Home sweet home

So, und schon bin ich wieder zurück in der Heimat. Hallo Augsburg!

Die Rückreise nach Frankfurt verlief problemlos und Mama hat mich morgens am Flughafen abgeholt. Mein Magen hat bei der Ankunft bei meinen Eltern allerdings beschlossen, dass das Leben in Abenteuern vorerst weitergehen soll und da direkt selbst Hand angelegt. Ich habe das Wochenende also mehr oder weniger im Bett oder über die Kloschüssel gebeugt verbracht (bin ich froh über die Entscheidung unserer Vorfahren über die Form unserer Toiletten. Daumen hoch, wirklich. Ich will nicht wissen, wie es ist, sich in ein Loch im Boden übergeben zu müssen). Der Verlauf des Wochenendes – auch wieder was, das ich mir ja anders vorgestellt hatte. Torte und Krautkrapfen haben leider das Gegenteil von den Gefühlen in mir ausgelöst, die im Normalfall zu erwarten wären. Aber gut, es wird besser. Das Wohnzimmer meiner Eltern wurde zwischenzeitlich in einen Gewürzmarkt verwandelt. Unter etlichen Mitbringseln waren eben auch einige Kilo Gewürze dabei und auch, wenn die Packungen verschweißt wurden – der Geruch nach Kreuzkümmel, Koriander, Pfeffer, Kurkuma und weiteren setzt sich noch durch. Und nicht nur hier habe ich indische Eindrücke, auch hat erst der Kindergarten um die Ecke beschlossen, die gesamte Nachbarschaft mit seiner Party zu unterhalten. Im Fließenden Übergang wurde diese von einem Stadtsommerfest abgelöst, das sich scheinbar auch von der indischen Mentalität à la „jeder soll mitbekommen, dass wir hier Spaß haben“ was abgeschnitten hat. Es war also nicht komplett ruhig. Was Mama als laut empfindet, fühlt sich für mich eher leise an und stört auch überhaupt nicht. Vermutlich ist es mir sogar nur deshalb wirklich aufgefallen, weil Mama die Fenster geschlossen hat, damit ich ruhig schlafen kann.   Ruhiger Schlaf. Das ist noch was, das ich als Privileg schätzen gelernt habe. Es fällt mir in Deutschland (außer im Winter, wenn es kalt ist) auch wirklich leicht. Hier liege ich nicht in Schweiß gebadet unter einem Ventilator, der laut rattert. Hier sind keine fliegenden Ameisen, die mich beißen. Oder Mücken in meinem Zimmer (das kam zugegebenermaßen auch selten in Indien vor). Ich werde nicht von einem Muhen geweckt, welches klingt, als stünde eine Kuh neben meinem Bett. Oder einem hupenden Motorrad, das kurz davor ist, mich im Schlaf zu überfahren. Ich habe ja schonmal von dem Wert von Lärmschutzmaßnahmen in Indien gesprochen. Auch, wenn mein Zimmer im 3. Stock war,mit Fenster zur Gasse – es klingt dennoch, als stünde die Kuh gerade neben mir. Dichte Bebauung, Schallreflexion und so. Das Kindergartenfest muss also noch um einiges zulegen, um mich um meinen Schlaf zu bringen!

Mir fällt immer noch auf, wie ich draußen weiße Menschen sehe und mein Kopf sich denkt „oh cool, die sind so wie ich“. Und frage mich, wie sich wohl Menschen fühlen, die dauerhaft in Regionen leben, in denen sie nicht als der Kultur zugehörig gelesen werden. Was mich zu einem anderen Punkt bringt. Die allseits beliebte Frage „wo kommst du her?“. Eine Frage, die hier aufgrund von Rassismus diskutiert wird. Zu der ich keine klare Meinung hatte, mich jetzt aber eher einer Seite anschließen würde. Ich gehöre zu den Leuten, die an anderen Kulturen interessiert ist und vermutlich mit deshalb auch gerne die Wurzeln einer fremden Person erfährt. Trotzdem konnte ich auch vor Indien verstehen, dass die Frage kritisch ist. Dass sie Menschen ausschließt, ihnen die Zugehörigkeit zu meiner Gruppe abspricht. Aber man ey, kann die Frage nerven! Ich weiß nicht, wie oft Menschen, die in Deutschland nicht weiß gelesen werden, das gefragt werden. Ich wurde sie an jedem einzelnen Tag, an dem ich mein Gasthaus verlassen habe, mindestens 3x gefragt. Meistens öfter. Es ist also nicht so, als würde man das einmal klären. Klar, man begegnet ja immer wieder neuen Leuten. Und zumindest weiß ich von Indien, dass die Frage auch keine negativen Motive mit sich brachte. Einfach nur, weil ich weiß bin. Es ist also nochmal anders, als wenn das Menschen in Deutschland gefragt werden. Und es ist auch was anderes, wenn ich mich länger mit Personen unterhalten habe oder gemerkt habe, dass jemand an mir als Person interessiert ist. Natürlich erzähle ich dann gerne, dass ich aus Deutschland komme. Aber die Frage ständig irgendwelchen Fremden beantworten zu müssen (sollen, wie auch immer), ist nervig und anstrengend. Dass ich nun wieder eher dem „normalen“ Aussehen entspreche, freut mich daher irgendwie. Ich gehe in der Masse unter und bin kein Leuchtturm. Juhu!

<span;>Wieder zurück in Augsburg gilt es langsam, mich um einen Job zu bewerben. Der Alltag fängt also langsam wieder an. Ich freue mich darauf. Und besonders freue ich mich darauf, selber zu kochen. Mit mir vertrauten Zutaten. Und die Stille. Das Grün vor meiner Haustür. Ich verlasse das Haus und bin direkt am Fluss. Schön. Ich mag mein Zuhause.

In diesem Sinne – es hat mir wieder eine große Freude bereitet, meine Eindrücke schriftlich festzuhalten und damit noch ein paar ganz objektive Berichte über die indische Kultur zu bieten 😉 es hat mich riesig gefreut zu hören, dass doch so mancher ab und an reingelesen hat 🙂 wer weiß, wann es weitergeht.

  1. Liebe Grüße aus Augsburg!

Mein neuer Lieblingspolizist und Rückweg

Auch die letzten Tage sind noch ziemlich stressig, ich versuche, noch möglichst mit allen Freunden/Bekannten Zeit zu verbringen und verbringe die Vormittage in der Bäckerei um dort ein wenig bei der Kostenkalkulation auszuhelfen.

