Europa in Banaras!

Gestern habe ich mich 3 Stunden lang gefühlt, wie in Europa! Kaum zu glauben. Vor allem, wenn ihr jetzt erfahrt, wo. Nämlich im Kino. Ich war ja schon letzte Woche mit ein paar Koreanern dort, weil wir uns zusammen ‚Bang Bang‘ anschauen wollte. Prakash hatte uns nur leider eine falsche Zeit gesagt, weshalb wir uns für Sonntag noch einmal verabredet hatten (über die Feiertage lief nichts). Gestern um 1:30, zu der Zeit wurde der Film letzte Woche angekündigt, war ich also vor dem Kino und stelle fest, dass der Film nicht mehr läuft, dafür aber der Film ‚Happy New Year‘ (Trailer gibt in youtube) um 3:20Uhr. Die Koreaner sind nicht gekommen, was ich aber nicht weiter tragisch fand-immerhin reden sie fast nur koreanisch und da macht es dann auch keinen Unterschied, ob ich jetzt neben koreanisch oder hindi sprechenden Menschen den Film anschaue. Habe mir also das Ticket geholt (konnte zwischen den Kategorien ‚diamond‘, ‚gold‘ und ’silber‘ wählen), da ich Angst hatte, in den niedrigeren Kategorien am Ende auf dem Boden vor der Leinwand zu kauern und meinen Hals ewig zu dehnen habe ich mir für 3€ die Kategorie ‚diamond‘ gegönnt. Man gönnt sich ja sonst nichts 😉 das Kino befindet sich in einem lehrstehenden Kaufhaus. Nur ein Schuhladen ist noch übrig. Es gibt 2 Kinosäle. Ja, zugegebenermaßen musste ich gerade die Pluralform von Saal googeln. Wikipedia sei Dank weiß ich jetzt, dass es „Säle“ ist. Und wieder was gelernt. Ach, wo ich jetzt gerade beim Lernen bin. Kann euch jetzt auswendig sagen, wie man Fahrenheit in Celsius um rechnet. Eigentlich kann man es nicht umrechnen, aber eine Formel nähert sich dem ganzen. Und zwar rechnet man (°C – 32)*5/9. Warum ich das weiß und es euch erzähle, wo es euch vermutlich nicht soo besonders interessiert? Ich habe mir vor kurzem ein Fieberthermometer zugelegt. Normalerweise werden hier noch Glasröhre mit sich ausdehnen der Flüssigkeit verwendet, aber ich habe so ein high-tech-Teil gekauft. Und nicht bemerkt, dass das die Temperatur nur in Fahrenheit anzeigt. Was aber gar nicht schlecht ist, weil wie gesagt: jetzt weiß ich, wie man Fahrenheit in Celsium umrechnet. Mit 103,4F konnte ich nämlich nicht so viel anfagen.

Oh, eigentlich wollte ich ja über den Kinobesuch berichten. Also 2 Säle (ich finde, das sieht komisch aus. Aber wie schon mein Physiklehrer gesagt hat: das muss stimmen, das habe ich aus Wikipedia! Also nehme ich das mal so hin.) und Popkornverkäufer, die außerdem noch belegte Brötchen und anderen Kram verkaufen. Ganz normal. Der Kinosaal war echt riesig (wie in Frankfurt) und die Sitze waren total bequem-man konnte die so cool nach hinten schieben, dass man wie in einem Sessel liegt-also saß ich weder, wie befürchtet auf dem Boden, noch auf Plastikstühlen. Auch die Leute in Kategorie ’silber‘ und ‚gold‘ hatten es nicht schlecht. Sie mussten nur weiter hoch gucken. Der Film sollte um 3:20Uhr beginnen. Um 3:17Uhr war Einlass und-man mag es kaum glauben, schließlich bin ich in Indien-pünktlich um 3:20Uhr begann der Film. Und mit Film meine ich nicht 40min Werbung, sondern den tatsächlichen Film. Den Grund, weshalb ich da war. Der Spass konnte also beginnen! Es war wirklich gut, der Film war zwar auf hindi (dabei fällt mir gerade so auf. Was soll da bitte der englische Titel?), das wusste ich aber vorher. Und wisst ihr was? Ich habe manche Sätze verstanden! Beziehungsweise manchmal auch nur Begriffe, aber ich meine-ich habe etwas auf hindi verstanden! Zwischendrin wurden auch mal ein paar Sätze englisch gesprochen. Aber nicht einmal die hätte ich gebraucht, um den Film zu verstehen. Die Handlung war einfach, es ging um eine etwas chaotische Gruppe von 5 Männern und einer Frau (ich nenne sie mal die Quotenfrau, mindestens eine braucht man ja, um irgendwie eine Liebestragödie in den Film einbauen zu können. Indien ist noch nicht so ‚tolerant‘ wie Europa es mehr oder weniger im Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen ist.). Diese Gruppe plante den Diebstahl von Diamanten, wofür sie an den Tanzweltmeisterschaften teilnehmen musste. Im Publikum des Events hat man sogar eine Deutschlandflagge gesehen 🙂 Es war amüsant, teilweise gab es auch Action-ein Mann besiegt im vorbeigehen 100 Feinde-alles kein Problem. Die fliegen dann halt auch mal wie Obelix‘ Römer 😉 Und wie erwähnt das obligatorische Liebesdrama. Wobei die von mir erwarteten Tanzeinlagen gefehlt haben. Gut, es gab natürlich welche, aber die kamen hauptsächlich deshalb vor, weil es um die Tanzweltmeisterschaft ging. Also hat nicht das gesamte Schauspielertum seine Tänzerhüfte entdeckt, sondern das war mehr ein muss weniger Schauspieler. Weil Tanzweltmeisterschaft. Ihr wisst schon. Die Location und das Aussehen erinnerte nicht wirklich an mein zuhause. An die Menschen und Umgebung von Banaras. Das mag einerseits daran liegen, dass Banaras eine der am heruntergekimmensten Stadt Indiens ist, andererseits daran, dass es doch sehr einem Hollywoodfilm ähnelte. Und in den USA und Europa sieht es nun mal anders aus. Was mich gewundert hat: zweimal wurde Hollywoodmusik im Hintergrund verwendet. Vielleicht ist das etwas, was dazu beiträgt, dass ich mich gefühlt habe, als wäre ich in Europa. Trotzdem lustig. Ich, einzige Ausländerin, schaue mir ein Bollywoodmovie auf hindi in einem Kino in Banaras an und fühle mich europäisch. Ein Mann hat mich vorher gefragt, ob ich denn hindi sprechen bzw verstehen würde. Als ich nein gesagt habe und erklärt habe, dass ich aber gerne mal ein Bollywoodmovie sehen würde (die sind immer in hindi), hat er auch direkt verstanden, warum ich alleine da bin. Meine Freunde verstehen auch kein hindi und wollen deshalb nicht ins Kino. Genau. So ist es. Hier können viele nicht verstehen, wie ich Dinge alleine unternehmen kann. Oder auch einfach mal alleine im Gasthaus relaxen kann. Da kommt mir immer Mitleid entgegen. Zusammen mit dem Angebot, nächstes mal anzurufen, dann machen wir gemeinsam was.

