Mein erster Roadtrip

Es geht los! Mein Roadtrip. Mein erster Roadtrip mit Auto. In Indien. Alleine. Es kann eigentlich nur ein Abenteuer werden! Ich versichere meinen Tambdi Eltern, dass ich sie wissen lasse, wo ich so rumfahre und dass wir täglich telefonieren. Das finde ich ein bisschen witzig, weil ich mit Mama und Papa weniger telefoniere. Und das, obwohl ich ihnen deutlich mehr erzählen könnte (aufgrund der kulturellen/geographischen Unterschiede und natürlich auch der fehlenden Sprachbarriere). Am Vormittag habe ich mit Tambdi Dad noch ein Ersatzrad geholt, um mich zumindest ein wenig auf Eventualitäten vorzubereiten. Was nicht meine Idee war, denn ich kann mit dem Rad eh nichts anfangen. Ist ja nicht so, als würde ich bei diesen Straßen a) merken, dass ich nen Platten habe oder b) fähig sein, einen Reifen selbst zu wechseln. Komme ich in die Situation, brauche ich eh Hilfe. Aber da es Chichi und Tambdi Dad beruhigt, nehme ich den gerne mit. Im Laden haben wir einen offensichtlich gebrauchten Reifen für 7€ besorgt, dessen Profil fast vollständig abgefahren ist. Das wäre ich jetzt zum Beispiel auch wieder anders angegangen, aber gut. Autos gehören sicherlich nicht zu einem Bereich, in dem ich mit Wissen auftrumpfen kann. Ich habe versucht, Tambdi Dad zu fragen, ob wir nicht lieber ein Rad mit Profil nemen wollen, aber Tambdi Dad meinte, der sei gut. Also habe ich zugestimmt. Vor der Abfahrt buche ich noch eine Hütte in einem Resort am Strand nordwestlich von Chiplun. Dann fahre ich los und werde winkend verabschiedet. Ich muss noch tanken und Chichi hatte mir beschrieben, wo ich auf dem Weg eine Tankstelle für Erdgas finde kann. Ich lasse auch noch die Reifen aufpumpen und der Junge, vielleicht 15 Jahre alt, erzählt irgendwas von puncture und schwallt mich auf marathi voll. Ich rufe Chichi an, drücke dem Jungen das Handy in die Hand und sie telefonieren. Chichi erklärt mir, dass der Junge meint, ich hätte ein Loch im rechten Vorderrad, aber das glauben wir beide nicht. Vor Abfahrt haben wir noch geschaut, ob alle Reifen gut sind. Also beschließen wir, dass ich so fahren kann. Dann ruft mich jemand vom Resort an, entschuldigt sich und sagt, dass er meine Buchung stornieren muss. Die restlich 4 min Monolog verstehe ich nicht, weiß jetzt aber, dass ich mir was anderes suchen muss. Ok. Ich beschließe, erstmal nach Dapoli zu fahren und dann dort zu schauen. Derweil fragt Chichi einen Freund in der Gegend, ob der was weiß. Da aktuell Hochsaison ist, sind einige Unterkünfte ausgebucht. Dann ruft mich ein Mitarbeiter der Plattform, über die ich das Resort gebucht hatte an, um zu fragen, ob ich das Geld zurück haben möchte oder ob sie mir was anderes buchen sollen. Da ich unsicher bin, wie das mit der Umbuchung genau funktioniert sage ich, dass ich mein Geld zurück haben möchte.

Das (Chichis) Auto meines Vertrauens. Ein Honda:

Ich fahre auf der Autobahn. Durchschnittlich fahre ich etwa 50 km/h, an guten Stellen auch mal 70 km/h. Die Geschwindigkeitsobergrenze liegt auf den normalen Autobahnen bei 110 km/h. Die Autobahn ist größtenteils baulich in 2 Fahrtrichtungen getrennt, öfter mal muss man aber auf die Gegenspur, da es auch hier einige Baustellen gibt. Die Straße ist nicht so eben, wie ich es von Deutschland gewohnt bin, außerdem gibt es auch hier teils Geschwindigkeitsbrecher bzw Schlaglöcher oder Stellen ohne Deckschicht im Asphalt. Man muss sich daher sehr auf die Straße vor einem konzentrieren und so langsam dämmert mir, warum man hier so viel hupt. Ich komme kaum dazu, in den Rückspiegel zu schauen und so ist es tatsächlich garnicht schlecht, dass die von hinten kommenden Fahrzeuge hupen. An einer Stelle wird die Geschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt und ich muss lachen, denn ich fahre gerade nur 60 km/h und fühle mich arg schnell.
Die Autobahn geht nun ziemlich steil bergab und die Geschwindigkeit wird auf 20 km/h begrenzt. Hier muss selbst ich abbremsen. Vor allem, als ich sehe, dass sie nun alle 20 m Geschwindigkeitsbrecher gebaut haben. Und da gibt es ja auch verschiedene Varianten, manche sind flacher, manche steiler. Das hier sind die ganz miesen, bei denen ich mich aufgrund des Zustands meines Fahrzeugs des Vertrauens nur traue, in Schrittgeschwindigkeit drüberzufahren. Richtig nervig. Ich verstehe, dass dies durchaus zweckmäßig ist, denn links geht es steil einen Abhang runter. Aber nervig ist es trotzdem. Nach gefühlt mindestens 25 Geschwindigkeitsbrechern geht es wieder normal weiter. Ich habe Google Maps offen und bin optimistischer, als ich es sein sollte. Habe nämlich erfolgreich verdrängt, dass mein Maps selbst in Deutschland ständig spinnt und nicht weiß, wo ich bin. Ich kann es also eher als Karte verwenden. Old school quasi. Als ich in Khed ankomme, muss ich abbiegen und etwas zickzack durch die Stadt fahren, um am anderen Ende auf einer Landstraße weiterzufahren. Das hält mein Handy für eine gute Gelegenheit, meinen Standort nicht mehr anzuzeigen und natürlich fahre ich falsch weiter. Am Ende biege ich etwas zu früh ab und fahre statt Richtung Nordwesten Richtung Norden. Als es mir dann irgendwann doch komisch vorkommt, dass die Straße irgendwann nicht mehr befestigt ist, sondern eher einem Feldweg gleicht, habe ich garkeinen Empfang mehr. Ich beschließe, weiterzufahren und irgendwann tauchen einige Laster mit Steinen auf. Hier scheint etwas abgebaut zu werden und ich fürchte, der Weg könnte nur dorthin geführt haben. Er geht aber weiter, also fahre ich weiter. Eine Abzweigung finde ich, aber hier ist es nur ein Erdweg und so bleibe ich meinem Schlaglochversehenen Feldweg treu. Der ist teils so schlecht, dass ich aufsetze. Gut, dass mir Chichi versichert hatte, er sorge sich nicht um sein Auto, sondern darum, dass niemand verletzt wird. Die Gefahr besteht Mangels anderer Menschen und meinen ca. 6 km/h aktuell eher nicht. Was hier vielleicht verletzt wird, ist meine mentale Gesundheit, wenn ich nicht bald zurück auf richtige Straßen finde. Mittlerweile ist der Weg nicht mehr befestigt, sondern abwechselnd eine Schotterpiste oder ein Erdweg. Maps findet kurz heraus, wo ich bin. Das hilft. Ich weiß jetzt immerhin, auf welcher Straße ich bin, und nach welchen Ortschaften ich Ausschau halten muss, sollte ich doch wieder zurück in die Zivilisation finden.