Dienstag Nachmittag, also dem Tag, an dem ich mit dem Nachtzug nach Delhi fahre, stelle ich am Bankautomaten fest, dass meine Kreditkarte weg ist. Da ich sie nie aus dem Portemonnaie genommen habe (außer eben am Geldautomaten) und alles Geld noch da ist, bin ich sicher, dass ich sie bei der letzten Anhebung im Automaten vergessen haben muss. Das war am gleichen Automaten. Was gut ist: hier sind die Automaten in einem kleinen Raum, der durchgängig von einem Polizisten bewacht wird. Einem Polizisten, der mich vom Sehen her kennt. Ich gebe ihm zu Verstehen (zumindest glaube ich das), dass ich meine Kreditkarte vergessen habe. Er stellt mir irgendeine Frage, die ich auf gut Glück mit meinem Namen beantworte und er öffnet einen Schrank, aus dem er meine Kreditkarte holt und gibt sie mir. So einfach kann es also sein. Ich hatte keine Panik bis dahin, weil mir hier mal die Kreditkarte geklaut wurde und ich Geld von Leuten hier leihen konnte. Einmal bin ich auch hergereist, ohne mir den Code der neuen Creditkarte zu notieren und habe 4 Wochen ohne eigenes Geld verbracht. Ich bin also geübt und weiß, dass es auch ohne geht. Aber als der Polizist mir dann meine Karte überreicht, bin ich trotzdem überglücklich und bedanke mich überschwänglich. Damit hatte ich nicht gerechnet. Später möchte ich ihm Süßigkeiten vorbeibringen, jedoch ist er nicht mehr da.

Mili und Anju bringen mich zur nächsten, größeren Straße und helfen mir bei der Tuktuksuche. Wir finden einen Fahrer und dann bin ich auch schon weg. Irgendwie war der Tag so durchgetaktet, dass ich garnicht begreife, jetzt vorerst wieder nach Deutschland zu reisen. Die Fahrt ist angenehm, ich habe glücklicherweise ein Tuktuk erwischt, in dem ich aufrecht sitzen kann und mir nicht bei jedem Schlagloch den Kopf anschlage. Auch habe ich nicht gerade den Rennfahrer unter den Rikshafahrern erwischt, ich werde also auch seitlich nicht besonders hin- und hergeworfen. Ein Glücksgriff also. Und dann erlebe ich die vermutlich witzigste Zugfahrt, die ich je hatte. Mein ganzes Gepäck verstaue ich unter den Sitzen, freue mich aufgrund der stressigen und nicht unbedingt mit besonders viel Schlaf gesegneten letzten Tage darauf, mich sofort schlafen zu legen. Das ist eigentlich mein Ding, sobald ich in einem Nachtzug bin, schlafe ich. Auch, wenn es erst 6 ist. Milis Mutter hat mir Essen für die Fahrt gekocht, es sind Chapatis mit Bratkartoffeln. Da ich heute auch noch nicht besonders viel gegessen hatte, freue ich mich also auch darauf. Breite mein Bettlaken auf der Pritsche aus, setze mich zum Essen und noch bevor ich loslegen kann, schaut ein Kopf eines jugendlichen Mädchens hervor und fragt, woher ich komme. Beim Aufschauen sehe ich noch mehrere neugierige Blicke von Frauen in verschiedenem Alter. Sie winken. Wir kommen kurz ins Gespräch, dann lassen sie mich aber essen. Anschliekomme ich von meinem Bett runter, um den Müll zu entsorgen und die Hände zu waschen (hier wird ja alles mit den Händen gegessen). Und schon fragt mich eine der Frauen, ob wir ein Foto machen können. Ich stimme zu, sie wirken nett. Und wie es dann so ist, das erste Foto löst immer eine Welle an Motivation in den Leuten näherer Umgebung. Wobei ich überrascht bin, nur drei Frauen machen ein Foto. Dann laden sie mich ein, mich zu ihnen zu setzen, sie wollen mehr über mich erfahren. Zeigen mir Fotos von ihrem Aufenthalt in Varanasi und fragen, wie alt ich sei. Die Gruppe besteht aus 5 erwachsenen Frauen und ihren Kindern, die zwischen 16 und 21 Jahre alt sind. Eine der Mütter stellt mit Bedauern fest, dass ich zu alt für ihren Sohn sei, sonst hätten wir heiraten können. Sie geben mir aber zu verstehen, dass das nur Spaß ist. Sie lachen extrem viel, zum ersten mal gehöre ich zu den Leuten, die im Zug so einen Lärm verursachen. Die gleiche Mutter, die mich mit ihrem Sohn hätte verkuppeln wollen (der direkt neben mir sitzt und dem das ein wenig peinlich ist), fragt nun,ob ich vielleicht jemanden für ihre Tochter wüsste. Neha ist 21, sitzt neben ihrem Bruder und schaut mich auch fragend an 😀 ich erwähne die Existenz meines 23-jährigen Bruders und nach der kritischen Beäugung eines Fotos sind sie glücklich mit dem neuen Fund. Tim, ich hätte da Neuigkeiten für dich 😉 dann wollen sie plötzlich, dass ich ihnen ein deutsches Lied vorsinge. Da ich einigermaßen singen kann und hier eh niemandenkenne, ist es mir nur mittelmäßig peinlich. Das Problem ist nur, dass mein Kopf wie leer gefegt ist, mir fällt kein deutschsprachiges Lied ein. Wir einigen uns darauf, dass auch ein englischsprachiges Lied in Ordnung geht und so fange ich an, Stand Up von Cynthia Erivo zu singen. Bin selber von mir überrascht, dass ich in einem komplett offenen Zug mal ein Lied laut singen würde. Vorbeikommende Chaiverkäufer werden zur Stille ermahnt, um mich nicht zu stören. Ich höre irgendwann auf, dann singen sie ein Lied. Es ist ziemlich witzig, bis ein Polizist kommt und uns mitteilt, dass wir so laut wären, dass sich Passagiere beschwert hätten. Es ist abends, das ist ein Nachtzug und man wolle hier schlafen. Unsere spontane Gesangseinlage endet damit und wir gehen wieder zu Gesprächen über, wobei wir immer wieder versuchen leise zu sein. Mit eher mäßigem Erfolg 😀 und nun fragen die „Kinder“ nach meinem Insta-Account und wollen auch Selfis machen. Es beginnt ein bestimmt halbstündiges Fotoshooting in den unterschiedlichsten Konstellationen. Dann ist es etwa 12 und wir beschließen, schlafen zu gehen. Ich schlafe ziemlich gut, bis ab 4 Uhr etwa im 15-min-Takt irgendwelche Wecker klingeln. Und scheinbar nur mich wecken und nicht die Personen, die den Wecker auf unmenschliche Uhrzeiten und Lautstärken gestellt haben. Ausgeschlafen ist daher leider eher ein Zustand, von dem ich träume. Aber die Mädels hatten auch schon festgelegt, dass ich dann in Deutschland schlafen kann. Wir warten nun also auf unsere Ankunft in Delhi. Und selbst ihnen ist kalt, nicht nur ich sitze hier mit Decke. Die Temperaturregulierung im Zug wird sich mir wohl nie erschließen. Der Morgen verläuft verhältnismäßig ruhig, man merkt meinen neuen Freunden an, dass auch ihnen ein wenig mehr Schlaf gut getan hätte. Schnell werde ich eingeladen, mich wieder zu ihnen zu setzen, aber es ist ruhig. Eigentlich sollte der Zug laut App pünktlich ankommen (um 8:25 Uhr), um 9:53 Uhr wird mir aber mitgeteilt, dass wir um 10 ankommen. Bis dahin wurden in einem plötzlichen Anflug von Hunger oder zumindest Lust auf Snacks lauter ungesunde Snacks verteilt und sobald eine Tüte leer war, wurde auch schon die nächste geöffnet.