Und nochmal zurück zum Thema ich fühle mich europäisch. Ich habe letztens Guru und Sanjay zum Essen eingeladen. Wir waren in einem indischen Restaurant, von Indern betrieben, in Banaras, Indien. Sie haben indische Gerichte gewählt, ich Lasagne (das Restaurant bot auch manch ausländische Speise an) und da erzählen mir Guru und Sanjay, dass sie sich jetzt total europäisch vorkommen. Ehm. OK. Ich vermute mal aus folgenden Gründen: wir saßen auf Stühlen an einem Tisch und haben mit Besteck gegessen. Wie gesagt, sonst war ja alles indisch. Aber ich glaube sie sind sonst nie in einem Restaurant, sondern kochen selbst oder essen was von der Strasse. Auf der Strasse im Stehen und sonst auf dem Bett oder Boden sitzend. Und natürlich mit der Hand.

Gestern habe ich schon wieder jemanden kennen gelernt, den Julia aus Bad Vilbel auch kennt. Naja, wie hier alle sagen: Varanasi ist eine Kleinstadt, hier kennt jeder jeden. Je nachdem wem man glaubt, hat Varanasi zwischen 1,2Mio und 3,15Mio Einwohner. Aber es ist nicht so, wie in Deutschland. Wo ich nicht einmal alle Nachbarn kenne, die in meiner Strasse wohnen. Hier wohnt man viel näher beisammen, ganze Familien teilen sich einen Raum, mehrere Familien ein einziges Klo. Wenn es denn eins gibt. Wie gesagt, die Strasse bzw Hauswand vom Nachbarn tuts ja auch… Und wenn man so dicht aneinander wohnt, kennt man sich natürlich auch viel eher. Außerdem treffen sich (jedenfalls die Männer) einfach zum Chai auf der Strasse. Generell findet ein Großteil des Lebens auf der Strasse statt. Und hier im Gewusel von Banaras Einwohnern treffe ich wieder jemanden, den Julia auch kennt, wie sich heute rausgestellt hat. Ram studiert an der BHU und hat mich heute etwas kurzfristig dazu eingeladen, mich mit nach Assi Ghat zu nehmen, da sei ein Festival, das nur einmal im Jahr stattfindet und das ich sehen sollte. Gut, warum nicht? Wann denn? Jetzt. Ehm. Wie, jetzt? Ja ich solle zum Monalisa Restaurant kommen (1min vom Gasthaus entfernt) und da kommt er sofort mit seinem Motorrad hin. In 20 min beginne das Festival und es dauert nur 5 Minuten. Aha. Ein Festival in Assi Ghat, das einmal im Jahr 5 Minuten Varanasis Einwohner sowie etliche Touristen anlockt. Gut, da muss ich hin. Es dauerte tatsächlich nicht länger als eine viertel Stunde. Ein Mann ist auf einen im Ganges angebrachten Baum geklettert, von dort in den Ganges gesprungen und dann wurde er von x Helfern auf einer schwimmenden Schlange (vermutlich aus Plastik. Wie so vieles hier) durch den Ganges gezogen. Das war sogar so wichtig, dass der König Varanasi kam und sich das ganze angeschaut hat. Ja, auch ich habe mich gefragt, warum Banaras (habe ich eigentlich schon erwähnt, dass Varanasi und Banaras die selbe Stadt sind? Banaras ist nur der alte Name, der umgangssprachlich häufig verwendet wird) einen König hat. Und was der tut. Außer mit dem Boot zu einem 15 Minütigen Festival gefahren zu werden…

Auch wenn ich nicht weiß, wer eigentlich tatsächlich ein treuer Leser meines so wundervollen Blogs ist 😀 (das ist manchmal komisch. Nicht zu wissen, wer alles an meinem Leben Teil hat.) bzw wer sich irgendwie irgendwann mal hierher verirrt hat- ich freue mich, dass ihr hier seid*!

Julia

*noch schöner wäre es aber natürlich, wenn ihr im realen Leben hier sein könntet. Also so live und in Farbe und so.

Happy Diwali! Und ein paar wenige Kulturunterschiede.

Dipoli. Das ist das Lichterfest. Und Diwali ist das hinduistische Silvester. Das war vorgestern, Dipoli geht mehrere Tage lang. Gestern war also mitten im Jahr Silvester-immerhin gilt auch hier der Kalender, dessen Namen ich nicht weiß, der aber auch in Europa gilt. 🙂 Alle wünsche sich „happy Diwali“ und abends sieht man überall Lichterketten, Kerzen, (da kimmt bei mir schon fast Weihnachtsstimmung auf 🙂 aber nur fast!)bis abends der Höhepunkt komm: das Feuerwerk. Wobei das nicht um Mitternacht beginnt, sondern so gegen 8. Um 9 klang es dann schon langsam ab. Wobei man bis 3Uhr immer noch was gehört hat.