Der Weg:

Es taucht ein kleines Dorf auf, das beruhigt mich. Menschen. Ich fahre hindurch, in Schrittgeschwindigkeit hinter einer Büffelherde. Es ist verdammt eng. Warum, wo hier doch nur ca. 30 Häuser stehen? Platz scheint hier keine Ressource zu sein, die nichtausreichendvorhandenwäre.

Ich bin auf jeden Fall eine kleine Attraktion. Die Menschen kommen aus den Häusern und schauen, wer da lang fährt. Schließlich komme ich an eine Kreuzung und frage einen Mann, wo es nach Mugij gehe. Er sagt, ich solle links fahren und wenn ich auf die Hauptstraße komme, rechts abbiegen. Er hat Hauptstraße gesagt! Juhu, das klingt doch super. Ich bin wieder zuversichtlicher, obwohl ich gerade über eine Stunde Umweg gefahren bin. Und tatsächlich finde ich kurz später die Hauptstraße, biege hier aber links ab, denn ich will ja nicht nach Mugij, sondern Dapoli. Die Straße ist das beste, was mir gerade hätte passieren können, ich kann wieder 50 km/h fahren und muss nach Geschwindigkeitsbrechern suchen. Auf der Strecke nach Dapoli bekomme ich irgendwann wieder Empfang und die Ortung funktioniert auch wieder. Ich telefoniere mit Chichi, er schickt mir einen Hotelnamen, wo ich es probieren könnte. Ich gehe nach meiner unplanmäßigen Erlebnisverlängerung zur Sicherheit nochmal Erdgas tanken (wer weiß, wo ich sonst die nächste Tankstelle finde) und fahre dann nach Ladghar weiter. Und tatsächlich komme ich an. Und sie haben ein Zimmer frei. Es ist teurer als erwartet, hat dafür aber eine richtig tolle Aussicht direkt aufs Meer. Ich finde, das habe ich mir jetzt wirklich verdient!

Es ist ca. 16:30 Uhr und die Sonne steht schon so niedrig, dass ich meiner Haut zutraue, sich einigermaßen unbedeckt am Strand aufzuhalten. (Aufgrund der gesellschaftlichen Norm an von Frauen zu verdeckenden Körperteilen heißt das, meine Arme, Hals und Gesicht sind nicht bekleidet.) Ich laufe die paar Meter an den Strand vor. Ich habe Hunger und auf Maps habe ich gesehen, dass es ein paar Hundert Meter weiter südlich eine kleine Ortschaft mit 3 Restaurants geben soll. Ich spaziere dorthin, vorbei an etlichen Jugendlichen, die am Strand Cricket spielen. Leider finde ich keinen einzigen Laden. Dann muss ich wohl doch noch auf das Abendessen warten. Eine Gruppe knurrender Hunde hält mich davon ab, noch weiter südlich zu laufen und so drehe ich um. Zum Sonnenuntergang setze ich mich auf Steine und genieße das Rauschen der Wellen. Dann gehe ich in mein Zimmer, dusche und lege mich etwas hin. Ich rufe Tambdi Eltern an, versichere ihnen, dass ich keine Probleme habe und dass es mir gut geht. 2x ruft mich die Rezeption an, um zu fragen, was ich denn zu Abend essen möchte. Ich sollte es 2h vorher bestellen. Irgendwann beende ich daher mein Telefon mit einer Freundin und gehe runter. 2h warten mag ich wirklich nicht, aber jetzt nochmal mit dem Auto loszufahren, um ein Restaurant zu finden, klingt gerade auch nicht so verlockend. Ich bestelle eine lokale Spezialität, Sprossen aus Linsen in einem Curry mit Reis. Das Essen kommt schon um 8 und ich vermisse das Essen von Tambdi Mum, bei ihr schmeckt es deutlich besser.
Dann gehe ich bald schlafen.

Eins der schönen Holzboote am Strand:

Und der Sonnenuntergang:

Hohoho – Kommunikation mit Sprachbarriere

Während man auf hindi „ha“ für Ja sagt, sagt man auf marathi „ho“. Bei Bestätigung sage ich also statt „hahaha“ „hohoho“. Bei erstaunter Nachfrage wie unserem „wirklich?“ fragt man „hoi?“. Ich mag Sprachen.

In Sachen Kommunikation hat sich ein bisschen was getan. Marathi kann ich leider immernoch nicht ansatzweise, zugegebenermaßen tue ich allerdings auch extrem wenig dafür. Woher soll es also kommen?
Dafür habe ich einen eigenen Weg gefunden, mit Tambdi Mum zu reden. Aufgrund der geringen Schnittmenge an Alltagsleben und Interessen hat sich das Thema Kochen eigentlich als Hauptkonsens für uns herausgestellt. Und da ich sehr gerne mehr in dem Bereich lernen würde, dringe ich nach und nach weiter vor. Ausgangslage im letzten Winter war, dass ich die Küche praktisch nicht betreten durfte, weil ich als Gast alles serviert bekomme. Im Mai habe ich es immerhin geschafft, beim Kochen zuschauen zu dürfen und ich wurde sogar gebeten, etwas deutsches zu kochen. Ein kleiner Meilenstein!
Und jetzt habe ich es geschafft, Zwiebeln schneiden, Erbsen pulen und Methi zupfen zu dürfen. Ich bin sehr stolz. Unsere Kommunikation besteht hauptsächlich daraus, auf Dinge zu zeigen und sie zu benennen. Auf marathi, hindi, englisch und manchmal deutsch. Und mit Gestik wird meist ergänzt, was damit getan wird. Und dann gibt es noch DAS Wort, welches mit Abstand auf Platz 1 unserer Konversation steht: „me“. Wenn ich helfen möchte, sage ich „me“ und zeige auf Dinge, von denen ich denke, dass ich sie tun könnte. Oder wenn ich mit etwas fertig bin, sage ich „me, no work“, dann lacht Tambdi Mum. Wenn wir uns darum „streiten „, wer etwas macht, dann sagen wir so oft abwechselnd „me“, bis eine aufgibt. Wir lachen viel dabei. Ich mag es.

Zweimal kommt Saloni nach der Schule bei uns vorbei. Sie ist etwa 13 Jahre alt und sehr motiviert, mich vollzuquatschen. Was mich einerseits freut, da viele Leute hier nicht mit mir interagieren (das schiebe ich auf die sprachliche und kulturelle Barriere). Andererseits finde ich es dann den ganzen Tag über doch auch recht anstrengend, weil Kommunikation mit besagten Barrieren einfach deutlich schwieriger ist und mir deutlich mehr Energie abverlangt. Sie ist Fan des Google Übersetzers und übersetzt mir daher auch „ok, no problem“ vom englischen ins englische. Als wir zu zweit zum Fluss gehen, habe ich auf dem Handy aber kein Internet und so müssen wir glücklicherweise auf einzelne Worte übergehen. Mein Lieblingswort ist jetzt „Horror“, denn immer wenn sie Angst hat, sagt sie „Julia Didi, Horror“. Sei es Angst vor möglichen Schlangen, oder dem Mann, der in unsere Nähe kommt und vermutlich nur wissen will, wer wir sind und was wir machen. „Horror!“