Hier ein Teil der Gruppe:

An diesem Punkt habe ich aufgehört zu schreiben. Die plötzliche Energiezufuhr hat uns alle wacher gemacht (mich hauptsächlich dadurch, dass sie wieder mehr und lauter gequatscht haben) und ab und an kam es zu spontanen Gesangseinlagen. Mir ist die perfekte Welle von Juli eingefallen, ein deutsches Lied, dass ich auf meiner ersten Karaoke-DVD hatte. Irgendwo kursiert jetzt ein Video davon, wie ich es zum Besten gebe 😅 mit dem Applaus wurde anschließend immer wieder erwähnt, dass ich das auf meiner Sprache gesungen habe, mehr habe ich nicht verstanden. Es wurde wieder so witzig, wie am Abend und wir haben uns bei der Verabschiedung noch oft zugewunken.

Ich bin also in Delhi. Eine riesige Stadt, die ich nicht gut kenne, da ich hauptsächlich zur Durchreise hier bin. Da Micha hier ein Restaurant hat, dessen Mitarbeiter ich teils kenne, halte ich mich im entsprechenden Viertel auf. Es ist der touristischste Teil der Stadt und entsprechend anstrengend finde ich es, ständig angelabert zu werden. Hier fällt mir erst auf, wie froh ich bin, dass die Leute in Varanasi mich kennen und ich meistens in Ruhe gelassen werde. Und auch woanders werde ich verhältnismäßig wenig angelabert. Das führe ich hauptsächlich darauf zurück, dass ich indische Kleidung trage und abgesehen von meiner Haut- und Haarfarbe nicht besonders touristisch aussehe. Zudem habe ich „are, nahin bhaiya“ für mich entdeckt, die ein genervter Ausdruck für „nein, Bruder“ ist und die meisten aufdränglichen Verkäufer verscheucht. Delhi ist anders, hier ist es extrem touristisch und einer Menge Leute Einkommen hängt von den Touristen ab. Außerdem ist es genau so schmutzig und laut, wie andere Großstädte und damit hält sich meine Motivation, viel Zeit in der Stadt zu verbringen, in Grenzen. Heute stand eine große Shoppingtour auf der To-Do-Liste, ich habe eine Menge Küchenkram besorgt. Ich liebe das Kochen und Backen und wenn es dann Utensilien dazu in ganz günstig gibt, habe ich mich nur schwer unter Kontrolle, nicht alles zu kaufen. Außerdem habe ich große Haarspangen besorgt, weil die hier nur etwa 40 ct kosten und die deutschen Drogeriemärkte mehrere Euro für einen angemessenen Preis halten.

Morgen Abend fliege ich schon zurück! Und überraschenderweise überwiegt in dieser Sekunde die Vorfreude auf die Heimat. Natürlich würde ich auch sehr gerne noch länger hier bleiben, vor allem noch mehr Zeit im Süden verbringen. Aber ich freue mich auch wirklich wieder auf das Leben in einer mir vertrauten Kultur, in der nicht alles irgendwie anstrengend ist, weil ich weiß, wie was funktioniert, niemanden nach Preisen/Wegen/Ticketkäufen fragen muss. Es besteht keine Sprachbarriere und ich muss nicht zusätzlich zu den sprachlichen Hürden auch auf kulturelle Differenzen achten und überlegen, wann ich wie kulturkonform reagiere. Wie ich anderer Leute Verhalten deuten muss. Wie viel Aufmerksamkeit ich dem anderen Geschlecht schenken darf, ohne dass es gleich meint, ich würde mit ihm schlafen. Ich weiß, wie ich an Information komme und bin nicht ständig auf die Hilfe und das Wohlwollen anderer angewiesen. Wenn ich plane, dann geht das meistens auf, weil ich Situationen und Zeiten viel besser einschätzen kann. Außerdem werde ich in meiner (viertel) Kücce kochen und backen. Darauf freue ich mich wirklich sehr! Denn auch, wenn ich froh bin, dass ich in Varanasi und Bangalore ab und an kochen oder backen durfte, so waren es halt doch andere Ausstattungen und ich musste fragen, wo ich was finde. Ich glaube, dass mir all das geballt kommt, da ich die letzten Tage wirklich viel unterwegs war, deshalb jeden Tagesausflug genau geplant habe (so ganz deutsch) und die Pläne kaum funktioniert haben, weil ich auf irgendwas warten musste, jemand mich nicht hat gehen lassen hat, extrem beim Kochen getrödelt hat und ich somit erst um 11 und damit 1 Stunde nach Schließung des Gasthauses ankam, andererseits aber auch nicht früher gegen wollte, weil ich bis dahin wirklich hungrig war und sonst nirgends mehr was bekommen hätte. Das hat mich gestresst. Der Stress fällt dann weg, dafür werde ich mir was neues suchen müssen, in das ich mich rein stressen kann. Da ruft die Jobsuche laut hier.

