(Fast) verpasst: von Zügen und Melonen

Ich fühle mich overdressed. Das kommt nicht häufig vor in meinem Leben. Vor allem nicht, wenn ich auf Reisen bin, da bin ich eher konsequent underdressed. Ich liege auf meinem Platz (diesmal auf dem richtigen, das wurde mir mehrfach bestätigt) im Nachtzug nach Shalkar und trage eine lange, dünne Hose und ein T–Shirt. Es passt einigermaßen zusammen, aber es ist jetzt auch nicht so, als könnte man das nicht leicht toppen. Aber tatsächlich tragen die meisten meiner Mitfahrer*innen einen Pyjama. Und mit Pyjama meine ich so richtig zusammenpassende Zweiteiler. So etwas befindet sich nicht einmal in meinem Besitz. Wenn man es genau bedenkt, bin ich vielleicht doch eher underdressed. Ich in meiner Alltagskleidung.

Als ich noch am Bahnhof auf meinen Zug gewartet habe, fand ich einen Mann ziemlich aufdringlich. Aber glücklicherweise kamen da gerade auch 4 Reisende an, denen ich die Tage schon beim Einkaufen begegnet war. Zwei Mütter mit ihren Kindern (~7J und ~11J), die deutsch sprechen. Sie haben mich zu sich hergewunken (ich bin ihnen sehr dankbar für die Aufmerksamkeit) und so war ich den Typen los. Leider haben sie einen Zug vor mir genommen, weshalb sie auch gleich wieder weiter sind. Aber den Rest der Wartezeit konnte ich dann trotzdem wieder in Ruhe verbringen. Ruhe – etwas, das ich hier eher zu viel als zu wenig habe – ist mir dann doch lieber, als blöd angemacht zu werden.

Ich drehe mich von Seite zu Seite und fühle mich wie ein Dönerspieß. Ich liege auf einem oberen Gangplatz. Was zur Folge hat, dass ich direkt an einem Fenster liege. Und uns trennt zwar ein roter Vorhang, aber der strahlt ganz schön gut Wärme ab. Es werden abwechselnd mein Hintern und Bauch gut gewärmt. Ich versuche zwar, mir einzureden, dass es wie eine Wärmelampe ist und Wärme mag ich ja. Aber in dem Fall bin ich nur semi begeistert. Die Liege ist etwa 50 cm breit und 1,80 m lang. Die Matrazenauflage ist allerdings etwas breiter und scheinbar liege ich unvorteilhaft, denn ständig rutsche ich. Vielleicht liegt es auch an meinen Dönerspießdrehungen, jedenfalls ist das hier gerade nicht so ideal. Kurz vor meiner Abfahrt habe ich mir noch ein paar Podcastfolgen runtergeladen und ich beginne mit einer. Die Reihe heißt „Are you Garbage“, es werden amerikanische Comedians interviewt und ich finde es extrem nervig. Das ist eine Antiwerbung, hört euch das nicht an. Aber immerhin reden sie auf einer Sprache, die ich verstehe und so lasse ich es laufen. Irgendwie fühle ich mich damit weniger allein unter all den Leuten um mich herum.

Und dann sind da wieder diese kleinen Momente, die für mich das Reisen reisenswert machen. Eine ältere Frau, Sonia, kommt vorbei und unterhält sich ein wenig mit mir. Fragt, wo ich herkomme, was ich mache, ob ich verheiratet sei. Sie spricht recht gut englisch und es ist mir eine Freude, mich mit ihr zu unterhalten. Wie viele Leute hier, kann sie ein paar Brocken deutsch. Ihr Brocken beinhaltet den Satz: „Wie viel kostet eine Flasche Wein?“, eine Freundin habe ihr den Satz beigebracht. Irgendwann verabschiedet sich meine neue Zugbekanntschaft wieder und schon taucht der Kopf meiner lächelnden Liegenachbarin (sie liegt unter mir) auf und sie hält mir ihr Handy hin, wo sie extra auf deutsch übersetzt hat, ob ich mich setzen möchte, dann baut sie ihr Bett wieder in eine Sitzbank mit Tisch um. Ich finde das Liegen aber angenehmer und unterhalten könnte ich mich auch nicht mit ihr, also verneine ich dankend. Am Nachmittag laden mich andere Liegenachbarn zum Tee trinken ein. Das ist sehr lieb, nur leider finde ich grünen und schwarzen Tee scheußlich und sie sprechen kein einziges Wort englisch. Ich kann ihnen auf russisch aber nur erzählen, dass ich Julia heiße, aus Deutschland komme und ein paar willkürliche Dinge benennen (zB. „Das ist eine Katze“). Leider sind hier aber keine Katzen (oder Hunde). Ab und an sieht man Pferde (vielleicht sogar wilde Pferde?) in der Steppe. Aber ich weiß auch nicht, was Pferd heißt. Meine Kommunikationsfähigkeiten sind etwas beschränkt. Ab und an halten wir an Stationen, wo wir ~20 min stehen und man sich Essen und Getränke am Bahnhof kaufen kann. An einer solchen Station steigt beinah der ganze Zug aus und kauft sehr, sehr viele Melonen. Die Leute steigen mit 3-4 Melonen pro Person ein. Wassermelonen (sehr große) und die anderen schauen aus, wie Honigmelonen, nur sind sie so groß, wie die Wassermelonen). Mich beschleicht der Verdacht, einen sehr, sehr guten Deal verpasst zu haben. Falls ihr mal nach Kasachstan kommt: die Station war Chieli.

20 Minuten später. Sonia taucht wieder auf. Juhu! Diesmal zusammen mit einem jungen Mann, dessen Namen ich nicht aussprechen kann. Er ist 18, fährt in ihrem Abteil und spricht ein klein wenig englisch, weshalb Sonia entschieden hat, dass er die Gelegenheit am Schopfe packen und mit mir üben sollte. Und er hat offenbar nichts dagegen, vielleicht kommt ihm die Abwechslung auf der Zugfahrt auch entgegen. Sie fahren nämlich von Almaty (16 Zugstunden vor Turkestan) nach Uralsk (~32 Zugstunden nach Turkestan) mit dem Zug durch. Ein paar junge Mädels in der Nähe hören auch etwas zu und ihnen wird übersetzt. Die Mädels waren auf einem Tanzwettbewerb und haben Pokale dabei, mindestens eine von ihnen hat den ersten Platz belegt! Sie zeigen mir ein Video, wie eine von ihnen einen klassischen, kasachischen Tanz aufführt und damit den ersten Platz belegt. Wir unterhalten uns noch länger, bis wir gegen 11 Uhr schlafen gehen. Diese Nacht schlafe ich wie ein Stein. Zur Sicherheit stelle ich meinen Wecker auf zwei Uhrzeiten, denn ich fahre in eine andere Zeitzone und bin mir unsicher, ob mein Handy rechtzeitig die neue Zeitzone übernimmt (weil streckenweise ja wirklich garkein Netz vorhanden ist). Ich weiß auch nicht, wo die Grenze der Zeitzone ist, und wie das genau funktioniert mit dem Handy. Als ich mit dem ersten Klingeln über die Ortung von Google maps feststelle, dass wir noch ein gutes Stück von Shalkar entfernt sind, bleibe ich aber noch liegen und stehe mit dem 2. Klingeln eine Stunde später auf. In Erinnerung an den gestrigen Abend wache ich mit einem Lächeln auf. Für den Fall, dass ich liebe Leute kennen lerne und ihnen ein kleines Dankeschön geben möchte, habe ich einige Tafeln Schokolade und andere Snacks aus Deutschland im Gepäck. Und davon habe ich noch ziemlich viel über, weshalb ich beschließe, Sonia und dem Kerl sowie den Tanzmädels etwas zu geben. Sonia finde ich einen Wagon weiter, sie schläft noch. Ich schreibe ihr einen kurzen Zettel und hinterlasse ihn mit der Schokolade auf ihrem Tisch. Ein paar der Mädels sowie ihre Trainerin sind schon wach, ihnen gebe ich auch einige Tafeln. Sie freuen sich sehr und geben mir als Andenken ein paar Münzen ihrer Währung und zwei der Mädels schenken mir ihre Armbänder. Und dann sind wir auch schon an meiner Endstation angekommen und winken zum Abschied. Das war eine schöne Zugfahrt.