Natürlich habe auch ich Raketen und so einen Kram gekauft. Das war verhältnismäßig echt teuer. Kann aber auch daran liegen, dass ich mich vermutlich mal wieder übers Ohr hauen lassen habe :). Dafür habe ich jetzt 3 neue Freunde-nämlich das Ehepaar, dessen Monatseinkommen ich da vermutlich gesichert habe und ihren Sohn 🙂 tja, leider war das Zeug ein ziemlicher Reinfall. Die Raketen sind, wenn sie denn geflogen sind, 3m weit, nämlich gegen die nächste Hauswand geflogen, die anderen Böller waren nicht so in Stimmung, in die Luft zu gehen. Ist ja Feiertag. 🙂 selbst die Wunderkerzen haben uns im stich gelassen. Was ich aber eigentlich nicht so tragisch finde. Ich mag Böller nicht, habe sie nur für Guru und Sanjay gekauft. Die beiden Spielkinder waren echt enttäuscht. Tja, damit mussten sie dann wohl klarkommen. Der Abend war echt schön, wir haben noch Freunde von ihnen am Ganges getroffen, die armen Kindern Böller verschenkt haben. Glücklicherweise hatten sie noch welche übrig, dann hatten Guru und Sanjay auch noch ihren Spaß 😀 was etwas irritierend war, ist die Tatsache, dass niemand an den Ghats war. Außer uns. Niemand. In Indien. Das macht mir Angst. Mehr, als all die Leute beim Durgafestival. Wo waren die denn alle? Ich geh mal davon aus, dass das familienintern gefeiert wurde. Oder Varanasis Bevölkerung ist für eine Nacht ausgewandert. Auch möglich. Hier weiß man ja nie 🙂

Heute war ich endlich mal bei der BHU, der Uni. Alle meinten, es sei so schön da, ich müsse da mal hin. Als ich aufgewacht bin, war es schon 3 Uhr 😀 da blieb nicht mehr soo viel Zeit, da es ja um 6 schon stockdunkel ist. Also kurz gefrühstückt und mit der Riksha los zur Uni. Riesengroß! Das Unigelände. So groß, dass man mit dem Motorrad, Auto und der Riksha fahren muss, wenn man in absehbarer Zeit wohinkommen will. Ich war im Birla Tempel. Wow! Endlich mal ein Tempel, der beeindruckt! Von außen sieht er echt gigantisch aus, von innen eher ’normal‘. Aber auf jeden Fall sehenswert. Ich hatte keine Kamera dabei, aber nächstes mal zeige ich euch Bilder. Auf dem gesamten Gelände vom Tempel musste barfuß gelaufen werden, da hab ich mich direkt gefragt, wie das wohl im Winter ist, wenn es nur 8° hat. Heute war das ja schon grenzwertig. Bei 27°. Ja ich hab mich tatsächlich soweit an die hohen Temperaturen gewöhnt, dass ich hier bei 27° mit Halbschuhen, der obligatorisch langen Hose, T-Shirt mit langem Shirt drüber und Schal rumlaufe. Und friere, wenn ich dann barfuß laufen muss. 😀 Von den Temperaturen hier könnt ihr ja wahrscheinlich nur träumen 😀

Naja nochmal zurück zum Tempel. Natürlich bin ich durchgelaufen und habe ihn mir von innen und außen angerschaut. Dann habe ich mich auf eine Bank gesetzt und die Leute, die Vögel und den Tempel vor dem sich verfärbenden Himmel beobachtet. Also so ungefähr 5 Minuten lang, bis die ersten von einem europäischen Mädchen begeisterten Inderkamen und ein Foto wollten. Wobei die erste Gruppe eine Gruppe südindischer Touristinnen war, die ich nett angelächelt habe (sie freuen sich immer so, wenn ich sie anlächel und das wiederum freut mich). Was sie dazu veranlasst hat, sich alle um mich herumzustllen und durcheinander auf hindi irgendwas zu mir zu sagen. Ich habe dann gefragt ‚photo?‘ worauf sie alle noch mehr gelächelt und mit dem Kopf gewackelt -also gnickt- haben. Ich ha gewartet, bis jemand die Kamera rausholt und sich leicht von der Gruppe entfernt. Aber nee, nee. Ich soll meine Kamera aus der Tasche holen und ein Foto von ihnen machen. Ehm, OK. Wie gesagt, ich hatte keine Kamera dabei. Nur mein Handy, was eigentlich nicht mein Handy ist, sondern der Schule gehört. Meins ist kaputt. Das, was ich jetzt habe gehört in 5 Jahren in ein Museum über Technik des letzten Jahrtausends. Glücklicherweise hatte es eine Kamera, was hätte ich sonst gemacht? Nur leider ist die Auflösung ungefähr so gut wie die, einer Lochkamera. Man erkennt hell und dunkel. Begeistert waren die Frauen von dem Bild nicht, ich ja auch nicht, aber was soll ich machen. Diese Gruppe war der Auslöser. Dann haben sich alle getraut. Zu mir zu kommen und nach einem Foto (diesmal mit ihrem Handy und sich selbst und mir darauf) zu fragen. Ich bin jetzt quasi ein Star in Indien, alleine heute wurden bestimmt über 20 glückliche Inder neben mir abgelichtet. Wer mich hier noch nicht kennt, dem ist auch nicht zu helfen 😉 Vermutlich bin ich auch in sehr vielen Facebookprofilen auf dem Profilfoto mit drauf. Das ist nämlich etwas, was Inder unheimlich stolz macht. Ausländer zu kennen. Das wird auch jedem, egal, ob er es wissen will oder nicht, direkt erzählt. Mir erzählen ganz viele Leute, wie viele deutsche, englische, französische, australische, keine Ahnung was noch für Freunde haben. Viele führen sogar ein Buch, in das jeder ausländische ‚Freund‘ einen Kommentar hinterlässt. Nee, die Digitalisierung ist hier noch nicht so weit. Und das Buch wird dann rumgezeigt. Wobei ein Foto mit dem Ausländer zusammen noch mehr Wert ist 😉 Und wieder jede Menge Inder glücklich gemacht. Ein Vater wollte unbedingt sein etwa 4jähriges Kind mit mir fotografieren. Das hat aber schon in jungen Jahren ein Schamgefühl entwickelt. OK, nein ehrlich gesagt hatte es Angst vor mir 😀 die einen sehen mich als Star, die anderen fürchten sich.

