Hochzeitsvorbereitungen und ein Bodyguard

Ich sitze auf dem Boden, um mich herum einige weitere Mädchen. Es ist Hennaparty und eine Frau ist mit 5 Mädchen gekommen, um Priyanka für die morgige Hochzeit zu bemalen. 2 von ihnen kümmern sich um Priya, die anderen 4 bemalen die Frauen der Familie mit deutlich kleineren aber nicht weniger schönen mandalaähnlichen Zeichnungen. Auch meine Arme werden verschönert. Die Paste wird aus einer Tube aufgetragen, dann lässt man sie trocknen und entfernt sie mit etwas Öl. Da die Farbe erst am nächsten Tag richtig rauskommt, wird es am Vortag gemacht. Ich mag Henna. Und was ich prinzipiell auch immernoch mag, ist Schlaf. Das stelle ich ja jedes Jahr aufs neue fest. Ist quasi eine Art Tradition, dass ich davon ausgehe, es wird super entspannt und dann ist doch immer einiges los und Schlaf kommt zu kurz. Das mit dem Schlafrhythmus hat sich bei mir noch nicht so richtig eingependelt. Die letzte Nacht habe ich bei Priya geschlafen, wir zusammen im Ehebett ihres Bruders und der mit seiner Frau auf dem Boden. Garnicht unangenehm, wenn die Gastgeber auf dem Boden schlafen. Aber das konnte ich nicht abwenden. Sie drehen ja schon halb durch, wenn ich nach dem Essen meinen Teller selbst mit in die Küche nehmen mag. Vivek, der Bruder, hat mich gestern gefragt, ob ich mich als Gast in Europa nicht schlecht fühle, wenn ich doch hier erfahre, wie Gastfreundschaft auch aussehen kann. Nee. Die Gepflogenheiten hier durchblicke ich noch nicht gut genug, um kein schlechtes Gewissen zu bekommen, wenn ich von vorne bis hinten bedient werde. Da fühle ich mich in Deutschland wohler, weil ich weiß, was von mir erwartet wird.

Während bei uns Gästen nur die Hände bemalt werden, werden Priyas Arme bis kurz unter den Schultern verziert und die Füße bis etwa 2 Handbreiten über den Knöchel. Die Feinen Muster sind relativ viel Arbeit, weshalb es bei ihr auch über 2h dauert. Dann muss noch eine Stunde gewartet werden, bis alles angetrocknet ist und sie sich wieder bewegen kann. Insgesamt sind wir von 10 bis 16 Uhr in dem Raum und es kommen immer wieder neue Familienmitglieder. Dann gibt es Mittagessen, hier lassen zur Abwechslung wir Frauen (nur 4) von ein paar Männern bedienen. Das ist beim Thema Essen ja eigentlich immer andersherum. Dann ziehen wir uns langsam um, denn am Abend ist Sangeet. Hier singen die Frauen traditionelle Hochzeitslieder, tanzen etwas dazu und später wird den Göttern Kurkuma geboten. Genauer verstehe ich das auch nicht. Bis dahin bin ich aber auch schon im Gasthaus und schlafe. Was mich ziemlich freut-denn im Normalfall gehen meine Pläne in Indien oft nicht so auf, wie ich das gedacht hätte. Besonders dann, wenn meine Freunde involviert sind. Die kummunizieren nämlich weniger, als ich es hier gern hätte, was Pläne/Vorgänge anbelangt. Beziehungsweise oft plant man vielleicht auch garnicht so genau im Voraus, sondern lässt die Dinge mehr auf einen zukommen. Das ist zumindest mein Eindruck. Und dadurch, dass ich als Ausländerin vieles natürlich nicht weiß (zB. wann welche Feiertage sind und was das für Folgen auf den Alltag hat oder wie der Ablauf einer Hochzeit ist), stellen sich mir natürlich auch deutlich mehr Fragen. Zum Beispiel hat Priyanka einen Termin für uns im Schönheitssalon gemacht (ich bin sehr gespannt. Das wollte ich nämlich eigentlich nicht, aber sie hat es so oft empfohlen, dass ich dachte, warum nicht. Ich habe betont, dass ich einen natürlicheren look bevorzuge und nicht unbedingt mit Schminke überschüttet werden mag. Aber da das so garnicht einem Hochzeitslook entspricht, vermute ich, dass ich dennoch ziemlich stark geschminkt werde. Jedenfalls machen die auch die Haare und ziehen einen an und demnach wollte ich von Priya wissen, ob die einem auch die Haare waschen, oder ob ich das vorher gemacht haben sollte. Sie meinte, ich kann das dann im Hotel vorher machen. Gut, also gehen wir noch in ein Hotel. Aha. Am Morgen, wie ich bei ihr ankomme, stellt sich aber raus, dass sie mit Hotel den Park meint, in dem die Hochzeit stattfindet. Hier gibt es ein paar Räume, unter anderem einen mit Badezimmer. Und scheinbar meinte sie den. Der hat kein warmes Wasser und es ist nicht sonderlich sauber. Hmm. So habe ich mir das ja nicht vorgestellt. Aber gut, warten wir mal.