Ich bin am Bahnhof und hatte zuvor auf Google maps gesehen, dass ganz in der Nähe ein See ist. Mein Plan ist, mich samt Gepäck an den See zu setzen und dort die 5 Stunden bis zum Anschlusszug zu überbrücken. Eventuell mit Zwischenstopp in einem Restaurant oder Cafe. Auf dem Weg zum See merke ich schon, dass ein ganz schön kalter Wind geht. Zum Glück trage ich in den Wandersandalen noch Omas Wollsocken. Angekommen am See stelle ich fest, dass mir trotz Wollschal, den ich zur Decke umfunktioniere, zu kalt ist. Die Restaurants und Cafes haben noch geschlossen, also laufe ich zurück zum Bahnhof. Für den Weg werfe ich mir den Schal als Kopftuch über und ziehe den Hut darüber. Mein Outfit ist heute wirklich schwer zu toppen. Beinahe würde ich so weit gehen und mich als Trendsetter bezeichnen. Zumindest setze ich hier ganz bewusst ein modisches Statement! Am Bahnhof finde ich ein Cafe und frühstücke zwei frittierte Brote mit Kartoffelfüllung und Tee. Dann stehe ich eine Weile in der Bahnhofshalle rum, weil hier mitten an einer Wand eine Steckdose liegt und ich mein Handy laden kann. Etwas später stehe ich wieder hier, um vor meiner Weiterfahrt in einer Stunde nochmal den Akku voll aufzuladen und telefoniere mit einer Freundin. Nach etwa 4 min fragt mich ein Polizist via Google Übersetzer, was ich hier mache und nachdem ich ihm mein Zugticket zeige, deutet er mir gestresst, dass der Zug, der schon eine Weile hier steht, meiner sei, schnappt sich meinen Rucksack und rennt zum Zug. Ich hole meinen großen Rucksack und humple mit dem schweren Teil hinterher. Eine Schaffnerin öffnet dem stürmisch klopfenden Polizisten glücklicherweise eine Tür und erklärt mir gleich 4x, dass ich in Wagon 1 sei und mein Platz in Wagon 3 ist. Ich schätze, sie geht aufgrund meines Verharrens (aka Zusammenpackens) davon aus, dass ich hier in der Tür Wurzeln schlagen möchte. Als ich aufbruchbereit bin, bestätige ich ihr, dass ich in Wagon 3 gehe und finde kurz später auch schon meinen Platz. Ich bin immernoch verwirrt. Ich hatte extra gegoogelt, welche Zeit in Shalkar ist und dort wurde mir angezeigt, dass wir 12:30 Uhr und nicht 13:30 Uhr haben. Weshalb ich davon ausging, dass mein Handy noch die alte Uhrzeit drin hat. Entweder bin ich also doch nicht in einer anderen Zeitzone, Google zeigt die falsche Zeit, ich habe Denkfehler, oder der Zug fährt eine Stunde zu früh. Naja, ich habe auch schonmal beinahe meinen Flug verpasst, obwohl ich schon einige Stunden am Gate war. Irgendwie klappt dann doch immer alles. Meine direkten Sitznachbarn sind Yasmin, ein etwa 5-jähriges Mädchen mit ihren Eltern und Großeltern. Sie steigen auch in Aktau aus, was mich beruhigt – so verpasse ich den Ausstieg bestimmt nicht. Mit Yasmin reisen auch ihre 2 Barbies und sie und benachbarte Kinder spielen zusammen mit ihnen. Auch in diesem Zug haben einige Leute Melonen im Gepäck. Ich finde es ganz angenehm hier. Bisher hat sich noch niemand als englischsprachig geoutet, deshalb ist es recht ruhig für mich. Dafür fahren wir an sehr vielen Pferdeherden vorbei, mittlerweile bin ich relativ sicher, dass sie wild sind. Ab und an kann man auch Kamele sehen. Leider sind sie immer so weit weg, dass man auf Fotos kaum was erkennt. Ich hoffe, dass wir bald wieder einen längeren Halt haben, denn ich habe noch kein Wasser gekauft und wollte auch noch ein Fladenbrot als Abendessen besorgen. Es ist 21:32 Uhr, ich hatte die Hoffnung eigentlich aufgegeben aber wir stehen und ich habe beides kaufen können! Was gut ist, weil mein Getränkevorrat leer ist. Das Fladenbrot ist nicht halb so gut, wie es sei. Könnte, aber ok. Hauptsache Wasser!

Turkestan

Die Nacht im Zug ist durchwachsen. Abends gegen 11 Uhr kommt auf, dass ich auf dem falschen Platz bin, ich hatte auf dem Ticket die falsche Zahl für die Platznummerierung gehalten. Als ich also auf meinen richtigen Platz gehen will, deuten mir der Schaffner und der Familienvater in meinem 4er-Abteil, ich solle bleiben. Also bleibe ich. Die Familie wird,plötzlich nochmal ziemlich aktiv und ich finde nicht unbedingt in einen,ruhigen Schlaf. Gegen 2 Uhr weckt mich dann der Schaffner, jetzt soll ich den Platz wechseln. Also Bett abziehen und das gegenüber liegende beziehen. Die Familie packt derweil ihre Sachen, sie steigen bei der nächsten Haltestelle aus. Ich lege mich in mein neues Bett und nachdem die Familie weg ist und 3 andere Leute ins Abteil kommen, wird es endlich ruhig. Trotzdem werde ich ständig wach und überprüfe, ob ich meinen Wecker eventuell überhört haben könnte. Habe ich nicht. Um kurz nach 7 sollen wir in Turkestan ankommen, um 6 weckt mich der Schaffner und deutet mir, dass ich beim nächsten Halt raus muss. Ich freue mich, dass der Schaffner an mich denkt, hätte es aber auch durchaus für gut befunden, hätte er eine halbe Stunde später an mich gedacht. Aber gut, da ich eh schlecht geschlafen habe, kann ich auch gerne wach sein. Es wird langsam hell und so habe ich noch etwas Zeit, um die ewige Steppe anzuschauen.