Das Geschlecht des Kindes konnte ich nicht identifizieren. Kann ich hier oft nicht. Weil indische Mütter oder auch Väter das Bedürfnis haben, ihre Söhne mit Kajal um die Augen zu verzieren. Eher schmieren. Ihre SÖHNE. Ab und zu aber auch die Töchter. Oder das sind Jungs, die wie Mädchen aussehen. Manchmal sieht man Männer mit einem oder auch mehreren lackierten Fingernagel_nägeln. Als ich Bablu deswegen ausgelacht habe -ich meine kommt schon, ein 28-jähriger Mann mit türkisenem Nagellack- hat er gemeint, das sei doch normal, es ist ja auch nur ein Finger. Gut. Dann ist es hier halt normal. ???. Sein Gegenargument gegen meine Feststellung, dass es in Europa eindeutig NICHT normal ist, dass eine Person männlichen Geschöpfs mit lackierten Nägeln durch die Welt spaziert, war, dass es aber europäische Männer mit Nasenlöchern gibt. Gut, das ist ein Argument. Hier hat nämlich jede indische Frau ein Nasenloch, wenn Männer eins haben ist das nicht normal. Ja, so sind die Kulturen halt unterschiedlich. Ein anderer Unterschied ist, dass sich Männer gegenüber (männlichen) Freunden wie in Europa kleine Mädchengegenüber ihren besten Freundinnen verhalten. Sprich Hand in Hand, Hand umarmend auf Schulter und so in der Öffentlichkeit. Wobei das auch Frauen untereinander machen. Trotzdem ist es für mich noch etwas komisch. In Europa würden wir mehr oder weniger tolerant feststellen, dass ’sie wohl schwul sind‘. Dann wären aber praktisch alle Männer hier schwul. Und das ist doch eher unwahrscheinlich 😉

Die Tage ist mir aufgefallen, dass im Oktober ja eigentlich Herbst ist. Aufgefallen ist mir das aber nur, weil mir meine Eltern in Skype erzählt haben, dass es im Allgäu nur 6° hatte. Was würde ich hier nur bei 6° tun? Es hat ja auch niemand Heizungen hier. Vermutlich müsste ich dann in ein Luxushotel flüchten, und mit der dort hoffentlich vorhandene Heizung kuscheln 😉 einen auf beste Freunde machen 🙂 wobei es im Winter ja tatsächlich so kalt wird. Da freu ich mich ja drauf. Wenn es nirgends warm ist, wo man sich mal aufwärmen könnte, sondern auch in den Gebäuden so kalt ist. Aber abwarten. Vielleicht ist es ja doch nicht so tragisch 🙂

Vielleicht ziehe ich bald um. In meine erste eigene Wohnung 🙂 das wäre vermutlich eine 2-Zimmerwohnung mit Küche. Ich habe mir gerade mal eine Liste gemacht, was mir an der Wohnung wichtig wäre. Et voilà: sie muss haben: ein Bett. Sie soll haben: ein eigenes Badezimmer mit ’normaler‘ Toilette (nicht so ein Teil, was im Prinzip nur Loch im Boden ist), mindestens 1 Fenster. Was schön wäre: Küchengeräte, ein Wasserfilter, wifi, ein Dach auf das ich auch darf (hier hat jdes Gebäude eine Dachterasse) und ein Tisch mit Stuhl. Ich vermute, sie wird keine Fenster haben, außerdem komplett leer sein und ein Gemeinschaftsbad mit mindestens halb Varanasi haben 🙂 Mal überraschen lassen, wie sie aussieht. Ich werde auf jeden Fall berichten 🙂

Morgen gehe ich mit ein paar Koreanern aus dem Gasthaus ins Kino. Wir werden den Film ‚Bang Bang‘ schauen. Ein Bollywoodfilm auf hindi. Yeah! Ich bin gespannt, wie das wird 😀 anscheinend ein Actionfilm. Aber hier gilt ja das Gebot, dass in jedem Film alle paar Minuten gesungen und getanzt werden muss. Wie die das in einem Actionfilm umsetzen werden? Mal sehen 😉 Ich habe keine Fernseher in meinem Zimmer, habe nur ein paar mal im Restaurant und in Prakashs Shop fern gesehen. Das war lustig! Natürlich Bollywood. Was sonst? Ich habe zwar nicht verstanden, was gesprochen wird, aber ich wusste, dass es um einen Familien Konflikt ging. Frauen haben sich unterhalten, es klang, als wäre gerade die Hälfte der Familie umgebracht worden und sie planen Jett einen Rachefeldzug. Die Hintergrundmusik erinnerte an Horrorfilme. Ich bin sicher, niemand war gestorben und in Folge dessen wurden auch keine Rachegelüste ausgelebt. Wie gesagt, es ging nur um einen einfachen Familienkonglikt. Vermutlich hat sich Sohn oder Tochter in jemanden einer anderen Kaste verliebt und das ist jetzt Stoff für 2 Stunden Film. Soweit ich mitbekommen habe, sind das die Top-Themen indischer Filme: Liebeskonflikt. Liebeskonflikt. Liebeskonflikt und daraus resultierende Familiendramen. Und Action.

😀

So jetzt sitze ich gerade mit Rajesh, Prakash und einem ihrer Freunde hier unten an der Rezeption. Sie haben was zu essen geholt, mal sehen was es jetzt gleich gibt 🙂 hoffentlich kein Huhn. Das ist ihre Lieblingsspeise :/

Ja, es gibt Huhn. Nur Huhn. Na toll.

