Hochzeitsnacht

Gegen halb 9 sind wir endlich zurück am Veranstaltungsort und sehen gerade noch, wie Rupesh auf einem geschmückten Pferd und begleitet von einer Band sowie sämtlichen Gästen feierlich reingebracht wird. Da es drinnen dann erstmal eine Zeremonie nur für ihn gibt (ich vermute mal sowas, wie Priya heute früh hatte), warten wir noch eine halbe Stunde im Auto. Dann steigen wir aus und gehen wieder in ihren Raum – und warten nochmal, bis ihre Brüder und Cousins sie abholen und sie vor zur Bühne führen. Dort angekommen trennt ein Tuch das Brautpaar und wir werfen bunt gefärbten Reis auf sie, als es feierlich fallen gelassen wird. Die Stimmung ist richtig gut. Dann stehen erstmal beide ewig auf der Bühne und lassen sich mit verschiedenen Familienkonstellationen fotografieren. Was mir auffällt ist, dass fast alle Gäste Familienangehörige sind und nur sehr wenige Freunde oder Bekannte. Gegen halb 12 machen sie ein kurzes Fotoshooting und gehen dann in den größeren Raum, in dem auch am Morgen schon Priyankas Zeremonie stattgefunden hat. Und dort werden wir auch bis etwa 6 Uhr in der Früh bleiben. So lange dauert nämlich die Hochzeit an sich. Der Priester macht irgendwas, die beiden machen irgendwas mit Räucherstäbchen, Reis, Ghee, Wasser und einer Pflanze. Ich verstehe nichts davon. Zwischendurch verlässt das Paar den Saal und die Seite der Schwiegerfamilie verhandelt um Geld mit der seite von Priyankas Familie, damit sie wieder eintreten können. Schließlich ist der Akt vollzogen und Priyanka verabschiedet sich von ihrer Familie. Die Hochzeit ist auch gleichzeitig ihr Umzug zur neuen Familie. Der Abschied ist herzzerreißend. Die gesamte Familie heult, wie verrückt. Auch für sie ist die Hochzeit eine Umstellung, da Priyanka nun nicht mehr bei ihnen leben wird. Sie kann sich kaum trennen. Verständlich. Bis hierher wirkte sie oft angespannt und hatte des öfteren Tränen in den Augen. Zum einen sicherlich auch dessen geschuldet, dass sie in den letzten Nächten nie mehr als 4 h geschlafen hat – zum anderen aber auch, weil für sie ein neuer Lebensabschnitt beginnt, getrennt von ihrer Familie und mit einer neuen Familie. Da es eine Liebesheirat ist, beschränken sich die Zweifel auf die Schwiegerfamilie und schließen nicht auch den Mann mit ein. Die beiden steigen ins Auto und fahren los. Die Schwiegerfamilie ist schon vor längerem gefahren, um die Ankunft vorzubereiten. Nun geht es für Priya und Rupesh mit Zeremonien in der Schwiegerfamilie weiter, ich habe aber erstmal frei. Chiku, ein Cousin, fährt mich mit dem Roller heim. Mit dem Rock kann ich nicht normal hinten aufsitzen, weshalb sich die Frauen hier meist schräg mit beiden Beinen auf einer Seite drauf setzen. Das war wohl die interessanteste Fahrt auf einem Roller, die ich bisher hatte. Feuchte Straße, versmogte Luft, schräg auf Roller, der nur beschleunigt oder stark bremst. Und dann gehe ich erstmal schlafen.

Hier noch ein paar Fotos:

Hochzeitsvorbereitungen und ein Bodyguard

Ich sitze auf dem Boden, um mich herum einige weitere Mädchen. Es ist Hennaparty und eine Frau ist mit 5 Mädchen gekommen, um Priyanka für die morgige Hochzeit zu bemalen. 2 von ihnen kümmern sich um Priya, die anderen 4 bemalen die Frauen der Familie mit deutlich kleineren aber nicht weniger schönen mandalaähnlichen Zeichnungen. Auch meine Arme werden verschönert. Die Paste wird aus einer Tube aufgetragen, dann lässt man sie trocknen und entfernt sie mit etwas Öl. Da die Farbe erst am nächsten Tag richtig rauskommt, wird es am Vortag gemacht. Ich mag Henna. Und was ich prinzipiell auch immernoch mag, ist Schlaf. Das stelle ich ja jedes Jahr aufs neue fest. Ist quasi eine Art Tradition, dass ich davon ausgehe, es wird super entspannt und dann ist doch immer einiges los und Schlaf kommt zu kurz. Das mit dem Schlafrhythmus hat sich bei mir noch nicht so richtig eingependelt. Die letzte Nacht habe ich bei Priya geschlafen, wir zusammen im Ehebett ihres Bruders und der mit seiner Frau auf dem Boden. Garnicht unangenehm, wenn die Gastgeber auf dem Boden schlafen. Aber das konnte ich nicht abwenden. Sie drehen ja schon halb durch, wenn ich nach dem Essen meinen Teller selbst mit in die Küche nehmen mag. Vivek, der Bruder, hat mich gestern gefragt, ob ich mich als Gast in Europa nicht schlecht fühle, wenn ich doch hier erfahre, wie Gastfreundschaft auch aussehen kann. Nee. Die Gepflogenheiten hier durchblicke ich noch nicht gut genug, um kein schlechtes Gewissen zu bekommen, wenn ich von vorne bis hinten bedient werde. Da fühle ich mich in Deutschland wohler, weil ich weiß, was von mir erwartet wird.

Während bei uns Gästen nur die Hände bemalt werden, werden Priyas Arme bis kurz unter den Schultern verziert und die Füße bis etwa 2 Handbreiten über den Knöchel. Die Feinen Muster sind relativ viel Arbeit, weshalb es bei ihr auch über 2h dauert. Dann muss noch eine Stunde gewartet werden, bis alles angetrocknet ist und sie sich wieder bewegen kann. Insgesamt sind wir von 10 bis 16 Uhr in dem Raum und es kommen immer wieder neue Familienmitglieder. Dann gibt es Mittagessen, hier lassen zur Abwechslung wir Frauen (nur 4) von ein paar Männern bedienen. Das ist beim Thema Essen ja eigentlich immer andersherum. Dann ziehen wir uns langsam um, denn am Abend ist Sangeet. Hier singen die Frauen traditionelle Hochzeitslieder, tanzen etwas dazu und später wird den Göttern Kurkuma geboten. Genauer verstehe ich das auch nicht. Bis dahin bin ich aber auch schon im Gasthaus und schlafe. Was mich ziemlich freut-denn im Normalfall gehen meine Pläne in Indien oft nicht so auf, wie ich das gedacht hätte. Besonders dann, wenn meine Freunde involviert sind. Die kummunizieren nämlich weniger, als ich es hier gern hätte, was Pläne/Vorgänge anbelangt. Beziehungsweise oft plant man vielleicht auch garnicht so genau im Voraus, sondern lässt die Dinge mehr auf einen zukommen. Das ist zumindest mein Eindruck. Und dadurch, dass ich als Ausländerin vieles natürlich nicht weiß (zB. wann welche Feiertage sind und was das für Folgen auf den Alltag hat oder wie der Ablauf einer Hochzeit ist), stellen sich mir natürlich auch deutlich mehr Fragen. Zum Beispiel hat Priyanka einen Termin für uns im Schönheitssalon gemacht (ich bin sehr gespannt. Das wollte ich nämlich eigentlich nicht, aber sie hat es so oft empfohlen, dass ich dachte, warum nicht. Ich habe betont, dass ich einen natürlicheren look bevorzuge und nicht unbedingt mit Schminke überschüttet werden mag. Aber da das so garnicht einem Hochzeitslook entspricht, vermute ich, dass ich dennoch ziemlich stark geschminkt werde. Jedenfalls machen die auch die Haare und ziehen einen an und demnach wollte ich von Priya wissen, ob die einem auch die Haare waschen, oder ob ich das vorher gemacht haben sollte. Sie meinte, ich kann das dann im Hotel vorher machen. Gut, also gehen wir noch in ein Hotel. Aha. Am Morgen, wie ich bei ihr ankomme, stellt sich aber raus, dass sie mit Hotel den Park meint, in dem die Hochzeit stattfindet. Hier gibt es ein paar Räume, unter anderem einen mit Badezimmer. Und scheinbar meinte sie den. Der hat kein warmes Wasser und es ist nicht sonderlich sauber. Hmm. So habe ich mir das ja nicht vorgestellt. Aber gut, warten wir mal.