Für diese Nacht habe ich mir ein Luxushotel ausgesucht. Es kostet nur 85€ und dann hab ich Abwechslung zum Hostel. Und es schaut auch echt schön aus! Die nähere Umgebung erinnert mich etwas an Wertheim Village, es ist eine kleine Stadt für Touristen. Ich werde fündig und kaufe mir einen Hut. Draußen vor dem Geschäft fragt mich ein Mann, woher ich komme. Er hat drinnen schon gemerkt, dass ich wohl Ausländerin sei und stellt mir direkt seine ca. 14-jährige Tochter vor, mit der ich doch bitte ein wenig reden möge, damit sie etwas englisch üben kann. Gerne doch, sie ist nett. Am Ende empfehlen sie mir noch ein Restaurant und machen sich auf den Weg. Mittlerweile hat die Dämmerung eingesetzt und ich trage meinen Hut in der Hand. Und schon werde ich von einer Frau angesprochen, sie würde gern kurz meinen Hut ausleihen für die Fotos, die ihre Freundin gerade von ihr macht. Das ist eine etwas unerwartete Anfrage, aber warum nicht 😀

Hier die Touristenstadt, in der auch mein Hotel liegt: 

Es ist Sonntag und es regnet. Zum ersten mal, seit ich in Kasachstan bin. Hätte wegen mir auch eine Stunde später einsetzen dürfen, bevor ich in ein preiswerteres Hotel umgezogen bin, aber ok. Es kühlt etwas runter und da die Sonne nicht zu sehen ist, kann ich mal ohne Sonnenschutz raus – auch nicht schlecht. Ich laufe zum Mausuleum vor. Beeindruckend, was die Menschen früher schon für große Gebäude gebaut haben. Ich zahle als Ausländerin 1€ Eintritt und folge erstmal den anderen ca. 10 Leuten, die auch rein wollen. Scheinbar bin ich aber in einer Sitzung gelandet, in der gebetet wird und irgendwelche religiösen Sachen gesagt werden. Upsi. Da wollte ich eigentlich nicht rein. Ich verstehe weder sprachlich, noch sonst, was genau passiert und warte ab, bis die Leute aufstehen und weitergehen. Und dabei stellt sich raus, dass das Mausuleum wegen Bauarbeiten von innen nicht zugänglich ist, man kommt lediglich in 3 Vorräume. Kurz frage ich mich, warum die Verkäuferin der Tickets nichts gesagt hat. Aber vielleicht hat sie das ja und ich hab es -Überraschung- einfach nicht verstanden. Um das Mausuleum herum liegt eine riesige Parkanlage. Perfekt, um sich mit einem Buch hinzusetzen!

Mausuleum:

Am Abend gehe ich in einem Restaurant und im Gegensatz zu vielen Kommunikationsaufnahmen meinerseits, die aufgrund der Sprachbarriere abgeblockt werden, ist meine neue Kellnerin des Vertrauens ganz besonders bemüht, mich gut zu bedienen. Wir schreiben uns über den Google Übersetzer hin und her und sie hört garnicht mehr auf, zu schreiben 😀 ich mag sie. Ich bestelle eine Gemüsesuppe mit Brot. Die Suppe ist eine Brühe mit 2 Scheiben Möhren und einer ganzen Kartoffel drin. Und Dill. Bevor ich hierher kam, habe ich mich nicht recht mit Dill anfreunden können. Aber da hier etwa 85% der Gerichte, die ich bisher gegessen habe, mit Dill gewürzt sind, hab ich mich wohl an den Geschmack gewöhnt. Die Suppe schmeckt gut.

Jetzt haben wir schon wieder Dienstag und ich mache mich gleich auf den Weg zum Bahnhof. Ich fahre mit dem Nachtzug nach Shalkar, um dort morgen Mittag den nächsten Nachtzug nach Aqtau zu nehmen. Ich fahre ans Kaspische Meer, also ganz in den Westen. Da ich die Tage etwas schlapp bin, hoffe ich, in den Zügen viel zu schlafen und wieder ganz fit anzukommen.

Bis dahin viele Grüße aus weiter Ferne!

Canyonhopping und eine neue Freundin

Die Bustüren schließen sich und wir fahren los. Für Donnerstag stehen 3 Canyons auf dem Plan: zuerst Black canyon, dann Lunar Canyon und zum Schluss der größte – Charyn Canyon. Es gibt einen Zwischenstopp, wo wir uns etwas Essen besorgen können, da wir sonst nirgends mehr vorbeikommen. Ich nehme einen Salat mit und habe noch Brot und Knabbergebäck im Rucksack. Kurz vor der Ankunft am ersten Canyon fängt unsere Reiseleiterin wieder an, etwas zu erzählen. Nach etwa 7 min auf russisch erklärt sie uns 4 nicht russisch sprachigen auf englisch, dass wir gleich ankommen, es gibt Toiletten und Treffpunkt am Bus ist um 11:25 Uhr. Das Längenverhälnis der russischen und englischen Durchsagen war jetzt immer etwa gleich. Offenbar braucht man in russisch deutlich mehr Wörter, um das auszudrücken, was in 2 min auf englisch übermittelt werden kann 😀

Wir klappern die ersten beiden Canyons ab, sie sind nicht so groß und man kann auch nur von einem Punkt aus darauf schauen. Deswegen sind sie aber natürlich nicht weniger eindrucksvoll. Ich setze mich auf einen Felsvorsprung und starre auf die Felsen, bis mir auffällt, dass mir eine Frau (etwas jünger als ich) winkt und zulächelt. Wie nett, ich winke zurück. Leider verstehe ich nicht, was sie sagt, aber es stellt sich raus, dass sie sogar deutsch lernt! Und englisch spricht. Jackpot. Sie ist Russin und reist mit einer Freundin zusammen durch Kasachstan. Die beiden hätten mich schon gestern an den Seen gesehen und da aus irgendeinem Grund Fotos von mir gemacht. Und auch gerade hätten sie mich fotografiert, wenn ich möchte, könnten sie mir die Bilder schicken. Ich hinterfrage das einfach nicht, sondern freue mich, Fotos von mir zu bekommen 😀 natürlich ist es sehr sonnig und für meine Vampirhaut bedeutet das, sie möchte maximal geschützt werden. Man sieht also hauptsächlich eine Ansammlung von Stoffen:
Ehrlich gesagt finde ich aber noch eindrucksvoller, dass es hier im Nirgendwo eine Toilette mit Spülung gibt. Weiter geht es zu Sharyn Canyon, dem größten der drei. Hier haben wir 4 Stunden Zeit und können die etwa 2 km bis zum Fluss vor laufen. Die Leute sind recht verteilt und so bekommt man den Eindruck, beinahe allein zwischen diesen hohen Felsen zu laufen. Das gefällt mir. Am Ende angekommen, stehen mehrere Unterstände mit Sitzgelegenheiten, auf denen sich die Leute sammeln. Ich laufe den Fluss etwas weiter vor und setze mich dort unter einen Baum. Und lausche dem Rauschen. Weg vom Lärm der Leute und dafür direkt am türkisfarbenen Fluss, der sich seinen Weg zwischen den rötlichen Felsen schlängelt, finde ich es sehr idyllisch.