Dann gibt es noch Aam Mama, einen „Onkel“ mütterlicherseits. Onkel in Anführungszeichen, weil kein Verwandtschaftsveehältnis besteht, er ist Nachbar des biologischen Onkels. Und Aam Mama, weil er der Mango Onkel ist. Er hat Chichi und mich in der prallen Mittagshitze mit zu kleinen Höhlen genommen, um sie uns zu zeigen. Er spricht kein einziges Wort englisch und da Chichi neben seinen Rollen des Fahrers, Führers, Callcenters, Julia-Manager (bzgl all der Verwandten, die täglich anrufen und Ratschläge erteilen, wie mit mir zu verfahren sei) und Freundes weiterhin eine nur sehr schwach ausgeprägt Motivation hat, auch den Übersetzer zu spielen, bin ich quasi die 2 Stunden Wanderung hin mit meinen Gedanken beschäftigt. In der Pause, die wir bei den Höhlen sind, kletter ich ein wenig auf den Felsen rum und immer, wenn er findet, ich sollte lieber woanders laufen, schreit er mit aus 100 m Entfernung „A“ zu. Je dringlicher, desto häufiger „A A A A“. Schaue ich zu ihm, zeigt er mir die Richtung, die ich seiner Meinung nach einschlagen sollte. Ich mag es. So fühle ich mich doch mehr Teil des Ausflugs. Auf dem Rückweg sagt er ab und an „O“, das fasse ich als Warnung auf. Und als sie sich ewig mit locals unterhalten und ich wieder nichts verstehe und daher vorgehe, ruft er mir lachend „Hoi“ zu. So eine Art „hey“. Wer braucht da schon einen Übersetzer.

Auf dem Weg zur Höhle:

Die kleine Höhle:

Mit Tambdi Dad ist es etwas anders. Er ist zum Glück von den ÜbersetzungsApps weggekommen und wir sprechen wieder mit 25% englischen Wörtern, 75% marathi Wörtern und jeder Menge Gestik. Und anstatt nur „understand?“ zu fragen, fragt er nun „understand? Percentage?“ Und es ist etwas schwierig, abzuschätzen, wie viel ich nicht verstanden habe 😀 aber eine grobe Angabe kann ich machen (zwischen 20 und 90%) und das hilft doch schon.

Zu Tambdi Dad gibt es noch mehr zu erzählen. Er ist sehr gesprächig und lässt sich von unserer Sprachbarriere nicht zurückhalten. Was mich einerseits sehr freut und was ich auch sehr zu schätzen weiß, ist mir an manchen Abenden nach ereignisreichen Tagen dann aber doch manchmal etwas zu viel. Da ist es mir manchmal doch eher nach etwas Zeit für mich, in der ich all die Erlebnisse verarbeiten kann. Ich mag unsere Gespräche aber auch. Und als wir gemeinsam mit dem Auto unterwegs waren, hat er mir immer wieder etwas über die Dörfer berichtet, durch die wir gekommen sind. An einem Punkt musste ich schmunzeln, denn das kam mir sehr vertraut vor. So wie unsere Eltern/Großeltern der Sage nach im Winter ja alle kiometerweit durch den tiefsten Schnee zur Schule stapfen mussten, hat auch Tambdi Dad seine Geschichte. Er ist noch ohne Strom zuhause aufgewachsen und habe mit den Händen Fische im Fluss gefangen. Zudem musste er kilometerweit zur Schule laufen. Und aus Mangel einer Brücke, die wohl erst 1996 gebaut wurde, hatte er eine Plastiktüte dabei, in die er seine Schulbücher und Klamotten steckte. Die auf dem Kopf balancierend sei er dann durch den großen Fluss geschwommen.

Ab in die Wildnis

Jetzt, wo ich wieder so richtig fit bin, kommt auch Tambdi Dad in Fahrt. Gestern Abend habe ich zum ersten mal meine Flöte ausgepackt und ein wenig vorgespielt. Er stellt fest, dass ich ganz andere Musik darauf spiele, als er gewohnt ist – aber es gefällt ihm. Immerhin, denn beim Weihnachtsabendessen, das ich für alle zubereitet hatte, sagte mir Tambdi dad im Nachhinein auf die Frage, ob es ihm geschmeckt hätte lachend „no like“. Das ist mal eine klare Antwort. Wir sitzen mittags gemeinsam im Wohnzimmer, Tambdi Mum, Tambdi Dad, eine Schwester von Tambdi mum und ich. Und mangels Internet und damit verbundenen Übersetzungshilfen unterhalten wir uns zu 50% mit Wörtern auf marathi, hindi und englisch und 50% Gestiken. Wir unterhalten uns über den Unterschied der Mentalitäten von Deutschen und Indern und meiner Zeit in Varanasi. Irgendwann kommt Tambdi Dad eine Idee. Ein paar hundert Meter weiter ist eine Schule und er ist überzeugt, dass die „armen Kinder“ dort noch nie eine Ausländerin zu Gesicht bekommen haben. Und da ich ja schonmal Lehrerin war, könnte ich ja an die Schule gehen und mich einen Vormittag vorstellen und ein wenig Fragen beantworten. Er denkt, dass es von meiner Seite aus schon reichen würde, wenn ich die Kinder nach ihren Namen fragen würde. Das würde sie sicher freuen. Ich sage, dass ich das gerne tun kann (warum auch nicht? Ich glaubeeh nicht, dass das was wird) und dann führt er noch weiter aus. Ich habe ja die Flöte hier und singen kann ich auch. Und beides ist etwas, das sich von der regionalen wie auch nationalen Musik arg unterscheidet. Am Ende findet er, es sollte reichen, wenn ich was vorsinge. Ich habe das Gefühl, nur glatt einem „Mrs Julia Mam festival“ der Schule entkommen zu sein. Tambdi Dad ruft direkt irgendwen an und erzählt von der Idee. Leider hat er keine Telefonnummer der zuständigen Person (wer auch immer das sein mag), aber er weiß schon, von wem er sie bekommt. Er ist zuversichtlich, morgen werde ich mich dort vorstellen.

Hier mit Tambdi Eltern an Weihnachten vor unserem geschmückten Mangobaum:

Ich bin gespannt. Zum einen möchte ich unter keinen Umständen als weißer Übermensch präsentiert werden, zum anderen bin ich aber für einige Leute die erste Ausländerin, Weiße, Westlerin, die ihnen persönlich begegnet. Und ein paar Fragen zu beantworten sowie ein wenig von einer anderen Kultur zu zeigen, kann ja eigentlich nicht schaden.
Mal ganz davon abgesehen planen Chichi und ich aber, morgen gemeinsam ans Meer zu fahren und die Verwandschaft mit den Mangonachbarn zu besuchen (leider ist keine Mangosaison. Das ist äußerst schwer verkraftbar). Da Pläne hier aber doch sehr flexibel sind, warte ich mal ab, ob und wann eine der beiden Ideen zur Umsetzung kommt.