Also meine Lieben, schönen Tag und bis bald 🙂

Julia

Das beste aus der Situation machen

Die Gründe, warum ich schreibe. Es fällt mir leichter, mein Erlebtes zu verarbeiten und natürlich möchte ich euch auf dem Laufenden halten und berichten, was in mir und meinem Leben so vorgeht. Wissen lassen, dass alles gut ist 🙂 Und weil es mir Spaß macht. Nochmal die letzten Tage zu reflektieren und einfach drauf los zu schreiben. Das entspannt. Und da ist noch ein Grund. Ein Grund, den ich schon in einem der ersten Beiträge geschrieben habe. Aber da war es was anderes. Ich war erst eine kurze Zeit hier und ziemlich verloren. Verloren bin ich jetzt sicher nicht mehr, schon lange nicht. Wovon ich Rede ist mal wieder die Einsamkeit. Einsam war ich am Anfang, weil ich komplett alleine hergekommen bin und es niemanden gab, der sich um mich gekümmert hat. Der gesagt hat, komm ich zeig dir mal, wie du zur Schule findest. Der einfach nur da war. Aber wie gesagt, das hat mich ja auch stärker gemacht. Jetzt ist es anders. Seit etwas mehr als zwei Monaten lebe ich in Banaras, einer Kleinstadt mit um die 2Mio Einwohnern. Ich kenne mich in diesem Viertel soweit aus, dass ich nicht vollkommen verloren jemanden bitten muss, mich orten zu lassen, um irgendwie gefunden und gerettet werden zu können. Orientierung ist auf jeden Fall da. Menschen kenne ich auch. Recht viele. Da gibt es die Lehrer und anderen Mitarbeiter in der Schule und der BBB. Außerdem die Schüler. Leute, die hier irgendwo wohnen, oder die hier einen Shop besitzen. Leute, die mit dem Gasthaus Besitzer irgendwann irgendwie in Kontakt getreten sind. Oder auch einfach verwandt mit ihm sind. Und natürlich noch Vikki, Guru und Sanjay.

Leute zu kennen, ist gut. Man fühlt sich automatisch wohler. Es gibt einem das gute Gefühl, irgendwie dazu zu gehören. Und ich meine, wer will das nicht? Teil des Ganzen zu sein wünscht sich doch eigentlich jeder irgendwie. Aber man muss das ja differenziert betrachten. Leute zu kenne ist gut, aber bringt einem im Endeffekt nicht viel. Was wirklich etwas Wert ist, was wir brauchen, sind Freundschaften. Menschen, auf die man sich verlassen kann, die einen verstehen, einem helfen. Die in der großen weiten Welt immer an einen denken und zu unterstützen und auch beschützen bereit sind.

Das ist das, was fehlt. Was mir fehlt. Hier. Weil ihr nunmal in Deutschland oder sonst wo auf der Welt seid. Und hier ist es anders. Was eine Neuigkeit. Wahrscheinlich wartet ihr nur darauf, dass ich irgendwann etwas entdecke, was tatsächlich gleich ist. Aber das fällt mir ja wahrscheinlich nicht auf, weil es ja nicht anders als gewohnt ist. Egal. Ich habe Freunde hier, aber das ist nicht das gleiche. Aus so vielen Gründen. Angefangen damit, dass sie alle männlich sind. Klingt jetzt doof. Als hätte ich ein Problem mit dem männlichen Teil der Schöpfung. Nee, habe ich eigentlich nicht. Aber ich bin ja immer noch in Indien und da ist auch schon das nächste ‚Problem‘. Dass ich die Kultur noch lange nicht verstehe und auch nicht abschätzen bzw beurteilen kann, was ’normal‘ ist und was nicht. Jetzt bezogen auf ganz normale Freundschaften. Dass ich immer darauf Acht geben muss, nichts falsches zu sagen, zu zeigen, zu signalisieren. Und deshalb irgendwie leider leicht misstrauisch sein muss. Wirklich muss. Weiter geht es damit, dass wir nicht die gleiche Sprache sprechen. Und so ganz nebenbei eben aus komplett unterschiedlichen Kulturen stammen, unter unterschiedlichen Umständen in unterschiedlichen Umfeldern mit unterschiedlicher Erziehung aufgewachsen sind. Von nicht vergleichbaren Eindrücken und Erlebnissen geprägt wurden. Und in Folge dessen komplett verschiedene Weltansichten haben. Und eben andere Vorstellungen der Definition von ‚Freundschaft‘. Das kann ganz schön anstrengend sein. Es ist anstrengend. Und eben nicht so, wie mit einem Freund aus Europa. Man versteht sich nicht. Als ich von Sophia erzählt habe, war die Reaktion: ich Reise auch oft und habe kein Heimweh. Ich bin oft in Delhi und weine nicht. Ja, herzlichen Glückwunsch. Dass es kein bisschen mit Sophias und meiner Situation zu vergleichen ist, wurde gar nicht verstanden. Schlussendlich läuft es oft darauf hinaus, dass es heißt, ich sei noch so jung und würde ihren Standpunkt deshalb nicht verstehen. In 7 Jahren denke ich genauso. Klar habe ich mit meinen 18Jahren quasi keine Lebenserfahrung. Wie auch? Aber man könnte versuchen mich zu verstehen. Man könnte darüber nachdenken, dass unsere unterschiedlichen Meinungen nicht zwingend daher rühren, dass ich noch nicht so lange lebe. Der Versuch, sich gegenseitig zu erklären und seinen Standpunkt zu verteidigen, wird durch die Sprache natürlich nochmal erschwert. Aber vielleicht erwarte ich zu viel.

Das ist wieder etwas, was ich komplett unterschätzt hatte. Als ich noch in Deutschland war. Neue Freunde zu finden. Menschen zu finden, mit denen man sich versteht. In einer anderen Kultur. Daran habe ich erst garnicht gedacht. Also dass das ein größeres Problem sein könnte. Und wieder was dazu gelernt.

So. Das, was ich jetzt doch recht ausführlich beschrieben habe, ist also der Grund dafür, dass ich mich doch noch oder wieder einsam fühle.