Und dann ist die Zeit auch schon wieder rum und wir sitzen im Bus auf dem Heimweg nach Almaty. Neben mich setzt sich ein Mädchen, sie ist 12 Jahre alt und reist mit ihrem Bruder und den Eltern. Sie hatte sich bei der Abfahrt schon neben mich gesetzt und gefragt, ob wir gemeinsam ein Selfi machen könnten. Sie hat also direkt gemerkt, dass ich Ausländerin bin und mein mir unverständliches aber vorhandenes Bedürfnis, als solche wahrgenommen zu werden, endlich erfüllt. Ich mag sie. Während der gesamten 2 Tage, die wir uns ab und an sehen, winkt sie mir immer glücklich zu. Bis sie mich einmal fragt, ob ich jetzt allein im Bus sitze. Als ich bejahe und ihr sage, dass sie sich gerne wieder zu mir setzen könne, lehnt sie allerdings ab und sagt, sie setzt sich neben ihren Bruder. Aha. Bin ich in den Augen einer 12-jährigen also uncooler, als ihr 14-jähriger Bruder. Und schon mag ich sie weniger. Dass sie zum Schluss aber doch wieder bei mir sitzen will und auch kaum aufhören mag, sich mit mir zu unterhalten (sie spricht ein wenig englisch), bringt wieder Pluspunkt ein. Irgendwann wird zum Glück auch sie müde und schläft ein wenig.

Jetzt haben wir Freitag Nachmittag und ich liege im Bett eines Nachtzuges. Wie habe ich es vermisst, auf diese Art zu reisen! Bepackt mit deutlich mehr Snacks, als ich bräuchte, liege ich in einem Viererabteil zusammen mit einem Mann, seinen zwei kleinen Kindern und der Oma. Wir unterhalten uns etwa 5 min über Google, bis das Internet weg ist. Sie wirken nett. Ich habe ein Buch und plane, abwechselnd zu lesen, schlafen und rauszuschauen. Mittlerweile haben wir nicht einmal mehr Netz. Wenn ich es richtig im Kopf habe, gehört Kasachstan zu den am wenigsten dich besiedelten Ländern und es ergibt ja auch irgendwie Sinn, leere Steppen nicht unbedingt mit Netzabdeckung zu versehen.

Morgen früh werde ich in Turkestan ankommen, ich bin schon gespannt, woe groß der Unterschied zur ehemaligen Hauptstadt Almaty ist.

Ich wünsche euch einen guten Start ins Wochenende!

Es geht los!

Es ist Montag Vormittag und ich bin ausgeschlafen. Nach wenigen Nächten im Hostel habe ich mich an die Geräusche im 6er-Zimmer gewöhnt und lasse mich durch sie nicht mehr von meinem Schlaf abhalten. Die Wanderung gestern war wirklich schön aber auch sehr anstrengend. Deshalb mache ich heute einen entspannten Tag um Park! Ich habe mein Buch dabei und war nochmal bei einer anderen Touristen-info. Heute möchte ich also noch weiter schauen, ob ich an weitere Infos komme und etwas weiter planen kann. Diese ganze Planerei nimmt deutlich mehr Zeit und Raum ein, als ich mir das vorgestellt hatte. Aber ich habe ja Zeit, von daher passt es.  Zum Frühstück gehe ich in einen Supermarkt, der hat eine eigene Bäckertheke. Beim Überlegen, wofür ich mich entscheide, spricht mich ein Inder an (der erste offensichtliche Ausländer, dem ich begegne! Juhu!) und fragt, ob ich englisch spreche. Ich antworte, dass ich das tue, nur leider kein russisch kann. Wir lachen beide, da wir vor dem gleichen Verständigungsproblem stehen und unterhalten uns nur kurz, bevor er wieder geht. Er reist mit seiner Familie, sie klappern die touristischen Orte ab und fahren wieder. Haben schon die Tour gemacht, zu der ich morgen Abend aufbrechen werde. Auch er hatte mich erst für eine Russin gehalten. Das finde ich immernoch skurril.

Zu meinem wertvollen Wortschatz der russischen Sprache zählen genau 2 Tiere und das sind Hund und Katze. Und man mag es nicht glauben, aber Duolingo bereitet mich wirklich gut auf den Einstieg in russisch vor, denn genau diese beiden Begriffe habe ich auf dem Weg zur Wanderung innerhalb kürzester Zeit direkt brauchen können. Der Weg zum Start führte an einem Anwesen vorbei, in dem 3 Hunde laut auf sich aufmerksam gemacht haben. Bevor ich sie sehen konnte,  kam mir jemand entgegen und hat mich direkt vor dem Hund gewarnt. Und etwa 20m weiter saß eine süße Katze mitten auf der Straße. Ich habe sie gestreichelt, als ein Auto vorbei wollte und die Katze keinerlei Motivation zeigte, sich von Fleck zu bewegen. Ich habe sie dann zur Seite getragen. Das hat ein Taxifahrer beobachtet, der mir amüsiert irgendwas erzählt hat, das das Wort Katze beinhaltete. Ich habe so getan, als hätte ich ihn verstanden und auch gelacht, wollte nicht ausführlich erklären, dass ich kein russisch verstehe.