Da das Internet in meinem billigen Gasthaus in Delhi unterirdisch schlecht ist (mal habe ich eine Verbindung, mal keine und wenn ich eine Verbindung habe, dann ist sie meist so schlecht, dass selbst WhatsApp-Nachrichten mehrere Minuten laden, bis sie empfangen oder verschickt werden können), verbringe ich lieber Zeit im Gebäude, wo auch Michas Restaurant ist. Hier funktioniert es besser und da es dicht umsiedelt von anderen Gebäuden ist, kommt die Sonne nicht hin. Bedeutet, es ist mit Ventilator ganz angenehm. Nachteil: hier gibt es Mücken. In einem Land, in dem Malaria nicht selten vorkommt und in der Regenzeit zu einem besonderen Hochpunkt kommt, eher nicht so cool. Besonders deshalb, weil ich in der Welt der Ungeziefer scheinbar ein sehr hohes Ansehen habe und immer als einzige gestochen/gebissen werde. An dieser Stelle wäre ich für mehr Gleichberechtigung. Dann müsste ich Tage mit nur 2 neuen Stichen nicht als gute Tage bezeichnen. Durch meine hektischen letzten Tage hält es mein Körper mittlerweile für ausgemessen, wenn ich um 8 Uhr nicht mehr schlafen kann. Das entspricht halb 5 Uhr morgens in Deutschland. Vielleicht werde ich also noch zum frühen Vogel!

Jedenfalls konnte ich den Beitrag gestern nicht mehr hochladen, mittlerweile ist es also Donnerstag früh. Heute Abend fliege ich schon zurück!

Zum Abschluss noch ein paar Fotos:

Varanasi, die Hauptstraße zum wichtigsten Tempel:

Varanasi, eine der kleinen Gassen:

Varanasi:

Delhi, Obststände:

Von Bangalore bis Varanasi

So, die Hängemattenzeit ist rum. Ich habe eine andere Schlafgelegenheit gefunden: einen Zug. Heute Nacht fahre ich nach Bangalore, um die Familie einer Freundin zu besuchen. Mit mir und meinen menschlichen Mitfahrern machen sich auch einige Kakerlaken in meinem Wagon auf den Weg. Das hatte ich noch nie im Zug, bin aber ja offen für neue Erlebnisse. Und Tiere mag ich an sich ja auch. Es war ein langer Tag und ich werde gleich schlafen. Ein Taxifahrer hat mich nach Cochin zum Zug gebracht und vorher noch die Stadt gezeigt. Wobei auch eine Shoppingtour dazu gehörte. Die lokale Wirtschaft habe ich jedenfalls mehr als nur angekurbelt.

Und schon ist auch die Zeit in Bangalore wieder rum und ich sitze im Flieger zurück nach Varanasi. Bangalore ist immer ein ganz anderes Erlebnis als Varanasi. Hier habe ich Zeit mit Megs Familie verbracht. Sie haben einen ganz anderen Bildungsgrad, leben in einer schöneren Wohnung und sind halt auch in einer Großstadt und vermutlich allein deswegen schon deutlich offener für den westlichen Lebensstil. Mal davon abgesehen, dass die Tochter seit 7 Jahren in Deutschland lebt. Wir haben Spieleabende gemacht und waren mit Freunden und Familie essen. Die Wohnung liegt am Rand der Siedlung von hohen Politikern, weshalb es quasi keine Stromausfälle gibt. Außerdem haben die Nachbarn einen Ofen, den wir ausleihen durften. Glücklicherweise habe ich vegane Sahne aus Deutschland mitgebracht und so konnten wir eine Zitronentorte und Schokomuffins backen. Das Backen an sich ist zwar nicht so neu, das habe ich in Varanasi auch getan. Aber in Bangalore stehen dabei nicht 10 Leute um mich herum und ich muss nicht bei allen Zutaten fragen, wo sie sind, da ich sie auch so finde. Es ist entspannter. Zudem habe ich beim Backen auch noch Unterhaltung und kann mit Jharu quatschen. Die Küche ist eine offene Wohnküche mit anschließendem Wohnzimmer, in dem Megs Vater sein Dasein mit gebrochenem Fuß vor dem Fernseher fristet. Die Lautsprecher sind an, außerdem telefoniert er mit Lautsprecher und neben mir unterhalten sich Jharu und Megs Mutter. Ich nutze den elektrischen Schneebesen und bekomme einen kurzen Blick vom Vater zugeworfen, den ich wohlwollend als „schön, dass du meinem Sohn eine Geburtstagstorte backst“ auffasse. Das Haus steht nahe an den Gleisen und da man in Schallschutz scheinbar keine Notwendigkeit sieht, klingt es zusätzlich, als wären wir an einem Bahnhof. Es ist also durchaus eine Geräuschkulisse geboten. Das ist etwas, das ich in Indien vermutlich nicht vermissen werde. Stille. Ein kostbares Gut. Die Torte ist irgendwann fertig, die Muffins auch. Abends gehen wir zusammen essen. Holen dafür Ashish und seine Frau ab, außerdem Neha. Sie wird erst 2 min vor unserer Ankunft darüber informiert, dass wir kommen und sie runterkommen soll. Vor ihrem Haus wartend kommt sie auch kurz später runter, bekleidet in bequemen Hausklamotten und Schlappen. Sie steigt ein, fragt, was passiert sei und Karan fährt einfach los. So läuft das hier also mit Verabredungen. Jharu erklärt, dass wir jetzt zusammen essen fahren und sie mitkomme. Was Neha weniger zu schätzen weiß, als wir uns erhofft hatten. Unsere Einladung bezeichnet sie als Kidnapping. Sie war gerade erst von der Arbeit gekommen und fordert, sich zumindest andere Schuhe anziehen zu dürfen. Meiner Meinung nach eine durchaus berechtigte Forderung. Nach dem Versprechen, auch wirklich zurückzukommen, dreht Karan um und wir lassen sie gehen. Dabei organisieren wir die Sitzordnung um, weil wir mit Neha eine Person mehr sind, als das für dieses Auto irgendwelche Ingenieure mal vorgesehen hatten. Tatsächlich kommt sie kurz später zurück und wir fahren weiter. Etwas, das ich im Gegensatz zum Lärm hier sehr schätze, ist, dass im Restaurant mehrere Gerichte gemeinsam bestellt werden und sich jeder von allem nimmt. Das ist normal. Bei der Bestellung wird daher auch gefragt, wie viele Portionen das Gericht hergibt. Ich wäre dafür, dass wir das in der deutschen Kultur auch einführen! Und auch sonst ist das Feeling in der Großstadt anders. Ich werde nicht angestarrt, nicht merklich anders behandelt. Wobei Jharu das nicht unbedingt bestätigen würde. Beim Kauf von Guava (einer Frucht) hat mir der Verkäufer schier endlos Probierstücke geboten. Beim Kauf von Bananenchips habe ich 10% Rabatt bekommen, was sie wohl auch nie erhalten. Und ein Tuktukfahrer hat gesagt, er wolle kein Geld (ich fürchte, tatsächlichmeinen Gräuel ablegen zu müssen)?! Meine elfenbeinfarbene Haut (klingt irgendwie besser als käsig) beschert mir hier finanziell gesehen also zur Abwechslung mal Vorteile. Wer hätte das gedacht?