Mal wieder liege ich. Dabei lässt es sich auch einfach am gemütlichsten schreiben, finde ich. Ich liege auf einer Matte auf dem Boden des Wohnzimmers von Verwandten von Tambdi Mum. Gestern Abend sind wir spontan aufgebrochen, um Silvester zu feiern. Eigentlich wollten wir schon vor 3 Tagen her fahren, aber wir sind ja alle flexibel. Wir sind hier in dem Ort, wo ich im Mai die ganzen Mangos herbekommen hatte. Bin also minimal voreingenommen und liebs.
Gestern Abend, am 31.12.24 (ein Tag nachdem ich hätte in die Schule gehen sollen. Überraschung, hat nicht geklappt da gerade Prüfungen anstehen) war noch nicht viel geplant. Chichi hat das etwas gestört, er wollte Silvester doch lieber feiern und nicht nur gemütlichen mit den Eltern im Wohnzimmer sitzen. Also haben wir um 9 beschlossen, zur Verwandschaft zu fahren. Darauf folgt ein längeres Telefonat, um die glücklichen über unsere Ankunft zu informieren. Dann gehen wir noch duschen, packen unsere Sachen, warten auf irgendwas, warten auf das Abendessen (das gibt’s meistens gegen 12 Uhr nachts) und dann brechen wir schon um halb 11 auf. Einen kleinen Abstecher machen wir noch zu einem Freund, um dessen Motorrad auszuleihen. Es ist eine Kasasaki, mehr weiß ich nicht-aber scheinbar recht fancy. Damit brechen wir dann endgültig auf. In der Nacht kühlt es zwar nicht arg runter, es hat kaum unter 17°. Aber dazu kommt Nebel und mit dem Fahrtwind ist es dann doch etwas frisch. Genau deswegen habe ich eine dünne Softshelljacke dabei, die ich über mein T-Shirt und die Bluse abziehe. Außerdem binde ich mir ein Koftuch, um den Kopf zu schützen und ziehe die Kaputze auf. Chichi lacht mich aus und fragt wieder mal, wie ich in Deutschland eigentlich klarkomme, wenn mir ja jetzt schon kalt sei. Er hat sich eine Strickjacke übers T-Shirt gezogen, trägt eine Mütze (Helme hat man hier ja keine auf. Nicht einmal der Fahrer) und Stoffmaske, um die staubige Luft ein wenig zu filtern.

Die Straßen sind fast leer, die Shops alle zu und man sieht niemanden. Ein sehr ungewohnter Anblick. Laut Chichi sind die Leute alle drinnen und feiern dort. Wir fahren über Land, kommen immer wieder durch kleine Ortschaften und dafür, dass heute Silvester ist und 0 Uhr kurz bevor steht, sehe ich keine Anzeichen.
Als wir bei der Verwandschaft ankommen, sind sie bereits alle im Bett und es ist 0:11 Uhr. Ich habe Silvester verpasst. Ich glaube, ich habe noch nie nicht mitbekommen, wann genau 0 Uhr ist. Das finde ich etwas traurig. Chichis Vorstellung von Silvester feiern trifft das wahrscheinlich auch nicht, aber da wir beide müde sind, gehen wir auch direkt schlafen.

Gegen 8 Uhr morgens werde ich durch die Geräusche der Frauen im Haushalt wach und stehe auf. Es ist noch etwas frisch und auch hier auf dem Land hört man außer Tieren nicht viel. Zwei Hähne krähen unregelmäßig, ab und an bellt mal ein Hund und sonst höre ich nur Geräusche aus der Küche.
Eine Weile sitze ich hier vor dem Haus und schaue einfach ins nichts. Das ist schön. Nachdem mich die zweite Frau fragt, ob ich mich nicht frisch machen mag, gehe ich duschen. Ich werde hier überdurchschnittlich oft gefragt, ob ich duschen gehen will. Vermutlich möchten sie einfach sehr zuvorkommend sein, manchmal fühlt es sich aber auch komisch an, des öfteren gefragt zu werden. Aber ok. Normal dusche ich morgens nach dem Aufstehen (weil ich hier erste gegen 10 aufstehe und es bis dahin schon heiß ist, hat man bis dahin bereits geschwitzt) und abends, wenn es etwas abgekühlt hat und man das Haus nicht mehr verlässt oder es kühl genugist, dass man nicht mehr schwitzt. Im Gegensatz zu Chichis Haus gibt es hier keinen Boiler, sondern man kocht Wasser über einem offenen Feuer in einem der Räume des kleinen Hauses. Den Blecheimer nimmt man dann mit ins Badezimmer und da mir das Wasser viel zu heiß ist, mische ich es mit kaltem Wasser. Was mich noch immer irritiert ist, warum in vielen Badezimmern nur Wasserhähne auf Kniehöhe sind, aber keine Duschköpfe. Der Wasserdruck wäre ausreichend und ich finde es deutlich angenehmer, im stehen zu duschen. Aber das ist wahrscheinlich auch einfach nur Gewöhnungssache.

Der Blick von unserer Terasse auf eine Schule:

Ich gehe eine Runde durch das Dorf spazieren und dann frühstücken wir vor dem Haus. Nach und nach gesellen sich einige Nachbarn zu uns, manche von ihnen erzählen direkt, wo sie mich heute schon gesehen haben. Es entsteht quasi ein Bewegungsprofil von mir und das, obwohl ich hier garkeinen Empfang habe. Manchmal braucht man garnicht so viel Technik. Da außer meinem persönlichen Übersetzer niemand englisch kann und mein Übersetzer leichte Motivationsprobleme aufweist, findet nicht viel weitere Konversation statt. Aber das ist ok. Dann kommt mein Lieblingsnachbar vorbei, er grinst schon von weitem. Er hatte mir die meisten Mangos von seinem Baum gepflückt. Absolut sympathisch. Und nachdem er gefragt hat, seit wann ich wieder hier bin, möchte er wissen, ob ich zur nächste Mangosaison wieder komme. Ich könne wieder jede Menge Mangos mitnehmen. Hui, und schon ist er ganz weit vorne mit dabei auf der Liste meiner Lieblingsmenschen in Asien. Eigentlich hatte ich nicht vor, schon wieder im Mai herzukommen, aber bei dem Angebot muss ich mir das auf jeden Fall nochmal überlegen! Ich zeige ihm Fotos von meinem Mangofest und er freut sich, dass seine Mangos so viele Leute so weit weg gefreut haben.

Zusammen mit 2 Cousinen machen wir uns dann auf den Weg. Wir wollen etwas durch die Gegend laufen und sind mit Snacks, einem Lautsprecher und viel Wasser ausgerüstet. Wir laufen ziemlich lange und kommen des öfteren an Abzweigungen von Trampelpfaden, wo wir schauen müssen, wie es weiter geht. Offenbar haben wir ein genaueres Ziel. Eine Cousine ist recht schnell schlapp, wegen ihr hätten wir wohl auch einfach vor dem Haus sitzen bleiben können. Sie fragt ab und an, wie weit es noch ist. Irgendwann finden wir die Straße: sie ist ein unbefestigter Feldweg mit Reifenspuren. Kurz später taucht ein riesiges Privatgrundstück vor uns auf, das eine Kokosnuss- und Bethelnussplantage ist. Wir gehen durch das Tor und gleich fühlt es sich etwas verzaubert an. Zum einen ist alles um uns herum grün und nicht staubig rot. Zum anderen herrscht überall Schatten, was bei 35° doch recht angenehm ist. Auf dem Grundstück befindet sich eine kleine Gebetsstätte für Hindus. Keiner von uns ist Hindu, aber der Ort hat trotzdem etwas und so bleiben wir eine Weile dort. Aus Respekt ziehen wir hier, mitten im Wald die Schuhe aus. Das finde ich zum einen eine schöne Geste, manchmal aber auch etwas übertrieben. Wie hier zum Beispiel. Der Wald ist offensichtlich nicht stubenrein und doch ziehen wir die Schuhe aus, um nichts zu beschmutzen. Temperaturtechnisch ist es so aber eh angenehmer. Wir gehen noch ein Stück durch den Garten/Wald und an einigen der Palmen wächst die Kletterpflaze Pfeffer! Da man den wohl auch frisch essen kann, probiere ich gleich ein paar Kügelchen. Schmeckt wie Pfeffer in saftig.