Heute ist ein verrückter Tag. Ich habe am Abend ein unangenehmes Telefongespräch vor mir, bin noch ein wenig genervt davon, dass ich immernoch kaum was vom Land gesehen habe und auch ein wenig enttäuscht, dass mir die Leute bisher nicht so sehr weiterhelfen. Dazu kommt, dass ich die Nacht echt schlecht geschlafen habe. Der Plan für heute war, mit einem privaten Führer zu einem See zu fahren und ein paar Stunden dort zu verbringen. Gestern Abend noch hat mich eine Zimmernachbarin (sie spricht englisch, ich kann einfach mit ihr kommunizieren 🤩) gefragt, ob ich mit ihr zu besagtem See fahren mag. Aufgrund mangelnder Motivation und nicht sonderlich ausgeprägter positiver Stimmung meinerseits hätte ich der Einfachheit halber eigentlich diese kleine Tour gemacht, Manuela überzeugt mich aber, dass wir uns stattdessen ein Taxi teilen. Wir kommen gegen 11 Uhr am See an und er schaut schön türkis aus. Irgendwann wollen wir wieder zurück und da beginnt auch schon der spannende Teil. Wie kommen wir wieder zurück? Eine Frage, der ich normalerweise sehr wohlgestimmt wäre. Wo andere Leute sind, kommt man immer irgendwie hin und zurück. Die erste viertel Stunde haben wir aber eher Pech, es fahren nur Autos, die keinen Platz mehr haben. Ein Fahrer bietet uns an, uns für je 10.000 Tenge (20€) die 15 km bis zur nächsten Bushaltestelle mitzunehmen. Eine Frechheit, fürs Taxi hatten wir vom Stadtzentrum aus (insgesamt etwa 23 km) nur 9€ gezahlt. Wir verneinen und entdecken ein Auto mit nur 2 Männern,  die aufzubrechen scheinen. Wir gehen also schnell zu ihnen und der Fahrer spricht auch noch englisch. Jackpot! Leider verneint er aber, uns mitzunehmen, da er einen Klienten fährt. Welcher wiederum sagt, dass sie uns gerne mitnehmen, woraufhin wir einsteigen. Sie machen sogar einen winzigen Umweg, um uns noch eine andere kleine Aussichtsstelle auf den See zu zeigen. Es stellt sich raus, dass der „Klient“ Achmed aus Saudi Arabien ist, geschäftlich ein paar Tage hier ist und glücklicherweise die heutigen Meetings absagen konnte, wodurch er sich von Guide Dan ein wenig die Umgebung zeigen lässt. Und nichts dagegen hat, uns ein Stück mitzunehmen. Entgegen meiner klischeehaften Vorstellung von Männern aus Saudi-Arabien wirkt Achmed weder böse, noch gefährlich – sondern sehr sympathisch 😀 er erzählt, wie er einmal in der Grenzgegend zu Afghanistan war und jemand ihm eine lokale Spezialität Pov (?) auf Weltklasseniveau zeigen wollte. Er ist ins Auto eingestiegen und sie sind immer weiter Richtung Berge und Taliban gefahren. Achmeds Kommentar dazu war in etwa „Wisst ihr, ich bin zwar aus Saudi-Arabien. Aber ich hatte wirklich Angst! Ich dachte, dass ich entweder gleich als Geisel genommen werde oder das beste Pov aller Zeiten essen werde“. Ich finde, damit hat er durchaus Humor bewiesen  und eventuell muss ich mal wieder an meinen Vorurteilen arbeiten. Wir machen einen Zwischenstopp in einem schönen Restaurant auf dem Weg, wo Manuela und ich beschließen, sie als Dank einzuladen. Das funktioniert aber nur mäßig gut, es geht für beide auf garkeinen Fall, dass wir als Frauen hier irgendwas bezahlen. Vielleicht muss ich also doch noch nicht ganz alle Vorurteile begraben. Achmed arbeitet für die Tourismusbehörde Saudi-Arabiens und versucht Werbung für sein Land zu machen. Touristen anzulocken. So spontan fallen mir außer Nordkorea nicht viele Länder ein, bei denen ich mir diesen Job schwieriger vorstelle. Der Gute hat da sicher noch einiges zu tun. Manuela lebt aber schon mehrere Jahre in Saudi-Arabien und sie und Achmed sagen beide, dass sich innerhalb der letzten 3 Jahre viel getan hat im Land. Und dass man sicher reisen kann, wenn man sich die Regeln hält. Mit dieser Begegnung hat Achmed also zumindest schonmal einer potentiellen Touristin sein Landes aut der Bucketlist ein wenig nach oben schieben können. Wir steigen wieder ins Auto ein und sie lassen uns nahe einer Bushaltestelle aussteigen, da sie nun in eine andere Richtung weiterfahren werden. Die beiden waren echt nett und großzügig und ich bin froh, dass Manuela mich überzeugt hatte, die private Tour abzusagen. Dieser Tag entspricht genau meiner Vorstellung vom Reisen, jetzt geht es doch endlich richtig los!

Hier noch ein Bild vom Big Almaty Lake:

Los geht am Abend auch mein Ausflug mit der Reisegruppe. Ich bin sehr gespannt. Das Telefonat zuvor ist gut gelaufen, meine Stimmung ist also wieder auf auf einem Hoch. Den Treffpunkt finde ich einfach. Was mich aber auf ein Thema bringt: Google maps ist hier nicht wirklich zu gebrauchen. Woran es liegt, weiß ich nicht, aber sowohl die Orte als auch die Adressen sind äußerst ungenau. Hier verwendet man andere Apps, die sind um Welten genauer. Ich steige in den Bus ein und stelle bei der Abfahrt fest, dass ein Ehepaar in meiner Nähe sitzt, das deutsch spricht. Vorerst warte ich aber ab mit dem Outing, vielleicht sind sie ja nervig und ich möchte garnicht, dass sie wissen, dass ich sie verstehe 😀

Gegen 2 Uhr morgens kommen wir im Dorf Saty an. Meine Herberge hat ein Waschbecken im Eingangsbereich, sowie ein Plumsklo mit Holzverhausung im Garten. Fehlt eigentlich nur noch, dass ein herzförmiges Loch in die Tür gesägt wurde, um dem Klischee Plumsklo voll zu entsprechen. Wie gut, dass ich Stehklos schon aus Indien gewohnt bin. Wir wohnen 2 Nächte bei einer Familie und ich finde die Art der Unterkunft ziemlich angenehm.

Mittlerweile ist es Mittwoch Vormittag und es gibt Frühstück im Gasthaus. Die Nacht habe ich zusammen mit Rufina (etwas jüngerals ich) und ihrer Mutter Sula in einem 5-Bett-Zimmer geschlafen. Die beiden sind bestimmt eine Stunde nach mir schlafen gegangen und waren auch mindestens eine Stunde vor mir auf. Ich fand die Alternative mit 2 Stunden Schlaf mehr deutlich ansprechender, aber ok. Sie sind sehr ruhig und rücksichtsvoll, daher können sie wegen mir auch die Nacht durchmachen. Zusammen mit dem (vermeintlich) deutschen Ehepaar, das sich aus einem Österreicher und einer Polin zusammensetzt (aber immerhin sprechen sie deutsch, ganz falsch lag ich also nicht) und einem Ehepaar mit der ca. 12-jährigen Tochter und unserer Gastmama sitzen wir am gedeckten Küchentisch. Es gibt eine Art Haferbrei aus Hirse oder ähnlichem mit Kirschen, frittiertem Brot, Fladenbrot und einer Auswahl an Keksen.

Und dann geht es los zu unserem ersten Ziel des Tages: einem See, der in den Bergen liegt und an dessen Stelle mal ein Wald stand, weshalb Stämme aus dem Wasser schauen. Wir fahren mit Minibussen aus der Zeit der Sowjetunion los. Und jetzt kann ich auch besser nachvollziehen, weshalb es keinen öffentlichen Verkehr zu diesen Naturschönheiten gibt. Die Straßen sind für Verkehr eher ungeeignet. Besonders für großen Verkehr. Wir kommen an einem Parkplatz an, um 12:30 Uhr treffen wir uns wieder am Bus. Bis dahin kann jeder machen, wie er/sie mag – das gefällt mir, denn dann hat man ja doch auch seine Freiheit auf dieser kleinen, durchgetakteten Reise.  Die letzten Meter zum See können wir ein Taxi nehmen, reiten oder ein kleines Stück wandern. Ich gehe zu Fuß. Mit jedem Atemzug werde ich aber daran erinnert, dass ich auch hätte reiten können – denn der Weg besteht aus einer Mischung aus Kies, Staub und Pferdemist. Meine letzte Baustoffkunde-Vorlesung ist schon etwas her, aber im Gegensatz zu Zement scheint sich Pferdemist eher weniger zum Binden des Kieses zu eignen. Und so kommt es, dass meine bereits von einiger Tierarten gesegneten Trekkingsandalen und Füße nun mit Pferdemist bedeckt werden. Da Pferde hier aber ein recht gutes Ansehen haben – immerhin sind sie als Transportmittel tauglich und scheinen auch gut zu schmecken – sehe ich es als erneute Segnung. Außerdem komme ich ja gleich an einem See an, da kann ich mich waschen.