<span;>Aber zurück zu meinem Plan: Priyas Familie hatte mich eingeladen, in der Zeit der Hochzeit bei ihnen zu wohnen. Das klingt nach wenig Rückzugsort, viel Fremdbestimmung und viel Chaos. Außerdem nach einem Abenteuer, also habe ich zugestimmt. Trotzdem habe ich zusätzlich ein Zimmer in Michas Gasthaus (10 min zu Fuß) reserviert, damit ich dahin flüchten kann, wenn es mir zu viel wird. Oder wenn ich mal ein paar Stunden in Ruhe schlafen mag. Sonntag Mittag bin ich dann eingezogen, wir waren abends noch bis halb 3 mit Packen für Priyas Umzug beschäftigt und um halb 7 ist die Schwägerin aufgestanden und war ab dann so laut, dass ich nicht mehr wirklich geschlafen habe. Montag Vormittag war dann das mit dem Henna und abends ging das Sangeet so lange und,war für mich auch relativ langweilig, dass ich gegen halb 10 gegangen bin, um im Gasthaus zu schlafen. Zuvor hatte mir Bhabli, die Schwägerin angeboten, mich in einem Zimmer auszuruhen, aber etwa alle 10-15 min kam wer rein und brauchte irgendwas. Fand ich dann nur sehr begrenzt entspannend. Während dem Sangeet saß ich noch neben Pyri, einem 11-jährigen Mädchen, das sich meiner angenommen hat und seitdem eine Art Bodyguard ist. Ich mag sie. Sie spricht gut englisch und ist sehr lieb. Sie passt auf mich auf (was ich in Anbetracht der Altersumstände ein bisschen komisch finde, aber ok) und versorgt mich mit Getränken. Außerdem hat sie mein Herz erobert, als sie dem Tänzer erklärt hat, dass ich nicht tanzen mag. Perfekt. Ich finde, jeder sollte eine Pyri um sich haben. Heute hat sie mich gefragt, ob wir Freunde sein wollen. Aber sowas von! Gegen halb 10 wird es mir trotz meiner Lieblingssitznachbarin Pyri zu viel und ich gehe ins Gasthaus zum Schlafen. Mein Plan ist aufgegangen!

Mittlerweile haben wir Dienstag Nachmittag. Wir hatten vereinbart, dass sie mich am Morgen anruft, um zu sagen, wann ich kommen soll. Die Nachricht kam um kurz nach 8 und da ich schon um 11 schlafen gegangen bin, fühle ich mich zumindest im Moment ausgeschlafen und mache mich auf den Weg. Bis etwa 11 Uhr sitze ich bei ihr rum und warte, bis alle fertig sind. Na gut, vielleicht hätte ich doch etwas liegen bleiben können. Gegen halb 12 brechen wir auf und nehmen Tuktuks zum Veranstaltungsort, dieser Art Park. Einige Zeit sitze ich mit ihr in einem Raum, wo sie darauf wartet, geholt zu werden. Schließlich kommt die Familie und führt sie in eine Halle, in der ein Priester unter einem Pavillion sitzt und bereit ein paar Rituale vorbereitet hat. Hier setzt sie sich, die Mutter macht ab und an was und sie muss immer mal wieder Reis in die Hände nehmen oder mit einem Blatt Wasser auf verschiedene Dinge tröpfeln. Da ich nichts verstehe und Pyri leider auch nicht weiß, weshalb da was gemacht wird, nehme ich nach einer Stunde ihr Angebot an, mich zum Essen zu begleiten. Es ist 13:15 Uhr und Zeit fürs Frühstück! Sie gibt kurz ihrer Mutter bescheid, dass wir zusammen rausgehen. Sie hat schon gegessen, aber wurde entweder von der Familie damit beauftragt oder fühlt sich selbst schon mit 11 verantwortlich für mein Wohlergehen. Habe ich erwähnt, dass ich meine neue Freundin mag? Danach passiert nichts nennenswertes mehr. Das ich mitbekomme. Priyanka sitzt wieder allein in dem Raum, weiß nicht, was als nächstes passiert und da ich sie nicht allein lassen mag (sie beschwert sich schon, dass ihre Familie zu beschäftigt ist (womit auch immer), um sich um sie – die Braut – zu kümmern. Irgendwann wird sie nochmal abgeholt und ich werde gebeten, auf die Sachen im Raum aufzupassen. Um 15:47 Uhr steigen wir dann ins Taxi und fahren zum Schönheitssalon. Der Termin war um 12 und laut Priyanka ist das selbst für indische Verhältnisse viel Verspätung.