Schon ist die Zeit im Süden aber auch schon wieder vorbei. Und nicht nur im Süden, generell neigt sich meine Reise dem Ende zu. Was wirklich in Ordnung ist, 6 Wochen sind wirklich genug. Andererseits geht es mir hier gut, ich habe keine Sorgen, bekomme tolles Essen, ich kann mir hier sehr vieles leisten, verbringe wertvolle Zeit mit Freunden und genieße wundervolle Landschaften. Es ist ein Luxus. Und was erwartet mich, wenn ich zurück nach Augsburg komme? Ich werde mich auf Jobsuche begeben. Muss mich um Dinge, wie Versicherungen und Altersvorsorge kümmern. Ich bin 26 und weiß nicht einmal, was nächsten Monat passiert. Sollte aber mein Leben in Rente planen? Puh. Ich weiß ja nicht. Verglichen mit den vergangenen 4,5 Wochen klingt das nicht so sehr nach einem Upgrade. Ungewissheit, was kommt. Ein neuer Lebensabschnitt mit weniger Ferien, mehr freien Wochenenden, festen Arbeitszeiten und weniger Flexibilität. Da würde ich meinen Aufenthalt unter Palmen gerne noch ein wenig verlängern. Warum ich jetzt überhaupt darüber nachdenke, liegt hauptsächlich an meinem Treffen mit Namu, einer Freundin von Megs. Sie hat mich etwa 6 mal in Folge gefragt, wie es mir geht und was ich mache. Sie ist sehr lieb und meinte es nur gut, hat mich aber durch ihr Nachbohren aus meiner Urlaubstraumwelt geholt. Was ok ist, aber auch gerne erst in ein paar Tagen hätte passieren können.

Zurück in Varanasi! Jetzt ist es schon Samstag Abend und in 3 Tagen mache ich mich auf den Heimweg. 3 Tage. Das ist garnicht mal so lange. Jetzt gilt es, noch möglichst viel Zeit mit Freunden zu verbringen und die letzten Aufgaben fürs Projekt abzuschließen. Das bedeutet, dass mein Wecker morgens zwischen 6 und 7 klingelt. Was meiner persönlichen Definition von Urlaub eindeutig widerspricht. Aber erstmal zurück zu Bangalore. Da die Busse die Wochen scheinbar extrem unzuverlässig sind, haben mich Karan und Jharu in ein Taxi zum Flughafen gesetzt. Und man (und mit man meine ich meistens mich) mag es kaum glauben, aber tatsächlich habe ich keinen LBertaschen-Taxifahrer abbekommen. Die knapp 45 min zum Flughafen waren beinahe stumm. Was ich genossen habe, weil immer die selben Fragen kommen und das an sich natürlich vollkommen in Ordnung ist, aber auf Dauer halt auch ein wenig an Unterhaltungsgrad für mich verliert. Nach ca. 30 min Fahrt spricht der gute Mann plötzlich, sagt dass ich mir keine Sorgen machen soll aber die große Straße sei gesperrt und deshalb fahre er jetzt irgendwoanders lang. Ehrlich gesagt veranlasst mich das ‚mach dir keine Sorgen‘ dazu, ein wenig misstrauisch zu werden, weil das noch nie jemand gesagt hat. Sonst fahren die Leute einfach so, wie sie meinen. Und in ca. 93% der Fälle wissen sie es ja auch besser, daher passt das so. Mein Taxifahrer des Vertrauens hat die Kommunikation nun scheinbar für sich entdeckt und fragt, woher ich komme und ob ich Indien möge. Nach meiner Antwort und der Rückfrage, woher er komme und ob man da mit dem Zug hinfahren kann (englisch spricht der Gute leider kaum und meine Hindikenntnisse sind schneller erschöpft, als es mir lieb ist. Außerdemfehlt es mir an Kreativität und Motivation). Die verbleibenden 10 min Fahrt verbringen wir wieder in Stille. Kurz später sitze ich im Flughafen und warte auf das Boarding. Los geht es, als ich mich auf meinen Platz setze, steht das Ehepaar neben mir ganz selbstverständlich auf und wechselt die Plätze, sodass ich als Frau nicht neben einem fremden Mann sitzen muss (ich gehe zumindest davon aus, dass das der Grund ist). Meine neue Sitznachbarin bildet kommunikationstechnisch leider den Gegenpool zu meinem Taxifahrer. Es tut mir zwar etwas Leid und ich finde es auch sehr unhöflich, aber in einer kurzen Gesprächspause setze ich meine Kopfhörer auf und spiele Musik ab. Ich werde sie noch zweimal abnehmen, um ihre Fragen zu beantworten, ehe sie anfängt, mit ihrem Mann Mensch ärgere dich nicht auf dem Handy zu spielen. Nun habe ich meine Ruhe. Schön. Nach 2,5 h landen wir in Varanasi und ich bin begeistert, wie leicht man von Bangalore nach Varanasi kommt – verglichen mit der Hinreise. Dank Ola, einer App wie Uber kann ich mir eine Autoriksha bestellen, die um einiges günstiger ist als die Wucherpreise am Flughafen selbst. Ein wenig aufdringlicher Tuktukfahrer fragt, wo ich hin wolle und als ich es sage und den Preis in der App zeige, nimmt er mich für den gleichen Preis mit. Perfekt. Das Problem an der App ist nämlich, dass bisher außer 1 Fahrer alle meine bisherigen Chauffeure die Karte ignorieren, auf der mein Standort live geteilt wird und immer telefonisch klären wollen, wo ich genau sei und wo ich hin wolle. Da ist das erklären immer schwierig, weil ich nicht weiß, welches hier die bekannten Orte/Läden sind, an denen man sich orientiert. Was meinst zur Folge hat, dass die Leute die gebuchte Fahrt canceln. Ab und an drücke ich daher Leuten mein Handy in die Hand und bitte sie, dem Fahrer zu erklären, wo er hin muss. Aber auch das reicht manchmal nicht aus und es sind noch mehrmals angerufen. So, wie Generation Z nachgesagt wird, Telefonate zu verabscheuen, lieben es Inder. Ein mir unverständliches Phänomen. Bei meinem Aufenthalt im Süden haben sich Freunde beschwert, warum ich sie nicht anrufe? Ja weil ich sie am Telefon eh kaum verstehe. Wegen A deren und B meiner Geräuschkulisse, C ihrer Englischkenntnisse und D der rauschenden Verbindung. Außerdem wüsste ich nicht, was wir besprechen sollten. So viel Spannendes ist da jetzt auch nicht passiert, dass ich nicht die Woche abwarten konnte, bis ich sie wieder sehe.