Hier ein Bild von Kaindy Lake:

Der See ist wirklich schön, den Pferdemiststaub an den Füßen ist er allemal wert. Ich weiß nicht, auf welcher Höhe wir sind, aber diese Bergkulisse um uns herum rundet das Bild noch ab. Mit den Füßen gehe ich ein wenig ins Wasser, es ist ganz klar und eiskalt. An verschiedene Stellen setze ich mich noch ein wenig hin und lasse die Natur auf mich wirken, während der Großteil meiner Touristenfreunde damit beschäftigt zu sein scheint, möglichst viele Fotos zu machen. Es verteilt sich aber gut an dem See, also soll es mir recht sein. Zurück am Treffpunkt treffe ich meine Zimmernachbarinnen Rufina und Sulu wieder, sie sagen „hello Julia“ und winken. Ich mag die beiden, sie sind sehr positiv gestimmt und winken immer, wenn wir uns wiedersehen. Weil es meinen Namen so auch im russischen gibt, können einige ihn sich gut merken und haben natürlich auch keinerlei Probleme mit der Aussprache. Es ist ungewohnt, im nicht deutschsprachigen Ausland die deutsche Aussprache meines Namens zu hören. Wir fahren zurück in unser Unterkunft und essen Mittag. Es gibt Reis mit Möhren und Fleisch. Für mich wird netterweise um das Fleisch rumgeschöft. Dazu trinken wir Tee. In den wird hier ein wenig Hirse gegeben. Wofür genau, weiß ich auch nicht. Schmeckt neutral. Scheinbar ist etwas witziges passiert, denn Rufina lacht und bekommt sich garnicht mehr ein. Sie entschuldigt sich auch mehrmals für ihr Lachen. Den Anfall wird sie vorerst nicht los, denn selbst kurz später, als sie im Zimmer betet, prustet sie immer wieder los. Das steckt ihrd Mutter und mich an, sodass wir und immer wieder gegenseitig anstecken 😀

Nach einer kurzen Mittagspause fahren wir zu See Nr. 2. Ist ganz nett, aber leider gibt es keinen Weg entlang des Sees, sondern nur einen großen Platz, an dem man Boote mieten kann. Weshalb der See geradezu gepflastert ist mit Booten. Die 3 Stunden verbringe ich größtenteils damit, mit Mama zu telefonieren. Ich weiß nicht, was meine ganzen Mitreisenden getrieben haben, aber etwa 2 Stunden vor dem Aufbruch ist der See bereits ziemlich leer und der Platz ist auch nicht mehr gefüllt mit Menschen.

Hier wollte ich eigentlich noch ein Bild einfügen, aber es lädt gerade nicht. Stellt euch an dieser Stelle also ein Foto von einem See mit Nadelbäumen außenrum vor 😀

Abends gibt es gedämpfte Teigtaschen mit Kartoffel-Kohl-Möhrenfüllung und Mayonnaise. Dazu einen sehr leckeren Salat. Zurück im Zimmer fragt mich Sulu pantomimisch etwas. Was ich verstehe: ihre Tochter hat gepupst und deshalb lachen sie. Ich lache mit, weil die zwei einfach witzig sind. Und Lachen steckt einfach an. Da ich aber keine Frage hierin sehe, bleibt auch eine Antwort aus. Das veranlasst Rufina dazu, mir mit Google zu übersetzen, was ihre Mutter da gerade dargestellt hat: es stellt sich raus, dass das Sprudeln, zeigen auf Rufina und wegwinken für die Frage steht, ob ich mit zum Lagerfeuer gehe. Der letzte Programmpunkt für heute. Ich schätze, wir müssen noch etwas mehr Zeit miteinander verbringen, bis ich die Pantomime richtig übersetzen kann. Das Lagerfeuer wird abgesagt, da der Wind zu stark weht. Ich bin aber auch nicht böse drum, denn schlafen klingt echt auch verlockend.

Pläne stehen Kopf

Und weiter geht es auch schon! Nachdem die ersten Mahlzeiten jetzt nicht unbedingt erfüllend waren, habe ich nun einen neuen Lebensmittelhändler des Vertrauens aufgetan: Kantinen. Ich habe festgestellt, dass es hier Cantinen für jedermann gibt. Ist etwas ungewöhnlich. Aber deutlich preiswerter, und noch wichtiger: man sieht das Essen, das man bestellt. Sehr gut. Hier kann ich mir einfach das Beilagengemüse mit Kartoffeln/Buchweizen/Reis/… bestellen. Ich hatte schon ein wenig gefürchtet, dass ich mich die kommenden Wochen von Brot, Maiskolben und Pommes ernähren werde. Mein Leben hat also gerade eine Wendung angenommen, ich werde ein paar Vitamine zu mir nehmen. Cool.

Es ist Sonntag Abend und ich bin das zweite mal in meiner wundervollen Entdeckung. Hier habe ich den Satz „ich esse kein Fleisch “ nochmal auf russisch verinnerlicht. Der ist glücklicherweise bereits Teil von Lektion 2 auf Duolingo. Ich gehe damit gut vorbereitet auf die Theke zu und als sich mir eine Essensausschöpferin (gibt es ein Wort dafür?) zuwendet, sage ich den Satz. Sie völlig unbeeindruckt, zeigt auf die grünen Bohnen mit Pilzen und sagt „no meat“. Danach zeigt sie auf eine Sauce und sagt das gleiche nochmal. Ich wähle Buchweizen als Beilage zur Beilage aus. Dass ich mehrmals Stop sage, ignoriert sie geflissentlich. Hier bestimmt also die Kantinenfrau, wie viel ich essen werde. Überzeugt mich noch nicht, aber ok. Sie hat Erfahrung, vielleicht sieht sie mir ja an, dass die Augen kleiner sind als der Magen. An der Kasse bin ich vorbereitet und frage direkt, ob ich das Essen noch aufwärmen muss. In Kantine 1 habe ich mein Gemüse am Mittag nämlich kalt gegessen. Hatte mich schon gewundert. Aber dachte dann, vielleicht ist das der Deal. Preiswert, dafür kalt. Erst nach dem Essen ist mir die Mikrowelle aufgefallen. Und eine Frau, die da ihr Essen reingestellt hat. Zur Sicherheit frage ich in Kantine 2 also, ob ich das Essen noch aufwärmen muss (natürlich mit google). Als die Verkäuferin sieht, dass ich mit der Mikrowelle meine Probleme habe, stellt sie sie mir ein. Insgesamt ein sehr positives Erlebnis. Noch ein paar mal üben und ich werde Profi im Kantinenbesuchersein.