Der Ort zum Beten:

Und ein Blick wie im Jungle:

Schließlich machen wir uns wieder auf den Weg. Wir wollen uns den Sonnenuntergang überm Meer anschauen und anschließend zurück nach Tambdi fahren. Als wir an dem Ort ankommen, den Chichi sich überlegt hatte, sind uns da schon zu viele Leute und wir fahren weiter zu einer alten Burg. Hier ist nichts los, was deutlich angenehmer ist. Das mag eventuell auch daran liegen, dass wir von hier zwar eine tolle Sicht aufs Meer haben, jedoch nicht die Sonne sehen können. Wäre aber auch sehr inkonsequent von uns, jetzt tatsächlich den Sonnenuntergang zu sehen. Wo wir weder den Sonnenuntergang in den Bergen gesehen haben (zu spät dran), noch den Sonnenaufgang überm See (zu spät dran), wo wir auch etwa eine halbeStundezu spät waren. Auch so ist die Stimmung sehr schön und wir lauschen dem Meeresrauschen. Als es dunkel ist, fahren wir zurück. Die Fahrt ist interessant. Zum einen beschließt ein Motorradfahrer der anderen Fahrtrichtung spontan, rechts abzubiegen (im Linksverkehr) und so fahren wir ihm fast quer rein. Wir kommen beim Ausweichen ganz schön ins Schlingern, aber es passiert nichts. Dann sieht Chichi an 2 Stellen zu spät, wie viele Schlaglöcher sich in der größtenteils guten Straße plötzlich auftun und wir fahren viel zu schnell drüber. Auf dem kleinen Motorrad kann ich mich kaum mit den Beinen abstützen und so fährt es voll in den Rücken. Ich fühle mich alt. Auf halber Strecke wird mir dann mitgeteilt, dass wir noch einen kurzen Abstecher bei einer Cousinen machen. Eine andere Cousine hätte ihn angerufen und gesagt, dass Rupa mich gerne kennenlernen würde. Er hat kaum Kontakt, beschließt aber, dass wir trotzdem kurz vorbeischauen könnten. Er stellt sich ins Dunkel, während ich an der Haustür klopfe. Auf die Frage, wer es ist, sage ich nur meinen Namen. Ihr Sohn, ca. 18 Jahre öffnet und fragt, was ich will. Ich frage, ob Rupa da ist und er bejaht. Fragt dann, ob ich mit Prachit da wäre und fragt, wo der sei. Ich zeige auf ihn und er kommt vor. Das findet alles auf marathi statt und ich freue mich, dass ich mich zumindest ein ganz wenig verständigen kann.
Wir kommen rein und offensichtlich freuen sie sich über unseren Besuch. Wir bekommen direkt Süßigkeiten und Getränke angeboten. Und dann reden sie alle ewig miteinander, ohne mich weiter zu beachten. Da ich nicht das Bedürfnis habe, ständig im Zentrum des Geschehens zu sein, finde ich das durchaus ok. Aber wunder mich schon ein kleines bisschen, wie sie mich so kennenlernen wollen. Irgendwann zeigt der Sohn Chichi was auf dem Handy und der nickt ihm zu. Dann zeigt er mir wortlos den Bildschirm, auf dem steht „is Prachit your boyfriend?“. Gut, das ist mal eine direkte Frage. Ich antworte lachend nein und frage Prachit, wieso der ganz normal genickt hat, als ihm das Handy mit den englischen Wörtern gezeigt wurde. Er meint, ihm würde eh nicht geglaubt. Es stellt sich raus, dass die 4 garkein englisch können und der Sohn hält mir noch ein paarmal das Handy mit Fragen hin. Ich antworte ihm mit dem Google translator bzw. zeige ihm auf maps, wo ich genau herkomme. Irgendwann schauen wir alle ein Foto von ihm und seiner Freundin an und plötzlich hält Rupas Mann sein Handy in die Mitte. Er zeigt uns ein Bild von mir. Ah ja. Ein Bild von meinen Tambdi Eltern und mir, welches er rangezoomt hat. Wir sind bei Verwandten meiner indischen Familie und es sollte mich eigentlich nicht weiter überraschen, dass sie ein Foto von mir haben, bevor ich sie persönlich treffe. Trotzdem muss ich erstmal lachen. Ich muss noch ziemlich dafür kämpfen, sie davon zu überzeugen, dass ich nichts weiter essen möchte und wir fahren weiter. Der Rest der Fahrt ist dann noch ganz angenehm.

Holy Piss

Heute bin ich richtig angekommen im Urlaub Urlaub. Klar bin ich schon wieder ein Weilchen hier, aber das richtige Urlaubsfeeling kommt heute hoch. In Delhi und Varanasi ist die Zeit nur so gerannt und jetzt bin ich wieder auf dem Land im Bundesstaat Maharastra.

Heute Nachmittag fahren wir in die Berge, Sonnenuntergang anschauen. Ich bezweifle stark, dass wir den noch zu sehen bekommen, weil wir bereits halb 5 haben, aber ich habe auch nichts gegen eine Motorradfahrt und schon garnichts dagegen Zeit in den Bergen. Auch, wenn die Sonne dann schon untergegangen ist. Als wir ankommen, unterhält sich Chichi mit 2 Bäuerinnen und ich setze mich etwas weiter und genieße die Aussicht, bis es eine halbe Stunde später ganz dunkel ist. Wir besuchen eine Familie, die ich auch schon 2x getroffen habe. Sie leben in sehr einfachen Verhältnissen und haben kaum Einkommen. Zudem macht ihnen zu schaffen, dass immer wieder einer ihrer Büffel vom Leoparden gerissen wird. Die sind nachts daher auch drinnen im Haus. Im Haus fungiert der äußere Ring als Stall für 6 Büffel und 2 Kälbchen, außerdem gibt es auch Hühner. Durchquert man die ca. 3 m, gibt es eine etwas höhere Stufe und auf dem erhöhten Plateau ist quasi der Flur, von dem 2 Räume abgehen. In einem gibt es eine kleine Feuerstelle aus Lehm, auf der mit offenem Feuer gekocht wird. Hier sitzen wir zusammen mit den Eltern und ihrer Tochter. Da sie kein englisch sprechen und zudem ziemlich schüchtern gegenüber Ausländern sind, bin ich wenig in die Konversation involviert. Ich beobachte daher die Hühner und Büffel. Und stelle fest, dass ein Büffel nicht mehr da steht, wo er vorher stand, sondern ca. 1,5 m weiter rechts. Nämlich dort, wo auch meine Schuhe stehen. Und er pinkelt. Direkt neben meine Schuhe, die bekommen ziemlich viele Spritzer mit ab. Mist 😀

Etwa 1,5 Stunden später brechen wir wieder auf und wandern den kleinen Fußweg zurück an die Straße. Die Kuhpisse ist mittlerweile getrocknet, sodass ich zumindest trockene Füße habe. Ich schätze, meine Schuhe sind jetzt besonders gesegnet. Ich Glückspilz! Manchmal muss man sich die Dinge einfach schön reden.
Beim Motorrad angekommen stellenn wir fest, dass jemand die Luft aus beiden Reifen rausgelassen hat und so können wir nicht zurückfahren. Wir laufen also ein Stück, bis wir an eine für Fahrzeuge gut gelegene Stelle zum Halten kommen. Laut Chichi gibt es einen Bus, der auch noch spät am Abend fahre und auf den warten wir für mich. Er will das Motorrad vorsichtig zurück fahren und mich irgendwo treffen, wo mich der Bus absetzt. Ich bezweifle ein wenig, dass da wirklich ein Bus kommt, aber groß eine andere Wahl haben wir nicht. Der Himmel ist ganz klar und wenn gerade kein Verkehr vorbei fährt, den wir auf Bus abscannen, schauen wir auf die Sterne.