Es gefällt mir hier immer noch echt gut und ich habe immernoch vor, die 8 Monate zu bleiben 🙂 also keine Sorge. Ich denke, das ist jetzt gerade so eine kleine Heimwehphase von mir, die vielleicht auch daher kommt, dass ich mal wieder krank bin und deshalb den ganzen Tag hier nichtstuend rumliege. Das macht auf Dauer aggressiv. Und das wiederum macht mich traurig und dann fange ich an nachzudenken. Darüber, was mich gerade eigentlich nervt. Weil ich eh obligatorisch schlecht drauf bin und mich bei Gott nicht über mein Lebensglück bedanken kann. Da ich ja gerade mies gelaunt bin. Und dann fange ich an, Heimweh zu bekommen. Gibt ja auch niemanden, der sich wirklich um mich kümmert. Verwöhnt und aufmuntert. Wo es mir doch nicht gut geht.

Genug gejammert! Schließlich wusste ich, dass ich alleine herkomme. Ich wollte alleine herkommen. Und dann ist ja auch eigentlich klar, dass ich mich irgendwann einsam fühlen muss. Schließlich ist es das erste mal, dass ich alleine reise. Und dann in eine andere Kultur. Und weit, weit weg von zu Hause. Ich denke, da ist es doch OK, auch nach der Eingewöhnungsphase noch irgendwie seine Heimat zu vermissen und sich etwas alleine zu fühlen.

Also das war mal wieder ein etwas negativer Beitrag. Aber hey, es soll ja abwechslungsreich bleiben 🙂 da kann ich ja nicht immer als Sonnenschein höchstpersönlich vom Sonnenaufgang und all den anderen schönen Dingen hier schwärmen 🙂
Ich vermisse euch! Und freue mich schon, euch nächstes Jahr wiederzusehen! Aber nein, ich komme nicht früher zurück… dafür gefällt es mir doch zu gut 🙂

Oh, noch was aus der Schule: letzte Woche hat eine Lehrerin einen Jungen dabei gesehen, wie er im Bad nicht ins Klo gepinkelt hat, sondern in den Abfluss. Weil er es nicht besser wusste. Die meisten Kinder haben zu Hause keine Toilette sondern gehen auf die Strasse. Jetzt wird allen Kindern gezeigt, wie man aufs Klo geht. Nicole hat damit angefangen und erzählt, dass ein Mädchen zu weinen begonnen hat, als sie die Spülung bedient hat. Sie hatte Angst. Süß 🙂
Aber auch ganz schön traurig. Es ruft doch nochmal mehr ins Bewusstsein, was Armut hier bedeutet. Nicht zu wissen, wie man aufs Klo geht. Für uns unvorstellbar! Auch mit was für einer Art von Problemen die Kinder hier schon so früh konfrontiert werden. Ein Familienvater, 3 Töchter und hochschwangere Frau, hat vor kurzem versucht, sich das Leben zu nehmen. Der Vater von 2 Mädchen, die hier zur Schule gehen. Er lebt noch. Wenn der Vater schon keinen anderen Ausweg mehr weiß, als sich das Leben zu nehmen. Wie soll man damit zurecht kommen? Als Kind? Oder auch auch als hochschwangere Frau? Generell? Überhaupt?
Das sind Probleme, mit denen die Kinder aus der Badi Asha School konfrontiert sind. Und ich finde, mit dem Hintergrund dürfen die Kinder in der Schule Kind sein. Müssen sie. Und dann verstehe ich auch besser, warum der Unterricht lockerer ist. Warum die Schulleitung nicht so streng ist. Warum ein 12jähriges Mädchen kuscheln will. Und ein 10jähriger Junge mich dauerumarmt und am liebsten nicht gehen lassen will. Und das Mädchen, was mir Geld geklaut hat. Warum sie so anhänglich ist. Ich weiß nicht, was ihre Geschichte ist, aber erst jetzt realisierte ich so richtig, was die Kinder durchmachen. Verstehen werde ich es nie können, ich hatte eine behütete Kindheit. Aber ihnen das zu geben, was sie suchen. Das versuche ich. Sie ablenken vom Ernst des Lebens, von ihrem Leben. Sie Kind sein lassen. Dann spielen wir im Flötenunterricht halt nur 15min Flöte und singen und tanzen den Rest der Stunde. Wenn es ihnen mehr Spaß macht. Warum nicht?

Verstehen werde ich hier vieles nicht. Nachempfinden sowieso nicht. Also das beste aus der Situation machen!
Liebe Grüße 🙂

Sich über die kleinen Dinge des Lebens freuen

Sich über die kleinen Dinge des Lebens freuen. Über das scheinbar so selbstverständliche und normale. Wegkommen vom Materialismus, den wir zwar alle verpönen aber von dem wir insgeheim doch nicht wegkommen. Geld ist das, was zählt. Klar, irgendwovon muss man die Familie ernähren, da kommt man ums Geld wohl nicht rum. Aber ist es wirklich das, was am Ende übrig bleibt? Was wir als eins unserer Ziele festlegen, auf die wir hinarbeiten? Sich über die kleinen Dinge des Lebns freuen. Weg vom Materialismus. Das Leben so genießen, wie es ist. Das ist eins der vielen Dinge, die ich erreichen möchte. Worauf ich versuche hinzuarbeiten. Garnicht so einfach. Klingt ja so poetisch und grundsärtzlich würden mir wohl die meisten zustimmen, ebenfalls daraufhinzuarbeiten. Ich denke, von mir behaupten zu können, einen kleinen Schritt in die richtige Richtung getan zu haben. Natürlich mit Hilfe meines neuen zu Hauses. In Deutschland, denke ich, wäre das wohl nicht so schnell gegangen. Man muss eben weg von seinem Leben, von all dem normalen, um zu sehen, was es einem doch wirklich Wert ist.