Und schon sitze ich auf dem Stuhl und bekomme Haare und Make-Up gemacht. Etwas, das mir wirklich garnicht liegt. Ich bin gespannt, wie das Ergebnis wird! Bisher wurden meine Haare trocken geföhnt und nun bekomme ich Locken. Ähnliches Prinzip wie bei Rouge. Zuerst wird meine Haut gleichmäßig hautfarben gemacht, um sie direkt im Anschluss wieder dort zu röten, wo sie es eh schon war. Der Nutzen erschließt sich mir nicht so ganz. Ich finde meine Naturlocken auch schöner, stelle ich fest. Dafür habe ich mich noch nie mit langen, glatten Haaren gesehen und demnach lohnt sich das ganze Prozedere dann doch etwas.

Zu Priyanka und Bhabli hatte ich gesagt, dass ich nur einen natürlicheren Look mit leichtem Make-Up mag, weil ich anderes nicht an mir gewohnt bin und ich mich dann fühle, wie ein Clown. Daraus ist irgendwie Nikolaus geworden und sie haben dem ganzen Personal hier erzählt, dass mir wichtig ist, nicht wie der Nikolaus auszusehen. Ja, nah dran. Es haben alle gelacht, ich auch. Und da der Nikolaus weder pinke Augen, noch pinke Lippen hatte, kann ich auch bestätigen, dass meine Bedenken gehört wurden. Hätte ich vielleicht doch etwas spezifizieren sollen. Naja. Das mit der pinken Farbe hier werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr los.

So, für heute war es das. Wie die eigentliche Feier heute Abend wird, werde ich dann die Tage berichten.:)

Namaste India!

Es geht wieder los. Es ist Donnerstag und ich mache mich auf den Weg zum Flughafen München. Den Weg teile ich mit einer Augsburgerin, die auf dem Weg in den Urlaub in der Türkei ist und einer pakistanischen Familie, die Heimatbesuch macht. Wir unterhalten uns alle gut. Eine sehr schöne und treffende Einleitung in eine Zeit, in der ich mich treiben lasse und gegenüber Austausch mit Fremden deutlich aufgeschlossener bin, als im Alltag. Ich reise wieder nach Indien. Priyanka heiratet und dieses Fest möchte ich mir nicht entgehen lassen!

Vor 10 Wochen bin ich erst aus Kasachstan zurückgekommen – einerseits gefühlt vor einem Monat, andererseits ist seitdem auch schon wieder viel passiert, sodass es doch auch irgendwo schon weit weg ist. Pläne ändern sich manchmal und in dem Fall hat der 2. Jobwechsel dieses Jahr auch einen Vorteil: es ermöglicht mir eine weitere Reise!

Die Securitymenschen am Flughafen sind ein bisschen überdreht, einer singt laut Jingle Bells und eine andere stellt Gästen, die nicht alle Regeln befolgen Quizze, bis diese rausfinden, was sie noch tun müssen.
<span;>Auf dem Weg zum Gate spricht mich ein Pilot an und fragt, wo ich hinfliege und wo ich her sei. Es stellt sich raus, dass er meinen Flug nach Cairo fliegen wird und sagt, wenn irgendwas sei, soll ich einfach nach Mustafa fragen, das sei er. Mustafa ist nett und wirkt kompetent. Da kann ich guten Gewissens einsteigen. Der Münchner Flughafen hat wohl aktuell etwas an sich, dass die Leute besonders freundlich macht.

In Cairo angekommen laufe ich wieder ein Stück neben Mustafa und (ich nehme an) seinem Copiloten. Sie fragen mich, wie ich den Flug fand und wünschen mir eine schöne Zeit in Delhi. Auch die Mitarbeiter hier sind gut drauf. Ich schaue, was es an Essen gibt und die Köche erklären mir übermotiviert, was sie alles für Pizzabeläge haben und ein anderer fordert mich fröhlich auf, an die Bar Platz zu nehmen. Wenn mit dem Anschlussflug jetzt auch noch alles klappt, könnte es garnicht besser laufen 🙂

Am Gate lerne ich Jane kennen. Sie kommt aus der Nähe von Düsseldorf, ist 29 Jahre alt und extrem aufgeregt – denn sie ist auf dem Weg zu ihrer Hochzeit. Raj wartet in Delhi auf sie und in 2 Wochen heiraten sie. Dass das Gate geändert wird und wir mindestens 4x vom Personal woanders hingeschickt werden, beruhigt sie nicht so sehr. Und dass dann endlich bei der Kontrolle am Gate ihr Ticket ein „no boarding allowed“ auf dem Display aufleuchten lässt, hat es auch nicht besser gemacht. Schließlich schaffen wir es aber ins Flugzeug und mit etwa einer Stunde Verspätung geht es dann los auf den nächsten Kontinent.