Kantine 1:

Es gibt auch endlich einen Plan, wie es zumindest die nächsten Tage weitergeht. Noch in Deutschland hatte ich mir ein paar Dinge rausgesucht, die ich gerne sehen würde. Dazu gehören ein Canyon (ähnlich dem Grand Canyon), eine Region mit einigen schönen Seen, Nationalparks und ein Nationalpark mit einer Wüste. Und ich werde den Großteil dessen, was ich mir für den Verlauf von 3,5 Wochen vorgenommen hatte, innerhalb von 2 Tage im Schnelldurchlauf mit einer kasachischen Reisegruppe und einem russischsprachigen Führer ansehen. Es entspricht also beinahe meiner Vorstellung vom Reisen. Und das beste: die Wüste ist nicht dabei. Dabei ist die sogar besonders, weil sie im Wind Töne erzeugt (daher wird sie auch singende Wüste genannt). Und wer von meiner letzten Indienreise mitbekommen hat weiß, dass ich auch da schon eine Wüste sehen wollte. Gut, da war es eindeutig mein Fehler. Ich war einfach davon ausgegangen, dass sämtliche gelb markierten Flächen auf Google maps Wüste sind. Ist nicht so. Diesmal habe ich mich also extra informiert, aber es soll wohl nicht sein. Irgendjemand hat mir erzählt, dass die Straße dorthin in sehr schlechtem Zustand ist, weshalb keine Fahrten angeboten werden. Muss ich meinen ersten Wüstenbesuch wohl nochmal verschieben 😅 mal sehen, ob das dieses Leben noch was wird. Und auf die 2-Tage-Tour bin ich wirklich gespannt. Dienstag Abend geht es los und Do Abend werde ich zurück kommen. Dann habe ich es endlich hinbekommen, ein Zugticket zu buchen. Am Freitag fahre ich dann direkt mit dem Zug nach Turkestan, das liegt westlich von Almaty. Mich erwartet wohl eine tolle Moschee und insgesamt eindrucksvolle Architektur. Diesmal ganz ohne Reisegruppe. Dass ich dann aber schon praktisch alles gesehen habe, das ich mir mal rausgesucht hatte, wirft dann aber auch die Frage auf, womit die übrigen guten 2 Wochen gefüllt werden. Die Frage bleibt vorerst so stehen. Keine Ahnung.   Das mit der Reiseplanung ist so eine Sache. Ich stelle fest, dass es hier nicht üblich ist, spontan in Unterkünften aufzutauchen. Bzw. ich habe leider keine Ahnung, ob ich das in kleineren Orten tun kann. Und da mir die Kasachen bisher deutlich verhaltener helfen, als ich mir das wünschen würde, traue ich mich gerade auch nicht, es darauf ankommen zu lassen. In einem Land, in dem ich niemanden kenne, möchte ich nur sehr ungern irgendwo ohne Obdach stranden. Und das Problem ist nicht, dass ich mir keine Unterkunft buchen möchte. Ich finde aber außer in den Metropolen keine Unterkünfte, die ich kontaktieren kann (außer vielleicht ganz vereinzelt welche mit horrenden Preisen). Der nette Mitarbeiter der Touristeninfo hat gemeint, dass man in Kasachstan über Instagram Hotels bucht. Wie ich da aber welche finde, entzieht sich aktuell noch meiner Kenntnis. Da habe ich also noch mindestens ein Rätsel zu lösen.  Von ihm habe ich auch einen Stadtplan (so ganz altmodisch auf Papier, als würden wir nicht alle eh Google Maps verwenden) bekommen. Aber auf dem ist der Süden oben und Norden unten. Solche Karten gehören meiner Meinung nach verboten, es gibt Regeln.

Am Abend mache ich auf dem Rückweg von Kantine 2 Halt an verschiedenen Orten der Flaniermeile, über die mein Weg zurück ins Hostel führt. Es spielen einige Musiker, manche mehr, andere weniger gut. Ein Gitarrist singt sehr schön, da setze ich mich eine Weile auf die Bank gegenüber. Etwas weiter spielt eine Band, sie besteht aus Schlagzeug, Saxophon, Posaune, Trompete und einem Bassisten, der rappt. Wilde Mischung, gefällt mir!  Manche Leute wippen mit, die Stimmung ist gut. Und sie spielen so laut, dass ich es selbst im Bett des Hostels eine Straße weiter im Innenhof hören kann. Langsam freunde ich mich mit Almaty an.

Hier ein Bild der Flaniermeile:

Heute Vormittag war ich ausgiebig wandern und morgen werde ich mich zum Ausgleich mit einem Buch in den Park legen, so der Plan. Ich mag Almaty, aber 2 Tage bräuchte ich hier jetzt eigentlich nicht mehr. Mal schauen, was ich am Dienstag noch so an Beschäftigung finde.

Hier ein Bild der Wanderung, die war richtig toll:

Viele Grüße und einen guten Start in die kommende Woche!

Julia

Hallo Kasachstan!

Mein erster Blogbeitrag aus Zentralasien!
Heute ist Tag 5 auf meiner Reise – ich starte in Almaty und fliege in 3 Wochen aus Astana zurück. Wie ich die guten 3 Wochen dazwischen verbringe, steht noch nicht fest.

Es fängt ganz gut an. Der erste Flug geht mit etwas Verspätung von Frankfurt los und wir laden abends in Ankara. Hier werde ich im Transitbereich von einer Frau auf deutsch angequatscht, sie fragt, ob ich das mit dem W-lan hier hinbekomme. Tu ich nicht. Besonders vor dem Hintergrund, dass ich in Deutschland nicht selten von Deutschen auf englisch angesprochen werde (scheinbar schaue ich nicht typisch deutsch aus), finde ich witzig, dass nun direkt angenommen wird, ich spreche deutsch. Am Gate komme ich auch mit einem Mädchen ins Gespräch, sie ist Kasachin. Auch sie startet die Konversation auf deutsch. Entweder die beiden Frauen haben im gleichen Flieger gesessen und mich als einzige mit nicht dunklen Haaren direkt wiedererkannt – oder ich sehe doch deutscher aus, als gedacht. Die W-lan-Frau sitzt kurz später auch  am Gate neben mir. Und dann läuft noch das Ehepaar, welches auf dem ersten Flug neben mir saß, vorbei und winkt mir zu. Ich fühle mich am Flughafen Ankara so, als würde ich mit Bekannten hier durchreisen und nicht allein. Das kommt ein wenig unerwartet.
Ich bin gespannt, welche Nationalität(-en) mir auf meiner Reise noch zugesprochen werden – oder ob meine deutsche Ausstrahlung dominiert.