Was mir noch zu Südindien einfällt. Als ich in diesem wundervollen Resort angekommen war, wurden alle Gäste auf eine Bootstour durch die Backwaters mitgenommen. Allerdings mut einem Motorboot. Es war natürlich schön, aber ein Motorboot ist wirklich nicht das Verkehrsmittel erster Wahl, mit dem ich durch die schöne Natur schippern möchte. Geräusche und so. Nach der Hälfte der Fahrt hat das Paar, das vor mir saß entschieden, lieber ein Youtubevideo zu schauen. Eines, in dem gezeigt wird, wie Leute durch die Backwaters fahren. Manchmal sind mir Menschen echt ein Rätsel. Wir hatten also auch noch musikalische Untermalung dazu (natürlich auf voller Lautstärke). Und dann hat die mittlere von 3 Sprossen meiner Sitzbank beschlossen, dass jetzt ein guter Zeitpunkt zum Aufgeben ist. Ohne merklicher Vorwarnung ist sie einfach gebrochen (genau für sowas im großen Stil gibt es Bauingenieure ^^ Versagen ohne Vorankündigung ist worst case). Ich habe die Rückfahrt insgesamt also etwas weniger genossen. Die restlichen Fahrten durch die Backwaters habe ich dann selber vorgenommen. Nur auf dem Gelände des Resorts, aber das war groß und hat mir schon gereicht. In Ruhe. Langsam. Das ist eher mein Ding.

Zurück in meiner indischen Heimat fällt meinen Freunden mit Bedauern auf, dass ich noch genau so schlank bin, wie bei meiner Ankunft. Sie hatten gehofft, mich in eine Form zu bringen, die sie als „healthy“ bezeichnen. Ich dagegen bin froh, nicht zugenommen zu haben. Bei all den frittiertten Leckereien! Ich glaube, dass jedes Land den Geschmack von Fett für sich entdeckt hat und irgendwann darauf gekommen ist, dass auch ursprünglich gesunde Lebensmittel mit Hilfe eines Fettbads noch besser schmecken kann. Meine wie immer ganz objektive Einschätzung zum weltweiten Vergleich sagt mir aber, dass Indien ganz vorne mit dabei ist, was das Frittieren angeht. Wir haben bei Kartoffeln ja irgendwie aufgehört. Dachten vielleicht, das wichtigste haben wir. Ich kann euch versichern, dass es noch ganz viel anderes gibt, dass frittiert ziemlich gut schmeckt. Umso glücklicher bin ich, davon innerhalb der bald 6 letzten Wochen nicht zu viel gegessen zu haben. Irgendwann (ziemlich spät eigentlich, wenn man bedenkt, wie viel Zeit ich schon in Indien verbracht habe) bin ich darauf gekommen, den Leuten einfach zu sagen, dass das Schönheitsideal in Deutschland anders ist und wir alle schlank sein wollen und Diäten ein weitverbreitetes Ding sind. Dass ich nichteinmal „healthy“ sein möchte, verstehen jetzt zumindest die meisten. Generell habe ich es für mich entdeckt, zu erklären, dass wir in Deutschland manche Dinge anders machen. Wäre ja auch schade, wenn der kulturelle Austausch ein kultureller Monolog wäre. Dass man zum Beispiel bei einer Erkältung keine Bananen essen soll? Daran glauben wir nicht. Dass wir  in der Zeit auch nichts gekühltes zu uns nehmen sollen? Glauben wir nicht. Geister? Daran glauben wir nicht. Ich habe festgestellt, dass es kein großes Ding mehr für die Leute hier ist, wenn ich etwas anders mache, sobald ich erläutere, dass wir Deutschen da so (nicht) dran glauben. Easy. Das hätte mir mal ein paar Jahre früher kommen sollen.

In Varanasi hat es zur Zeit um die 37°, allerdings immer noch mit einer Luftfeuchtigkeit, die meiner Meinung nach deutlich mehr Drama schiebt, als es sein müsste. Es fühlt sich heiß an. Ich habe also wieder auf dem Dach übernachtet. Aus Mangel an Luftgeschwindigkeit vor dem Watercooler. In der Nach bzw morgens um 6 haben mich ein paar Ameisen (oder ähnliche Viecher) durch ein Verhalten geweckt, das ich als wenig sozial einstufen würde. Ich habe nun 4 Bisse, die extrem angeschwollen sind. Zusätzlich nähert sich meine Haut in der näheren Umgebung dem Farbton einer reifen Tomate an. Es ist eine Abwechslung zu all den Mückenstichen, die ich trotz Moskitoschutz habe. Ich bin nun also nicht nur gesprenkelt, sondern habe auch passende Beulen. Immerhin passt alles (einschließlich Sonnenbrand) in ein Farbkonzept. Das muss ich meinem Körper lassen. Gegen 6 Uhr bin ich also runter in mein Zimmer gegangen, um da noch eine Stunde weiter zu schlafen. Aber die Biester haben sich scheinbar mit dem Ventilator abgesprochen, der wollte nämlich nicht und ohne ist Schlaf fast unmöglich. So hat mir Mutter Natur also geholfen, ein paar mehr Momente am Morgen in wachem Zustand zu erleben, als geplant. Am einzigen Morgen, den ich zumindest ein wenig mehr für Schlaf nutzen wollte. Aber gut, schlafen kann ich dann in Deutschland. Es gibt noch mehr zu berichten aber es ist schon 1 Uhr und in 5 Stunden klingelt mein Wecker. Da ich nach der Atacke in meinem Zimmer schlafe, hoffe ich darauf, nicht vorher geweckt zu werden. Um 7 bin ich in der Bäckerei verabredet und durch den ganzen Moskito- und Sonnenschutz brauche ich am Morgen länger, mich fertig zu machen. Gute Nacht und viele Grüße aus Varanasi!

Vom einen ins nächste Paradies

Indien ist ein Land, in dem man innerhalb von knapp 3 h von einem zum nächsten Ort fliegen kann. Diese Orte bilden nicht einmal den nördlichsten und südlichsten Punkt und man ist nach der Reise immernoch im gleichen Land. Verrückt. Selbst Leute hier, die eine sehr gute Bildung genossen haben, kommen ins Staunen, wenn ich ihnen erzähle, dass ich mit dem Auto in 2 h jeweils 3 verschiedene Länder erreichen kann. Klar, wenn man hier 48 h mit dem Zug fährt und am Ende immernoch in Indien ist – da wirkt das absurd.