Bemerkt habe ich es auf dem Weg zum Flughafen, als ich Sophia begleitet habe. Von meiner Sehnsucht nach Natur habe ich ja schon berichtet. Mit dem Tuktuk fährt man etwa eine Stunde zum Flughafen und kommt auf dem Weg an jeder Menge Natur vorbei. Also richtiger Natur, nicht nur einem vereinzelten Baum. Viele Bäume, Gras, Felder. Als ich das gesehen habe, musste ich Sophia ganz verzückt mitteilen, wie schön ich das finde. Das klang in etwa so:“Awww, Bäume!“ begleitet von einem glücklichen Grinsen im Gesicht. Als ich Sophias Reaktion auf meine Begeisterung für die Mutter Natur gesehen habe, ist mir klar geworden, was ich da gerade gesagt habe. So sehr habe ich mich in meinem Leben noch nicht über den Anblick von Bäumen und Gras gefreut 🙂 ja, was habe ich das doch vermisst! OK, Perfekt ist vielleicht die falsche Zeitform. Ich vermisse es immer noch ziemlich. Sich einfach mal auf eine Wiese setzen, auf einen Baum klettern. Schön. Das wollte ich ja heute machen. Hatte ich mir fest vorgenommen. Voll Glück habe ich letzte Woche nämlich einen Baum nicht weit vom Gasthaus entfernt gefunden, dessen einer Ast so komisch wächst, dass man sich darauf setzen und einen wundervollen Blick auf den Ganges genießen kann. Tja, wären da nur nicht die Affen. Die müssen es natürlich versauen, haben den Baum wohl schon vor langer Zeit für sich reserviert. Was bedeutet, dass ich nach 5 min Platz machen musste. Schade. Der Baum hatte nämlich mit nahezu 100%iger Wahrscheinlichkeit die Ehre erlangt, sich mein Lieblingsplatz zu nennen. Jaja, die Affen.

Naja, zurück zur Freude über die kleinen Dinge des Lebens. Ich habe meinen mp3-player mit zum Baum genommen, dachte, ich setzte mich da so schön drauf, höre Musik und beobachte das Umfeld. Aber als ich da war, konnte ich das nicht. Nicht wegen den Affen, die sind ausnahmsweise mal unschuldig. Glück gehabt ;). Die Situation war einfach falsch zum Musik hören. Es war wirklich schön (die 5min), da musste ich einfach alles in mich aufnehmen. Alles beobachten, die Geräusche in mich aufnehmen. Das ist ja wieder etwas, was ich in Deutschland nicht konnte. Mich einfach irgendwo hinsetzen und nichtstuend das Leben genießen. Noch etwas, das ich hier gelernt habe. Und ich muss sagen, es ist schön. So richtig zu entspannen. Ohne im Hintdrkopf zu haben, in 10min zur Schule oder Arbeit gehen zu müssen. Einfach da sitzen und nichts tun. Und sich danach nicht schuldig fühlen, weil man die Zeit ‚verschwendet‘ hat. Nicht darüber nachdenken, was man alles ’sinnvolles‘ hätte tun können. Was ist sinnvoll und was nicht? Das muss doch jeder für sich selbst entscheiden. Und selbst wenn man für sich herausgefunden hat, was sinnvoll ist und was nicht, darf man dann nicht auch mal etwas tun, was unter der Spalte ‚leider nicht sinnvoll‘ verbucht ist? Sinnlos ist doch eigentlich nichts. Also ‚verschwendet‘ man doch auch keine Zeit.

Sorry, irgendwie bin ich gerade auf die philosophische Schiene geraten. Das passiert häufiger, seit ich hier bin. Ich fange an, viel mehr über das Leben nachzudenken. Über das, was ich wirklich will, was ich erwarte, was ich persönlich erreichen will. Kommt wahrscheinlich davon, dass ich frei bin. Frei von Verpflichtungen, frei von selbst auferlegten Zwängen. Weil ich ein neues Leben begonnen habe, das meinem alten nicht sonderlich ähnelt.

Da kommt man schon ins Grübeln. Wie soll es weitergehen? Was kommt nach dieser Zeit, die ich hier in Banaras verbringen? Wie möchte ich leben, wenn ich zurück in Deutschland bin? Und was möchte ich auf lange Sicht gesehen? Fragen über Fragen. Und Antworten lassen sich da nicht mal eben finden. Dafür bedarf es einer Menge Grübelei. Meine lieben indischen Freunde sagen mir ständig, ich würde zu viel nachdenken. Ich solle weniger nachdenken und mehr relaxen. Dann sei ich auch nicht so müde. Und schwach. Schwach, weil ich vor kurzem umgekippt bin. Und jetzt machen sie sich Sorgen und versuchen mir ständig lieb gemeinte Tipps zu geben, was ich tun soll, um nicht mehr so schwach zu sein. Süß. Das stärkt auf jeden Fall das Heimatgefühl. Zu wissen, dass es jemanden gibt, der sich Sorgen macht. Aber mit dem Tipp, ich solle weniger denken, kann ich noch nicht so viel anfangen. Wobei ich mit meinem ’nichtstuend das Leben genießen‘ vermutlich auf dem richtigen Weg bin. Nichtstun klappt schon mal, muss ich nur noch das Denken abstellen. Nur noch :). Keine Angst, nur mal kurz. So zum Abschalten, Entspannen, was auch immer. Ich denke, das ist ein Teil des Lebensstils, den ich anstrebe. Auch mal komplett abschalten können, ohne im allgemeinen Stressstrom der Gesellschaft mit zu schwimmen. Mal sehen, wie das so klappt, wenn ich wieder zurück bin. Wobei das ja erstmal hier klappen muss 😀 bzw soll. Ich will mich ja nicht unter Druck setzen 🙂

Nochmal zurück zur Freude über die kleinen Dinge 🙂 letzte Woche hat mir Rajesh, der Gasthausbesitzer, ein Regal gebracht. Für mein Zimmer. Super nett! Ich meine, mittlerweile bin ich in einem Raum, der eingemauerte Regalfächer hat, weshalb das Regal eigentlich überflüssig ist. Aussedem, tja jetzt kommt wieder die Deutsche in mir hervor, ist es mit Macken übersäht und in kackbraun gestrichen 😀 Aber hey, es zählt doch der Gedanke. Und der ist auf alle Fälle echt gut. Ich habe mich wirklich aufrichtig darüber gefreut. Genau wie über das Lächeln der vielen Shopbesitzer, begleitet von einer lieben Begrüßung, wenn sie mich sehen. Das ist so schön 🙂 Das bringt mich selbst dann zum Lächeln, wenn meine Laune gerade Urlaub in der Arktis macht. Ja, auch das kommt hier mal vor. Aber wirklich nur verdammt selten. Indien ist eben kein Paradies. Es ist immernoch die Erde 🙂