<span;>Aber zurück zu meinem Plan: Priyas Familie hatte mich eingeladen, in der Zeit der Hochzeit bei ihnen zu wohnen. Das klingt nach wenig Rückzugsort, viel Fremdbestimmung und viel Chaos. Außerdem nach einem Abenteuer, also habe ich zugestimmt. Trotzdem habe ich zusätzlich ein Zimmer in Michas Gasthaus (10 min zu Fuß) reserviert, damit ich dahin flüchten kann, wenn es mir zu viel wird. Oder wenn ich mal ein paar Stunden in Ruhe schlafen mag. Sonntag Mittag bin ich dann eingezogen, wir waren abends noch bis halb 3 mit Packen für Priyas Umzug beschäftigt und um halb 7 ist die Schwägerin aufgestanden und war ab dann so laut, dass ich nicht mehr wirklich geschlafen habe. Montag Vormittag war dann das mit dem Henna und abends ging das Sangeet so lange und,war für mich auch relativ langweilig, dass ich gegen halb 10 gegangen bin, um im Gasthaus zu schlafen. Zuvor hatte mir Bhabli, die Schwägerin angeboten, mich in einem Zimmer auszuruhen, aber etwa alle 10-15 min kam wer rein und brauchte irgendwas. Fand ich dann nur sehr begrenzt entspannend. Während dem Sangeet saß ich noch neben Pyri, einem 11-jährigen Mädchen, das sich meiner angenommen hat und seitdem eine Art Bodyguard ist. Ich mag sie. Sie spricht gut englisch und ist sehr lieb. Sie passt auf mich auf (was ich in Anbetracht der Altersumstände ein bisschen komisch finde, aber ok) und versorgt mich mit Getränken. Außerdem hat sie mein Herz erobert, als sie dem Tänzer erklärt hat, dass ich nicht tanzen mag. Perfekt. Ich finde, jeder sollte eine Pyri um sich haben. Heute hat sie mich gefragt, ob wir Freunde sein wollen. Aber sowas von! Gegen halb 10 wird es mir trotz meiner Lieblingssitznachbarin Pyri zu viel und ich gehe ins Gasthaus zum Schlafen. Mein Plan ist aufgegangen!

Mittlerweile haben wir Dienstag Nachmittag. Wir hatten vereinbart, dass sie mich am Morgen anruft, um zu sagen, wann ich kommen soll. Die Nachricht kam um kurz nach 8 und da ich schon um 11 schlafen gegangen bin, fühle ich mich zumindest im Moment ausgeschlafen und mache mich auf den Weg. Bis etwa 11 Uhr sitze ich bei ihr rum und warte, bis alle fertig sind. Na gut, vielleicht hätte ich doch etwas liegen bleiben können. Gegen halb 12 brechen wir auf und nehmen Tuktuks zum Veranstaltungsort, dieser Art Park. Einige Zeit sitze ich mit ihr in einem Raum, wo sie darauf wartet, geholt zu werden. Schließlich kommt die Familie und führt sie in eine Halle, in der ein Priester unter einem Pavillion sitzt und bereit ein paar Rituale vorbereitet hat. Hier setzt sie sich, die Mutter macht ab und an was und sie muss immer mal wieder Reis in die Hände nehmen oder mit einem Blatt Wasser auf verschiedene Dinge tröpfeln. Da ich nichts verstehe und Pyri leider auch nicht weiß, weshalb da was gemacht wird, nehme ich nach einer Stunde ihr Angebot an, mich zum Essen zu begleiten. Es ist 13:15 Uhr und Zeit fürs Frühstück! Sie gibt kurz ihrer Mutter bescheid, dass wir zusammen rausgehen. Sie hat schon gegessen, aber wurde entweder von der Familie damit beauftragt oder fühlt sich selbst schon mit 11 verantwortlich für mein Wohlergehen. Habe ich erwähnt, dass ich meine neue Freundin mag? Danach passiert nichts nennenswertes mehr. Das ich mitbekomme. Priyanka sitzt wieder allein in dem Raum, weiß nicht, was als nächstes passiert und da ich sie nicht allein lassen mag (sie beschwert sich schon, dass ihre Familie zu beschäftigt ist (womit auch immer), um sich um sie – die Braut – zu kümmern. Irgendwann wird sie nochmal abgeholt und ich werde gebeten, auf die Sachen im Raum aufzupassen. Um 15:47 Uhr steigen wir dann ins Taxi und fahren zum Schönheitssalon. Der Termin war um 12 und laut Priyanka ist das selbst für indische Verhältnisse viel Verspätung.