Noch vor der Landung in Delhi wird klar, was mit dem Smog gemeint ist. Erst etwa 10 m über der Landebahn kann ich diese sehen. Und beim Aussteigen riecht es etwas verbrannt. Gute Reisezeit. Ich nehme ein Taxi zur Wohnung eines Freundes von Micha und stelle mein Gepäck ab. Dann kommt eine Freundin vorbei, die mir das Gewand ihrer Schwester bringt, das ich als Hochzeitsoutfit ausleihen darf. Es passt überraschend gut und es ist nicht pink. Da die Leute hier dazu tendieren, mir rosa und pinke Sachen zu schenken, hätte es mich nicht groß gewundert, wenn ich ein pinkes Lehenga bekommen hätte 😀 <span;>Tatsächlich ist es sogar blau, eine meiner Lieblingsfarben. Da habe ich Glück.

Am Abend geht es weiter nach Varanasi, ich sammel noch ein wenig schlechtes Karma und nehme anstelle eines Nachtzuges einen Inlandsflug. Aufgrund von vielen Feiertagen gab es keine Fahrkarten mehr für den Zug. 800 km später komme ich mit Micha zusammen in Varanasi an und auch hier ist die Luft nicht merklich besser. Aber frische Luft kann ich ja auch in Augsburg atmen. Die ersten 2 Nächte schlafe ich in einem Zimmer in der Schule und am Sonntag ziehe ich um: zu Priyanka. Mit in ihr Zimmer, wir werden zusammen in ihrem Bett schlafen und was mich ja besonders ein paar Tage vor der Hochzeit stressen würde, findet sie gut, weil sie eh nicht gern allein schläft. Auf dem Weg von der Schule nehme ich eine Fahrradriksha und eine Straße vor der Kreuzung, an der ich eigentlich rausgelassen werden möchte, hat die Polizei eine Sperre eingerichtet und den Verkehr auf Fußgänger beschränkt. Als ich demnach absteige, kommt aber direkt ein Polizist zu mir und sagt, ich soll wieder aufsteigen. Dem Rikshafahrer sagt er, er solle durchfahren und wir müssen beide lachen. Da hat meine blasse Haut mal wieder einen Vorteil. Und wo ich es gerade von Vorteilen habe: der Smog ist für meine Haut tatsächlich garnicht schlecht, weil der UV-Index dermaßen niedrig ist, dass ich keine Sonnenmilch benötige! In Indien das Haus verlassen, ohne eingecremt zu sein – ein ganz neues Lebensgefühl!

Sanstag Mittag besuche ich das Lehrermeeting, um hallo zu sagen. Es wird unter anderem besprochen, dass die Kindergartenwand verputzt werden soll. Das machen ein paar Lehrerinnen mit 2 Klassen zusammen und ich werde direkt mit eingespannt. Dafür wird Kuhdung mit Lehm und Wasser vermischt und an die Wand geschmiert. Als dann noch vorgeschlagen wird, dass wir den Kuhdung eigentlich auch auf den Straßen einsammeln könnten, wird es den Lehrerinnen zu viel und es wird sich darauf geeinigt, den zu kaufen und liefern zu lassen. In so einem Moment hätte ich in Deutschland wohl gesagt (oder wenigstens gedacht), dass für sowas eindeutig nicht genug bezahlt bekomme. Aber ich bin in Indien, möchte Abenteuer erleben und dann wird Teil meines Abenteuers wohl, dass ich am Donnerstag Kuhkacke mit den Händen an eine Wand schmieren werde. Unerwartet, aber warum nicht?

Am Abend sitze ich auf dem Dach und genieße die etwa 10 m Ausblick über die Dächer. Mit der Dämmerung beginnen die Moscheen mit Gesängen und das fühlt sich ganz heimelig an. So habe ich hier früher einige Abende eingeleitet und es fühlt sich vertraut an. Morgen ist Dev Dipauli, ein Feiertag,  den ich zuletzt vor ziemlich genau 9 Jahren hier gefeiert habe. Krass, wie die Zeit vergeht! Und jetzt bin ich wieder hier und es ist schön.

Viele Grüße!