Ich bin immernoch auf meiner zweiten Urlaub-im-Urlaub-Reise in Kerala. Ich liebe es! Ich war schonmal in dem Staat und weiß daher, dass es schön ist. Aber hier zu sein, ist irgendwie unwirklich. Fangen wir mit Munnar an. Ich habe am zweiten und letzten Tag in Munnar mit meinem neuen Freund Sebastian eine kleine Rundfahrt zwischen verschiedenen Aussichtspunkten mit dem Tuktuk gemacht. Es hat zwar geregnet aber zwischendurch auch mal aufgehört. Was richtig schön war, weil man beobachtet konnte, wie die Wolken zwischen den Bergen herziehen. Und auf den Fotos kommen die Farben mit der vom Regen klaren Luft noch schöner raus.

Sebastian ist nett und erzählt mir, was ihm gerade so einfällt. Auch andere Tutktukfahrer, denen ich in Munnar begegne, sind freundlich und fahren einfach, wenn ich die Notwendigkeit einer Tuktukfahrt verneine. Skurril. Am Ende muss ich noch meinen allgemeinen Gräuel gegen Tuktukfahrer überdenken und meine Meinung ändern. Belastend.

Da ich mittlerweile mit festem Schuhwerk, Regencape und Regenschirm ausgestattet bin, finde ich den Regen hier nicht mehr so störend. Wobei es vermutlich hauptsächlich daran liegt, dass ich weiß, dass ich einen Tag später in ein wärmeres Gebiet weiterfahre. Am Abend nach der Aussichtstour gehe ich noch zur Ayurveda-Massage. Ein Traum. Ein Traum, bei dem ich am Ende für 15 min Sauna bezahle 😁 was ich die letzten 4 Wochen gratis hatte – Hitze – bekomme ich jetzt also gegen Geld. Die gute Frau hat in ihrem Leben wahrscheinlich selten einen so weißen (irgendeine Kosmetikfirma nennt meinen Hautton liebevoll „Knochen“) Körper geknetet. Hier entspricht meine Hautfarbe ja dem absoluten Schönheitsideal. Was einerseits natürlich nachvollziehbar ist mit all dem Rassismus auf der Welt, andererseits krotesk wirkt. Wie wir uns im Westen bräunen und möglichst viel Farbe haben wollen und man hier auch bei 40° Handschuhe und Kopftuch trägt, um nicht noch dunkler zu werden. Ich bin an sich relativ zufrieden mit meiner Körperausstattung. Ausnahme macht nur das Organ Haut. Das will sich mir wirklich nicht erschließen. Hat es weniger als 25°, brauche ich mindestens eine zusätzliche Schicht Klamotten, um nicht zu frieren. Ist es warm – und das bedeutet ja meist auch, dass die Sonne irgendwie involviert ist – bekomme ich einen Sonnenbrand. Meine Haut möchte scheinbar um wirklich jeden Preis bedeckt werden. Das hätte ich mir ja anders ausgesucht. Aber zurück zu Munnar. Die Massage war sehr angenehm und mein Körper glich anschließend irgendwas in Öl eingelegtem. Ich weiß nicht, wie oft ich mir noch die Haare waschen muss, bis der Fettfilm endgültig weg ist.

Sebastian, der Tuktukfahrer hatte mir erzählt, dass es um 6 Uhr morgens einen Direktbus nach Alappuzha gibt. Und wie das halt so ist, man glaubt, was man glauben will. Das passt mir perfekt in den Plan, da Alappuzha nur 2 Busstunden von meinem Ziel entferrnt ist und das bedeutet, dass ich nur 1 x umsteigen muss. Ich stehe also um 5:15 Uhr auf und stehe um 10 vor 6 an der Bushaltestelle. Und warte. Ich frage möglichst viele Leute, welcher Bus nach Alappuzha fährt. In der Hoffnung, dass sie mich in den richtigen setzen werden. Hier wird Malayalam gesprochen, die Schrift schaut ganz anders als hindi oder latein aus. Selber schauen kann ich also vergessen. Mehrere Leute haben gesagt, dass der gefragte Bus weiß sei, diese Info betrachte ich also als verifiziert. Bis irgendwann um 6:30 Uhr ein neuer Mann sagt, dass der Direktbus nicht mehr fahre, aber dafür fährt um 6:50 Uhr ein Bus nach Kottayam und in dem Moment kommt fraglicher Bus auch schon angefahren. Ich setze mich also rein, der Mann erklärt dem Busfahrer, dass ich nach Kottayam will und der nimmt mich nickend mit. Und diesmal bin ich vorbereitet. Der Bus ist fast leer und ich lege mich auf eine Dreiersitzbank hin. Mummel mich in Michas Decke ein und schließe die Augen (noch ein Tipp der aktiven Renter im Internet. Ich denke, mit deren Webseite bin ich bereit für meinen Rentenantritt). Und obwohl wir wieder hin- und hergeworfen werden, schlafe ich tatsächlich ein. Ich kann es selbst nicht glauben. Diese Schlafgelegenheit überholt damit die Dreiersitzbank am Flughafen Delhi um einiges und erhält von mir 4 von 10 Komfortpunkte. Als ich aufwache, wird mir wieder mal extrem übel. Ich esse Kaugummi und höre zur Ablenkung Hörbuch (alles Tipps der aktiven Rentner). Da das nicht schnell genug hilft, esse ich Ingwer und schneide etwas davon in meine Wasserflasche. Man kann mich also an einer Ingwerknolle nagend im Bus beobachten. Irgendwann lässt die Übelkeit nach. Ob es am Ingwer (der roh garnicht mal so lecker ist), dem Kaugummi, der Ablenkung Hörbuch oder allem zusammen liegt, weiß ich nicht. Möglicherweise kommt es auch daher, dass wir endlich nicht mehr in den Bergen sind und mehr als 5 m am Stück geradeaus fahren, anstatt das Lenkrad stetig von links nach rechts und wieder zurück zu kurbeln. Nach knapp 5 h Fahrt kommen wir in Kottayam an und ich stelle fest, dass ich meinem Ziel so sogar näher bin und nur zwei Busse und ein Tuktuk später komme ich an.