Nach 10 min fährt ein Bus aus der Gegenrichtung an uns vorbei und ich bin jetzt auf jeden Fall zuversichtlicher, dass auch aus der andere Richtung ein Bus kommen wird. Nochmal eine viertel Stunde später winken wir meinen neuen Shuttleservice ran und Chichi erklärt dem Busfahrer und Fahrkartenverkäufer, wo sie mich rauslassen sollen. Wir fahren auf der einzigen Straße, die in der Gegend auf die andere Seite des Nationslparks führt und da der Nationalpark Berge sind, ist es eine Pass. In gewohnt hoher Qualität, durchsäht mit etlichen Schlaglöchern und einigen Stellen mit fehlender Deckschicht, wob man quasi auf Schotter fährt. Was mich dazu veranlassen würde, das Tempo zu reduzieren, reicht dem Busfahrer offensichtlich bei weitem nicht aus und wir brettern nur so über diesen holprigen Weg. Mir wird übel und da ich noch von meiner letzten Reise auf Passstraßen in den Bergen in Südindien in Erinnerung habe, dass hierbei Ingwer helfen soll, schmeiße ich mir ein Ingwerbonbon ein. Und warte darauf, dass es hilft. Es hilft nicht. Außer mir sitzen im Bus noch ein Mann, eine Frau mit Baby und eine Frau. Die Frauen möchten von mir wissen, woher ich komme und wo ich hin möchte. Gute Frage, wo ich hin möchte. Keine Ahnung. Ich vermute stark, dass mich der Bus nicht vor die Haustür in Tambdi bringt, außerdem ist Tambdi ein Name für einen Teil des Dorfes. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der einem was sagt, wenn man nicht gerade in dem umliegenden 5 km wohnt. Also sage ich Chiplun. Von der Frau mit dem Baby im Arm bin ich beeindruckt. Ich halte mich selbst am Vordersitz fest, um auf der glatten Sitzbank nicht durch den Bus zu fliegen und sie hält dabei auch noch ein Baby auf dem Arm. Irgendwann wird der Bus langsamer und hält an. Der Fahrkartenverkäufer deutet mir, ich solle aussteigen und so steige ich aus. Mit mir steigen auch Busfahrer und Fahrkartenverkäufer aus. Sie reden auf mich ejn und deuten, ich solle jemanden anrufen. Ah. Ok, dann ruf ich mal Tambdi Dad an. Er nimmt ab und ich gebe das Handy dem Busfahrer. Sie sprechen ganz kurz und dann kommt auch schon Chichi angerollt. Er sagt ihnen, ich solle noch ein Stück mitfahren und so steigen wir alle wieder ein und weiter geht es. Ich bin gerührt, wie sich um mich gekümmert wird. Schließlich hätten sie mich auch einfach stehen lassen können. So kaufe ich nochmal ein Ticket für 5 ct und steige ca. 3 min später endgültig aus. Sie winken mir zum Abschied. Ich erkenne die Kreuzung und beschließe, auf Chichi zu warten. Er ruft aber kurz später an und wir vereinbaren, dass ich ca. 400 m zurück laufe, denn dort hat er einen Laden gefunden, der ihm die Luft aufpumpt. Bzw die Reifen wechselt, denn die Ventile sind rausgerissen. Und dann geht es heim.

Bei der Reperatur:

Ich liege am Waldrand und höre dem Wind zu, wie er die Blätter rauschen lässt. Es ist Winter und die Regenzeit ist lange genug her, dass die Büsche und Gräser langsam trocken genug sind, um Feuer zu fangen. Um ihre Grundstücke vor Wildfeuern zu schützen, verbrennen einige Leute bereits Streifen um ihr Grundstück herum. Chichis Familie hat die Tage „grass cutter“ kommen lassen, 2 Männer mit Motorrasenmähern, um das Gebüsch auf dem Grundstück zu mähen und das Haus vor Wildfeuer zu schützen. Hier in dem Wald, in dem ich liege, ist die Familie ein weiteres Grundstück. Hier möchte Chichi eine Hütte bauen und befreit aus diesem Grund eine Fläche von Gebüsch. Immer wieder zündet er dafür Haufen an, die jedoch schwer brennen, da sie noch zu feucht sind. Das mit dem Grundstück hier ist so eine Sache. Hier ist ein gemauertes Fundament, denn die Familie wollte ursprünglich hier ihr Haus drauf stellen. Das Grundstück gehört ihnen aber garnicht, das gehört wem anders. Diese Person ist allerdings schon seit Jahren nicht vor Ort und da laut Chichis Aussage seine Familie die ist, die sich „um das Grundstück kümmern“ (was auch immer das heißen mag), waren sie der Meinung, können sie hier auch gerade ihr Haus drauf bauen. Irgendwie hatte der Grundstückseigentümer dann aber davon mitbekommen und war wohl dagegen. So haben sie ihr Haus dann doch auf ihr eigenes Grundstück gebaut. Übrig ist aber das gemauerte Fundament und hierauf möchte Chichi seine Hütte stellen. Wann das der Grundstückseigentümer mitbekommt und wie er das dann findet, steht wohl noch in den Sternen.

Busy Varanasi

In Varanasi rennt die Zeit. Hier habe ich fast täglich Backworkshops für die Azubis gegeben. Thema: vegane Torten. Schwarzwälder Kirschtorte haben wir mehrfach gemacht, einmal in ’normal‘ und mehrmals in vegan. Und Donauwelle haben wir mit mehreren Cremes getestet. Die vegane Butter dort ist nämlich so bockhart, dass sie für Buttercremes eher beschränkt geeignet sind. Aufgewärmt und mit Kokosöl vermischt hat es aber ganz gut geklappt.
Dann hat sich mein Kratzen im Hals (schiebe ich auf die unglaublich schlechte Luftqualität in Delhi und Varanasi) zu einer ausgereiften Erkältung entwickelt. Musste jetzt auch nicht unbedingt sein. Dann noch in anderen Bereichen das Projekt unterstützt (Flyer erstellt,..) und so viel Zeit wie möglich mit Freunden verbracht. Kleines Highlight ist, dass ich noch Versuchskaninchen spielen darf für den Masseur. Im Gasthaus werden nämlich demnächst auch Massagen angeboten und da hat Micha mich gebeten, das aus der Perspektive einer Frau zu erleben. Man tut, was man kann, um zu helfen! Ich lasse mich also mehr oder weniger für den guten Zweck massieren. Läuft!