Es gibt auch einen ganz besonders lieben Shopbesitzer. Gut, Shopbesitzer ist wohl übertrieben. Er arbeitet als Arzt und hat einen 1qm (wirklich! Nur 1qm!) großen Shop, in dem er Speicherkarten und Tabakprodukte verkauft. Jedenfalls hat er mir letztens einfach so Räucherstäbchen geschenkt. Super nett! Ohne mir irgendwas an drehen zu wollen. Einfach so aus Freude. Super lieb! Letzte Woche, als Sophia da war, hat er mir nochmal welche gegeben, diesmal noch eine Packung für meine Freundin. Heute haben wir einen Chai zusammen getrunken. Und wisst in was? Er spricht französisch! Und das auch noch richtig gut! Aber es kommt noch besser. Er arbeitet in einer Bücherei/Buchladen, in der/dem gespendete Bücher verkauft werden. Dabei sind viele französische und sogar auch deutsche Bücher! Er hat mir direkt welche ausgeliehen, meinte ich kann sie kostenlos ausleihen, weil ich  ja volunteer bin und helfe. Und er auch (Der Erlös geht an arme Kinder). Er zeigt mir demnächst, wo die Bücherei ist, dann kann ich mir regelmäßig welche holen. Französische Bücher! Kostenlos! In Indien! Wow! Und deutsche und englische. Ich bin glücklich 🙂

Meine Lieben, ich wünsche euch eine gute Nacht 🙂 und alles an Glück und Verstand dieser Welt…

Don’t stop learning, because life never stops teaching!

Eine anstrengende Woche liegt hinter mir. Irgendetwas getan, wie endlich mal den goldenen Tempel zu sehen oder zur Uni zu fahren, habe ich immer noch nicht, aber es war auf jeden Fall abwechslungsreich.

Letzte Woche Montag habe ich, wie schon beschrieben, Sophia vom Flughafen abgeholt. Sophia sollte ein neuer Volunteer sein, sie wollte bis März bleiben. Sie sollte quasi meine Schwester werden 🙂 also das hatte ich mal so beschlossen 😉 schon nach kurzer Zeit jedoch hat sie festgestellt, dass es für sie unmöglich ist, länger hier zu bleiben. Ich habe ja auch schon meinen aufkeimenden Mutti-Instinkt erwähnt, natürlich habe ich versucht, ihr meine neue Welt, mein neues zuhause, irgendwie schmackhaft zu machen, sie an die Hand zu nehmen und alles zu zeigen. Mit der Zeit ging es ihr aber leider nur noch schlechter, weshalb dann klar war, dass sie wieder zurück nach Deutschland muss. Leider, wie ich finde. Es wäre natürlich schöner gewesen, ihr hätte es gut gefallen, sodass sie bleibt und wir das ein oder andere miteinander unternehmen. Klar, aber das liegt ja nicht in meiner Hand. Und so ist es sicher das beste für sie. Ich kann mir gut vorstellen, wie schwer es auch sein muss, seine solange im Voraus geplante Reise, auf die man hingespart und sich riesig gefreut hat, abzubrechen. Sich selbst einzugestehen, dass es zu diesem Zeitpunkt einfach nichts für einen ist. Wo man doch irgendwie auch vor den anderen die Starke sein möchte, die es schafft. Vorhin habe ich sie dann zum Flughafen gebracht. Sie hat auf jeden Fall meinen Respekt, so stark zu sein und zu sagen, ich komme wieder zurück.

Warum die Woche anstrengend war? Nun ja, eine neue Freundin hier zu haben, bedeutet schon mal obligatorisch Schlafmangel. Nachts zu schlafen wäre immerhin Zeitverschwendung. 🙂 so. Schlafmangel bedeutet, dass ich jetzt so ziemlich jede freie Minute mit schlafen verbringen. Und mit schreiben. Und essen und so anderen unwichtigen Dingen 🙂

Wie gesagt, ging es Sophia wirklich nicht gut. Sie war sehr traurig und echt fertig. Klar versuchte ich sie irgendwie zu trösten. Ihr die schönen Seiten der Stadt und Kultur zu zeigen. Der Sonnenschein höchstpersönlich war ich dann aber auch nicht 😉 Man macht sich ja auch Sorgen. Versucht, sich bestmöglich zu kümmern, möchte, dass es schnell wieder besser wird. Wurde es aber nicht. Bis sie sicher wusste, dass sie heute wieder zurückfliegen wird. Und das war gestern 😉

Tja, wie ihr seht, kann es eben auch so gehen. Da teilt einem das Leben eben eine andere Lektion. Und auch bzw gerade aus einer solchen Situation nimmt man jede Menge mit. Ich für mich habe erst richtig festgestellt, wie stark mich das Überwinden meiner anfänglichen Schwierigkeiten für diesen Moment gemacht hat. Was ich ja im letzten Beitrag erzählt habe. Als ich gesehen habe, wie es Sophia geht, was mich ja direkt an meine Anfangsschwierigkeiten erinnert hat, habe ich angefangen zu merken, dass ich an der Situation gewachsen bin. Und was ich gelernt habe: scheitern tut man nicht. Irgendetwas teilt einem das Leben mit. Dann muss man halt auch mal einen Schritt zurück gehen. Auch wenn es schwer ist, sich dazu zu überwinden, lernen tut man auf alle Fälle. Dazu fällt mir ein schöner Spruch ein, den ich von einem Freund gesagt bekommen habe:

Don’t stop learning because life never stops teaching.

Ich finde, der hat was. Tja diesmal wars nur ein kurzer Beitrag 🙂 kommt ja auch nicht so häufig vor 😉

Also dann bis bald!

Eure Julia