frauen.

Ich finde beneidenswert, wie normal es hier ist, dass Männer als Frauen auftreten. Manche sichtlich umoperiert, andere ’nur‘ mit langen Harren, Make-Up und entsprechender Kleidung. Und richtig viele sieht man! In Indien undenkbar!!! Ausser in Mumbai, da habe ich auch 2 gesehen. Aber das ist was ganz anderes, weil Mumbai nicht als Indien zählen sollte. Zu modern, anders als der Rest. Und selbst in Deutschland ist das noch lange nicht so normal.

Ich frage mich ständig, wo die ganzen Bettler sind. Gibts hier einfach nicht in dem Umfang. Habe in knapp 4 Wochen nur 2 gesehen!

 

Noch was komisches: im Bus waren extrasitzplätze gekennzeichnet. Jeweils mit Bild und Unterschrift auf thai. Es gab welche für Rollstuhlfahrer, alte Leute, Schwangere und -Mumien 😀 ja da war einfach eine komplett eingewickelte Person abgebildet. Auf dem Platz saß jemand (die Thais nehmen did Schilder nicht ernst), deshalb hab ich kein Foto gemacht.

Gestern war ich in einem Shopping Center, da gab es moderne Klos. Mit Bedienung, wie für Massagesessel 😀 da konnte die Wassertemperatur eingestellt werden, die Sitztemperatur und lauter so sachen 😀20150331_183250 ja, ich habe gerade tatsächlich ein Bild von einem Klo hochgeladen. Wie tief kann m s n sinken 😀

So, heute nacht fliege ich :))) morgen früh werde ich meine Wartezeit auf einem wohl schönen Friedhof in Kolkata verbringen und am Freitag komme ich in Varanasi an 😀

Bis bald!

20150401_122713 ps. Ich habe einen strassenverkäufer gefunden, der leckeres Pad Thai macht und das fast ohne Öl! Yeah! Schönes Abschiedsessen.