Zwischendurch meldet sich Jitender (der mit dem Bruder in Amsterdam) und bietet mir an, ich könnte mich jederzeit bei ihm und seinen Eltern (die sind zum zweiten Mal in Varanasi) melden, wenn ich hier irgendwelche Probleme hätte. Das ist nett. Und etwas komisch, weil ich mich hier vermutlich besser auskenne, als er.

Just Varanasi things:

Freitag Abend bin ich zu einer Babyparty eingeladen. Priyankas (bei deren Hochzeit ich letztes Jahr war) Schwägerin ist hoch schwanger und da ich auch sie ganz gut kenne und wir uns sehr gut verstehen, bin ich auch eingeladen. Sie sagt, es geht um 18 Uhr los, Priyanka (die selbst notorisch zu spät ist) warnt mich aber vor, ich solle nicht vor 19 Uhr kommen – aber am Ende machen wir aus, dass sie mich anrufen, wenn ich loslaufen soll. Passt. Ich bin um halb 6 im Gasthaus zurück und lege mich etwas hin, da ich ein wenig angeschlagen bin. Gegen 9 bekomme ich so Hunger, dass ich beschließe, mir unten im Restaurant was zu bestellen. Gerade, als ich bestellen möchte, bekomme ich den Anruf und laufe los. Ich werde von Priyankas Cousin Chiku begrüßt, er fragt, warum ich erst so spät gekommen sei. Ich sage, dass sie mich vergessen hatten und ich daher erst jetzt gekommen bin. Die Feier habe ich also verpasst ^^ das ist schade, ich bin aber auch nicht all zu traurig darüber, die 3 Stunden Ruhe gehabt zu haben. Sie schaut toll aus, ist mit jeder Mwnge Schmuck behängt und tront in einem mit Blumen geschmückten Zimmer, umringt von lauter Frauen der Verwandtschaft. Ich beglückwünsche sie kurz und werde dann in den Nebenraum geführt, in dem ich Essen bekomme. Der Vater bedient mich, das finde ich besonders. Da er normalerweise delegiert, wer mir was bringen soll, schiebe ich diese neue Situation auf die ganzen anderen Gäste. Er zeigt, dass er ein guter Gastgeber ist. Wir können aufgrund der Sprachbarriere nicht viel reden, er ist mir aber sehr sympathisch. Auch letztes Jahr bei der Hochzeit hat er mir gesagt, dass er sehr zu schätzen weiß, dass ich von so weit her gekommen bin. Ich mag ihn. Als ich mit dem Essen fertig bin, gehe ich wieder da mir das zu viel Trubel ist und ich hier nicht viel verstehe. Außerdem freue ich mich auf mein Bett.

Varanasi Gassen am Abend:

Am Samstag fahre ich Priyanka bei ihrer Schwiegerfamile besuchen. Da ich mir die Haare gewaschen habe und es am Abend und in der Nacht nicht warm genug ist, um sie an der Luft zu trocken, gehe ich in ihr altes Elternhaus und leihe mir einen Föhn. Dann diskutieren wir etwas, wie ich jetzt zu ihr fahre: Priyanka hatte mir genau erklärt, wo ich welche Autoriksha nehmen muss. Aber gestern Abend hatte mir ihr Bruder dann versichert, dass er oder sein Cousin eh auch hinfahren würden und mich mitnehmen könnten. Heute wirkt es aber, als würden sie nur wegen mir fahren und das halte ich für übertrieben, da mir Priyanka gesagt hat, wie ich fahren muss.

Varanasi Verkehr:

Wir einigen uns also darauf, dass ich mich allein auf den Weg mache. Dann muss ich aber erstmal warten, denn sie wollen noch Süßigkeiten für die Schwiegerfamilie mitgeben. Und dann rufen sie noch an, um zu klären, welcher nun der für mich geeignetste Weg ist. Es ist der, den mir Priyanka verraten hatte. Den ich ihnen auch zur Bestätigung nochmal erklärt hatte. Hach ja. Manchmal find ich dieses jeder kümmert sich und mischt sich ein rührend und machmal unnötig verzögernd. Endlich mache ich mich auf den Weg und finde nach etwas Suche ein shared Auto (Tuktuk, dass sich mehrere teilen). Eines, das nicht 500 Rs sondern nur die angebrachten 25 Rs von mir will. Perfekt.
Auf dem Weg ruft mich Priyankas Mann an und sagt, er hole mich von der „Haltestelle“ des Tuktuks ab, ich muss kein weiteres suchen. Auch gut.
Ich habe bereits mit Priyanka, ihrer Schwägerin, ihrem Bruder, ihrem Cousin und ihrem Mann darüber gesprochen, wie ich zu ihr fahre. Wenn das normal ist, wird mir auch langsam (aber auch wirklich nur langsam) klar, weshalb die Leute hier alle ständig am Telefonieren sind. Man kommt ja zu garnichts mehr. Meinem auf Effizienz getrimmten, deutschen Hirn gefällt die Ineffizienz des ganzen nicht so gut. Aber dem Teil meines Herzens, der es einfach wundervoll findet, wie man sich umeinander kümmert, geht das Herz ein bisschen auf.
Und schon ist die Zeit rum in Varanasi und ich fliege nach Mumbai.

Wieder mal habe ich mich bewusst dafür entschieden, nicht zu fragen, was wann und wie passiert, wenn ich ankomme. Ich vertraue.
Dass meine Nachrichten von gestern immernoch nicht bei Chichi angekommen sind, beunruhigen mich ein kleines bisschen. Aber ich habe die Adresse der Wohnung in Mumbai und außerdem die Kontakte der beiden Cousins, die auch dort wohnen. Kurz vor Abflug meldet sich Chichi, ich solle Bescheid geben, wenn ich gelandet bin. Er sei im Jungle und hätte daher die letzten Tage keinen Empfang gehabt. Als ich ankomme telefonieren wir kurz und ich mache mich auf den Weg zur Wohnung. Aufgrund eines Missverständnisses stelle ich dann kurzerhand mein Gepäck bei den Nachbarn in die Wohnung und gehe essen, bis Akshay von der Arbeit kommt. Eigentlich hätte ich den Schlüssel bei ihm holen sollen. Was auch erklärt, weshalb er mir die Adresse seiner Arbeit geschickt hatte. Geht aber auch so.
Ich gehe mit verschiedenen Saucen gefüllte, frittierte Bällchen (pani puri) am Stand meines Vertrauens essen und besorge mir eine Tüte mit scharfen Bananenchips. Die liebe ich über alles!
Mot den Chips beladen setze ich mich zum Tempel vor der Wohnung und warte, bis kurz später auch schon Akshay kommt und wir nicht viel später zusammen zum Punkt laufen, den Chichi mit dem Busfahrer ausgemacht hat, wo der mich einsammeln soll.

Ich kann einigermaßen schlafen auf meinem Liegeplatz und morgens gegen 5 komme ich an. Juhu! Die ersten Tage verlaufen ruhig. Ich bin immernoch ziemlich angeschlagen und habe das Gefühl, dass es meinem Körper ganz gut tut, sich auszuruhen.

Namaste Delhi!