Es ist 7:51 Uhr und ich sitze an einer Haltestelle der Metrostation irgendwo in Almaty, Kasachstan. Ich weiß, dass mein Hostel nahe einer Metrostation ist und habe die Busfahrer am Flughafen gefragt, ob sie da irgendwo hinfahren. Sie haben mir gedeutet, ich solle einsteigen. Wie schon oft sitze ich in einem Bus, von dem ich weder weiß, wo er genau hin fährt, noch, wo ich aussteigen soll. Irgendwann fällt mir auch auf, dass ich ganz vergessen habe, ein Ticket zu lösen. Das sollte so ca. 150 Tenge kosten (~30 ct) und der kleinste Schein, den ich am Geldautomaten bekommen habe, sind 10000. Ich gehe also davon aus, dass er mir eh nicht wechseln könnte und belasse es dabei.
<span;>Der Bus ist nach wenigen Stationen voll und ich bin mir unsicher, ob der Busfahrer noch im Kopf hat, dass ich bei einer Metrostation raus will und kann eh nicht einschätzen, ob er mich an entsprechender Stelle darauf hinweisen würde. Schaue aus dem Fenster, es ist schön grün. Im Hintergrund der Stadt gehen die Berge steil auf, das schaut echt toll aus. Irgendwann habe ich den Eindruck, dass wir schon eher in die Innenstadt kommen. Kurz später brüllt der Busfahrer an einem Stop etwas, das sehr ähnlich wie Metro klingt. Damit fühlt sich mein übermüdetes ich aber nicht angesprochen, bis wir schon wieder weiter fahren und ich ein Schild zur Metro sehe. Gut, dann steige ich wohl an der nächsten Haltestelle aus. Es gibt genau eine Linie und diese hat 9 Stationen. Ich habe gelesen, dass es die kürzeste Metro der Welt sei. Dafür aber sehr schöne Bahnhöfe, sie sind mit Mosaiken gefliest. Die Fahrt kostet etwa 16 ct.
<span;>Mit Hilfe einer Frau, die glücklicherweise auf Google Maps die genaue Lage meines Hostels raussucht, finde ich mein erstes Ziel. Schlauerweise hatte ich mir die Adresse nicht notiert, wusste aber noch, bei welcher Metrostation ich raus muss und etwa die Straße. Angekommen bin ich dann mit maximaler Übermüdung. Die Nacht habe ich praktisch durchgemacht, weil ich im Sitzen nicht schlafen kann. Und durch die Zeitverschiebung ist es bei meiner Ankunft im Hostel auch schon halb 9 Uhr morgens. Ich beschließe, noch ein wenig zu schlafen und dann ein wenig die Umgebung zu erkunden.

Das mit dem Schlaf stelkt sich dann doch eher als Theorie und weniger als Praxis heraus. In einem 6-Bett-Zimmer ist es wohl nie so wirklich ruhig. Ich bin gespannt auf die Nacht.
<span;>Nach meinen ca. 2,5 Stunden Schlaf breche ich auf. Ab nach draußen und schauen, was es so gibt. Wie es ausschaut, wie ich die Atmosphäre wahrnehme. Es ist deutlich grüner, als erwartet. Und sehr sauber auf den Straßen. Hier in der Innenstadt stehen prunkvolle Gebäude und Wohnhäuser, die so auch in Europa stehen könnten. Hier ein Bild der Uni:

Die Leute in Almaty sprechen russisch, da Kasachstan mal Teil der Sowjet Union war. Außerdem leben hier auch einige Russen, ist mein Eindruck. Soweit, so gut. E<span;>ine Sache überrascht mich aber doch sehr: ich werde als russischsprachig wahrgenommen. Einige Leute gehen davon aus, ich sei Russin. Selten war ich auf einem anderen Kontinent und wurde für mehr oder weniger einheimisch gehalten. Des öfteren werde ich angesprochen und beispielsweise nach einem Weg gefragt. Eine junge Frau (17 Jahre alt) spricht mich im Park an und sie ist die erste und bisher einzige Person (der ich begegne, ausgenommen dem Mitarbeiter der Touristeninfo), die ein wenig englisch spricht. Es ist Freitag und ich genieße es, mich mit jemandem unterhalten zu können. Sie möchte mich auf ein Eis einladen, bei Eis schrillen aber meine Alarmglocken. Ich kann (noch) nicht einschätzen, ob ich das meinem sensiblen Magen-Darmtrakt antun möchte. Ich lehne dankend ab und begründe es mit einer Milchunverträglichkeit. Mein Veganerdasein habe ich für diese Reise erstmal aufs Eis gelegt aber zumindest vegetarisch versuche ich zu essen. Wenn es Möglichkeiten gibt, nehme ich natürlich auch gerne vegan, aber damit möchte ich mich hier nicht allzu sehr einschränken. Immerhin sind meine Russischkenntnisse -sehr wohlwollend formuliert- ausbaufähig. Auf Duolingo bin ich in Lektion 3. Das Alphabet kann ich aber schon einigermaßen, immerhin kann ich damit schonmal Straßennamen oder auch das Kleingedruckte lesen. Und glücklicherweise bin ich schon auf sehr viel Wörter gestoßen, die ich aus anderen Sprachen bereits kenne. Das ist auf jeden Fall hilfreich.

Kommen wir aber nochmal zu meinen ersten Begegnungen mit Kasachen. Ein Grund, weshalb ich hier im Gegensatz zu einigen anderen asiatischen Ländern nicht, wie ein Papagei heraussteche, ist, dass die Leute in Almaty auch recht unterschiedlich aussehen. Von asiatischer Augenpartie mit allen Hauttönen zwischen ganz hell und gut braun gebrannt, bis stroh blond ist gefühlt alles vertreten. Der Kleidungsstil entspricht in etwa unserem, wodurch ich oft gehofft habe, dass ich da gerade vielleicht anderen Ausländern begegne. Aber nein, irgendwann kommt dann doch die Auflösung, wenn ich sie russisch sprechen höre.

Am Mittwoch habe ich mir direkt eine Simkarte mit Internet besorgt. Sehr, sehr wichtig. Jetzt kann ich nämlich mit den Leuten kommunizieren, ohne ihre Sprache (über Lektion 3 hinaus) zu beherrschen. Was für ein Luxus! Im Rahmen meiner ersten Erkundungstour stoße ich auf moderne und teure Einkaufszentren. Und etwas später auf lokale Märkte, die sind mir schon deutlich sympathischer. Ich finde es spannend, im Ausland auf Märkten zu bummeln. Der Googleübersetzer erleichtert mir ganz gut das Leben. Nicht nur auf dem Markt, auch im Gasthaus. Ein wenig unterhalte ich mich mit den Rezeptionistinnen. Die sind mir ursprünglich ziemlich miesepetrig vorgekommen. Nachdem wir aber ein paar Sätze gewechselt haben, sind sie super nett und lächeln mich an. Eine Mitbewohnerin genauso. Über Russland weiß ich, dass die Kultur noch direkter ist als unsere und dass uns dieser Umstand als unhöflich vorkommen kann. Was grotesk ist, wenn man bedenkt, dass es sonst andersrum ist und wir deutschen die unfreundlichen sind. Ich habe den Eindruck, das gilt auch für Kasachstan und ich muss mich daran gewöhnen. Im Ausland bin ich sonst darauf bedacht, höflicher zu sein und jetzt versuche ich, eine vorerst vermeintlich unfreundliche Art nicht persönlich zu nehmen. Auch nicht schlecht.

Aktuell bin ich übrigens noch in Almaty, es stellt sich schwieriger als erwartet heraus, Verkehrsmittel und geeignete Unterkünfte zu finden. Jetzt habe ich langsam den Dreh raus, es ist aber relativ aufwendig. Daher verbringe ich gerade noch viel Zeit mit der Planung meiner weiteren Reise.

Für heute belasse ich es erstmal dabei und werde die Tage weiterschreiben 🙂 Ich freue mich, wenn wer mitliest!
Julia