Ich habe mir für 2 Nächte einen Bungalow in einem richtig schönen Resort gemietet. Und das war eine der besten Entscheidungen auf meiner Indienreise! Ich bin hier ein bisschen im Nirgendwo zwischen Alappuzha und Cochin und es ist wundervoll. Was zunächst daran liegt, dass wir hier 29° haben und ich nicht mehr friere. Aber hauptsächlich sind hier die Backwaters und Palmen und Meer und das bringt mir das ultimative Urlaubsfeeling. Ich kann mit einem kleinen Boot rumpaddeln (dazu musste ich den Bootsfahrer erstmal überzeugen. Er wollte mich fahren, weil das hier Teil des Service ist und konnte nicht verstehen, dass ich lieber selbst fahren möchte). In kleinen Flussläufen, umzäunt von Palmen und anderen Bäumen. Und gestern habe ich mir ein Fahrrad geliehen. Es hieß bei der Buchung und auch Ankunft, dass sie welche haben. Das war aber scheinbar nicht so gemeint, denn als ich nach einem gefragt habe, meinte der gute Mann an der Rezeption, dass es regne („eh, actually mam, it is raining“ 😀 ) – danke für die Info. Auch hier hat die Regenzeit keinerlei Scheu davor, ihrem Namen gerecht zu werden. Ich sage, dass mir das nichts ausmache, was ihn sichtlich aus dem Konzept bringt. Dann rückt er damit raus, dass es den Fahrradverlei nur im Sommer gibt und nicht in der Regenzeit. Aber er versucht, eins aufzutreiben. Kurz später teilt er mir mit, dass er eins habe, da muss aber noch die Luft aufgepumpt werden, weshalb ich erst in einer Stunde los könnte. Da ich keinen strikten Zeitplan habe (ich weiß ja nicht einmal, wo ich überhaupt hin will), passt das. Und wer hätte es gedacht – nach der dreiviertel Stunde, die sie gebraucht haben, um mein neues Fahrzeug des Vertrauens ansatzweise verkehrstauglich zu machen, hat es aufgehört. Es ist das Fahrrad eines Mitarbeiters. Der scheinbar mindestens einen Kopf kleiner ist, denn größentechnisch würde es sich besser als Laufrad machen. Gänge hat es genau so viele, wie Bremsen: einen. Das ist exakt soviel, wie ich mindestens benötige, sehr gut. Los geht’s. Es ist witzig. Ich fahre durch kleine Orte, in denen die Leute vermutlich nicht an den Anbilck von großen Ausländern auf kleinen Fahrrädern gewohnt sind. Belustigt winken sie mir zu und ein Motorradfahrer kommt mir sogar extra hinterhergefahren, überholt, bleibt stehen und wartet, bis ich ihn wieder überhole. Sagt „hello, mam“, dreht um und fährt wieder seines Weges. Bahnschranken gelten hier nur für Busse, LKW, Autos und Tuktuks lerne ich, und so schiebe auch ich mein Fahrrad an der Schranke vorbei auf die andere Seite. Möchte ja nicht die sein, die anders ist. Bin schon in genug anderen Dingen anders. Mittlerweile habe ich mir eine Runde überlegt, wie ich wieder zurück fahren möchte. Lasse mich hierfür von google maps leiten, da man aufgrund der ganzen Gewässer nicht nach Gefühl fahren kann. Wer weiß, wo die nächste Brücke ist. Es läuft gut. Selbst die kleinen Wege kennt Maps, freue ich mich. So lange, bis ich auf dem Grundstück von Leuten stehe und es alles andere als nach einem Weg ausschaut. Eine junge Frau erklärt mir, dass sie sich hier auch nicht gut auskenne, da sie erst vor 2 Monaten geheiratet habe und dementsprechend lange hier wohnt. Da sei aber ein Trampelpfad hinter dem Haus. Gut, dem folge ich. Bis ich 10 m weiter am Wasser stehe und der Weg, dem ich laut Maps folgen soll, ein etwa 30 cm breiter Betonstreifen inzwischen von Flüssen ist. Ja gut. Das, was Google Maps an Selbstbewusstsein übrig hat, kann es gerne an meine Fahrradbremse abgeben. Die befindet sich nämlich scheinbar in der Selbstfindungsphase und ist sich ihrer Berufung noch nicht ganz bewusst. Weshalb auch überhaupt nicht tragisch ist, dass es keine Gänge gibt. Schnell fahren würde ich mich eh nicht trauen. Ich beschließe also, die Abenteuertour auf anderem Wege fortzusetzen. Das ist mir doch ein bisschen viel Abenteuer auf einmal. Ich halte mich an eher größere Straßen und das bewährt sich. Ich komme am Ende auf die Straße zurück, von der aus mein Resort gut erreichbar ist. Sie ist ganz nah am Meer, man hört den starken Wellengang rauschen. Und man sieht jetzt, wie dunkel der Himmel ist. Ich trete in die Pedale aber die etwa 3 km bis zum Resort bekomme ich das echte Regenzeitfeeling ab. Ich trage mein Regencape und mein Rucksack einen Regenschutz. So ist immerhin ein Teil meines Oberkörpers nicht völlig durchnässt, als ich am Resort ankomme. Jetzt hat es wieder aufgehört, es war nur ein kurzer Schauer. Aber es ist warm, also ist alles gut. Zurück im Bungalow stelle ich fest, dass ich an den Händen und der rechten Wade einen extremen Sonnenbrand abbekommen habe. Mist. Natürlich war ich eingecremt, aber nicht an den Beinen. Dass ich wegen der Kette meine Hose hochkrempeln werde, hatte ich nicht bedacht. Und die Hände sind natürlich durchweg unbedeckt. Ein Tuch habe ich mir unterwegs gekauft, um es als Kopftuch zu verwenden. Aber das geht nicht über die Hände. Tatsächlich habe ich jetzt also noch vor, mir Handschuhe zu kaufen. Bei 30°.

Gerade bin ich übrigens mal nicht im Zug, sondern liege entspannt in der Hängematte (die leider nicht halb so bequem ist, wie man sich das immer vorstellt. Hängematten werden meiner Meinung nach völlig überbewertet. Oder ich lag noch nie in einer guten, wer weiß). Heute checke ich leider wieder aus dem Resort aus. Es war ein richtig schöner Aufenthalt und ich bin froh, meinen inneren Schwaben (das ist teuer und du brauchst das nicht) ignoriert zu haben. Und so langsam wird mir wieder bewusst, wie gut es mir geht, was für ein Glück ich auf dieser Welt habe und dass es jetzt irgendwie wieder ok wäre, zu sterben. Nicht, dass ich das irgendwie fördern wollen würde. Noch vor 4 Monaten habe ich regelmäßig heulend vor dem Laptop gesessen und bin an meiner Masterarbeit verzweifelt. Das ist Geschichte und es fühlt sich auch genauso an. Weit, weit weg. Jetzt geht es mir sehr gut. Ich tue wiedermal nur das, worauf ich Lust habe und genieße mein Dasein. Jetzt zu gehen, wäre irgendwie ok. Schade, aber ok.

Damit man auch weiß, von welcher Naturschönheit ich rede 🙂

Viele Grüße aus dem Paradies!