Es ist Montag, der 16. Dezember 2024 und ich liege im Zug, irgendwo auf dem von Delhi nach Varanasi. Dass ich den Blog auf meiner letzten Reise an Tag 2 gestartet habe, nehme ich als Anlass, diesmal an Tag 3 zu starten. Also heute 🙂

Tatsächlich gibt es auch noch garnicht viel zu berichten. Am Freitag früh habe ich mich wieder mal auf den Weg zu meinem Lieblingsziel gemacht: Indien! An sich hat alles gut geklappt, nur im zweiten Flug saß eine Familie mit kleinem Mädchen hinter mir, deren Motivation, sich auch nur annähernd ruhig zu verhalten quasi negativ war. Dass sie mich 4h durchgehend getreten und vollgeschrien hat, kann ich ihr kaum übel nehmen. Denn in ihrer kurzen Verschnaufspause fing ihre Mutter an, ihr eine Lobeshymne über Indien vorzusingen und da ist sie direkt mit eingestiegen. Yeah. Ist auf jeden Fall ein nicht unauthentischer Einstieg in mein Urlaubsziel. Die Eltern nicht zu verurteilen, ist mir leider nicht ganz gelungen, dabei hab ich mir schon Mühe gegeben. Zumindest in der ersten Stunde. Morgens gegen 6 (1:30 Uhr nachts in Deutschland) bin ich dann mit Nerven aus Schokolade gelandet und mit dem Taxi zu Michas Bäckerei gefahren. Naresh begrüßt mich und fragt, welches Brot ich denn gerne frühstücken möchte. Die Brote sind richtig gut, aber zum einen will ich jetzt nicht frühstücken, weil ich gleich endlich pennen gehe. Und zum anderen will ich schon garkein deutsches Brot als erste Mahlzeit in Indien essen. Ich quatsche daher nur kurz mit ihm und verabschiede mich dann in Michas Wohnung zum Schlafen.

Mittags stehe ich auf und gehe zum Mittagessen in die Bäckerei. Dann laufe ich zum nächsten Markt und suche vergeblich eine Simkarte. Also gehe ich wieder schlafen und schon ist der Samstag rum.

Am Sonntag schlafe ich lange, stehe mittags auf und mache mich auf den Weg zu einem Markt, den ich kenne. Hier werde ich fündig. Als ich am Nachmittag zurück fahren möchte, treffe ich doch noch einen Bekannten der deutschen Schule in Delhi. Er hat in der Botschaft gerade noch den Nikolaus gespielt und ist fast enttäuscht, dass er in seinem Alltags-Outfit nicht halb so viel Aufmerksamkeit erfährt. Wir gehen zusammen Essen und ich erfahre viel darüber, wie es ist, an der deutschen Schule als Lehrer zu arbeiten. Nach 2 Runden Darts verabschiede ich mich und falle müde ins Bett.

Auch in Indien ist jetzt Winter und das heißt, die Durchschnittstemperatur ist jetzt auch hier niedriger. Tagsüber sind es etwas mehr als 20° und nachts kühlt es auf ca. 8° C runter. Morgens und abends finde ich es schon auch kühl, aber tagsüber komme ich im Gegensatz zu den meisten Leute hier auch gut ohne Mütze und Jacke aus. Das können einige hier garnicht nachvollziehen. Sie finden, ich sollte meinen Kopf vor der Kälte schützen, um nicht krank zu werden.

Und schon ist Montag. Wieder schlafe ich lange und stehe erst mittags auf. Nach einem Telefonat mit Antonia und dann Chichi ruft Naresh an und fragt, wo ich bin und ob ich zum Essen komme. Außerdem will er wissen, wo ich denn gestern gegessen hätte? Lieb. Dass ich zum Essen nicht in die Bäckerei gekommen bin, kann er nicht wirklich nachvollziehen. Ich verspreche, gleich rüberzukommen. Scheinbar kommt auch Claudia und bringt Essen. Keine Ahnung, wer das ist, aber wir sagen kurz hallo und dann ist sie auch schon wieder weg. Und dann treffe ich noch Dolly und Suriya. Dolly lebt noch bis Januar im Kinderheim, dann wird sie 18 und zieht in ein Zimmer in Michas Büro. Sie macht eine Ausbildung zum Bäcker. Letztes Jahr habe ich zusammen mit ihr Waffeln gebacken, da erinnert sie sich noch dran. Dolly ist witzig, ich mag sie. Suriya kenne ich noch nicht, sie ist 2019 aus Afghanistan gekommen und arbeitet jetzt auch in der Bäckerei. Nebenbei hat sie Hindi gelernt, freut sich schon auf ihren Deutschkurs ab Januar, weil ihr die 5 Sprachen, die sie bereits beherrscht scheinbar nicht reichen. Sie ist mir sympathisch und wir beschließen, gemeinsam zu einem Markt zu fahren. Wegen des Verkehrs zieht sich die Fahrt ganz schön und ich werde auf dem Rückweg langsam nervös. Aber ich komme am Ende 45 min vor Abfahrt des Zuges mit meinen 2 großen Koffern, dem Handgepäcksrucksack sowie dem kleinen Rucksack und einem Paket für Micha am Bahnhof an. 2 Kulis haben sich an meiner Überforderung, das Gepäck mehrere Treppen hochzutragen bereichert. Aber die 5 € waren es mir echt wert. Obwohl ich schon deutlich zu viel gezahlt habe. Aber immerhin habe ich sie von den ursprünglichen 1000 Rs pro Koffer auf 200 Rs (statt ~120 Rs) runtergehanelt bekommen.

Am Gleis stellt sich kurz später eine große Familie so neben mich, dass ich plötzlich in ihrem Kreis mit drin stehe. Nachdem ich sie kurz bitte, auf mein Gepäck aufzupassen, während ich mir eine Banane und frittierte Erbsen besorge, ist das Eis gebrochen und ein kurzes Fotoshooting beginnt. So geht die Zeit gut rum und der Zug fährt auch schon ein. Ein indischer Hipster hilft mir mit dem ganzen Gepäck und ich finde meinen Platz. Ich habe Platz 49, den untersten Liegeplatz von 3 übereinanderliegenden Schlafplätzen. Mag ich garnicht, weil viele Inder länger da unten sitzen wollen und ich mich eigentlich immer sofort schlafen legen mag. Und schon ist die Familie da, mit welcher ich den 6er teile. Jitender ist etwas jünger als ich und er reist mit seinen Eltern nach Varanasi. Sie bitten mich, Plätze zu tauschen, sodass der Vater nicht ganz hochklettern muss und großzügig willlige ich in den Platztausch ein. Perfekt. Mein ganzes Gepäck finden sie zwar etwas störend, aber wir finden schnell eine Anordnung, die passt. Irgendwann kommen wir doch noch ins Gespräch und es stellt sich raus, dass Jitender ein wenig deutsch gelernt hat und sein Bruder sei wohl auch gerade in Deutschland. Nämlich in Amsterdam. Ich wurde vor ein paar Jahren mal gefragt, ob ich Japanerin sei – dagegen ist Amsterdam ja praktisch Deutschland.

Bevor ich schlafe, fällt mir ein, dass ich noch einen Schokonikolaus dabei habe. Ein Geschenk vom Sohn von Freunden aus Deutschland, das mir jetzt gerade recht kommt. Ich mache ein Foto, wie ich ihn esse und schicke es ihnen. Dann schlafe ich auch schon ein.