Und schon sitze ich auf dem Stuhl und bekomme Haare und Make-Up gemacht. Etwas, das mir wirklich garnicht liegt. Ich bin gespannt, wie das Ergebnis wird! Bisher wurden meine Haare trocken geföhnt und nun bekomme ich Locken. Ähnliches Prinzip wie bei Rouge. Zuerst wird meine Haut gleichmäßig hautfarben gemacht, um sie direkt im Anschluss wieder dort zu röten, wo sie es eh schon war. Der Nutzen erschließt sich mir nicht so ganz. Ich finde meine Naturlocken auch schöner, stelle ich fest. Dafür habe ich mich noch nie mit langen, glatten Haaren gesehen und demnach lohnt sich das ganze Prozedere dann doch etwas.

Zu Priyanka und Bhabli hatte ich gesagt, dass ich nur einen natürlicheren Look mit leichtem Make-Up mag, weil ich anderes nicht an mir gewohnt bin und ich mich dann fühle, wie ein Clown. Daraus ist irgendwie Nikolaus geworden und sie haben dem ganzen Personal hier erzählt, dass mir wichtig ist, nicht wie der Nikolaus auszusehen. Ja, nah dran. Es haben alle gelacht, ich auch. Und da der Nikolaus weder pinke Augen, noch pinke Lippen hatte, kann ich auch bestätigen, dass meine Bedenken gehört wurden. Hätte ich vielleicht doch etwas spezifizieren sollen. Naja. Das mit der pinken Farbe hier werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr los.

So, für heute war es das. Wie die eigentliche Feier heute Abend wird, werde ich dann die Tage berichten.:)

Namaste India!

Es geht wieder los. Es ist Donnerstag und ich mache mich auf den Weg zum Flughafen München. Den Weg teile ich mit einer Augsburgerin, die auf dem Weg in den Urlaub in der Türkei ist und einer pakistanischen Familie, die Heimatbesuch macht. Wir unterhalten uns alle gut. Eine sehr schöne und treffende Einleitung in eine Zeit, in der ich mich treiben lasse und gegenüber Austausch mit Fremden deutlich aufgeschlossener bin, als im Alltag. Ich reise wieder nach Indien. Priyanka heiratet und dieses Fest möchte ich mir nicht entgehen lassen!

Vor 10 Wochen bin ich erst aus Kasachstan zurückgekommen – einerseits gefühlt vor einem Monat, andererseits ist seitdem auch schon wieder viel passiert, sodass es doch auch irgendwo schon weit weg ist. Pläne ändern sich manchmal und in dem Fall hat der 2. Jobwechsel dieses Jahr auch einen Vorteil: es ermöglicht mir eine weitere Reise!

Die Securitymenschen am Flughafen sind ein bisschen überdreht, einer singt laut Jingle Bells und eine andere stellt Gästen, die nicht alle Regeln befolgen Quizze, bis diese rausfinden, was sie noch tun müssen.
<span;>Auf dem Weg zum Gate spricht mich ein Pilot an und fragt, wo ich hinfliege und wo ich her sei. Es stellt sich raus, dass er meinen Flug nach Cairo fliegen wird und sagt, wenn irgendwas sei, soll ich einfach nach Mustafa fragen, das sei er. Mustafa ist nett und wirkt kompetent. Da kann ich guten Gewissens einsteigen. Der Münchner Flughafen hat wohl aktuell etwas an sich, dass die Leute besonders freundlich macht.

In Cairo angekommen laufe ich wieder ein Stück neben Mustafa und (ich nehme an) seinem Copiloten. Sie fragen mich, wie ich den Flug fand und wünschen mir eine schöne Zeit in Delhi. Auch die Mitarbeiter hier sind gut drauf. Ich schaue, was es an Essen gibt und die Köche erklären mir übermotiviert, was sie alles für Pizzabeläge haben und ein anderer fordert mich fröhlich auf, an die Bar Platz zu nehmen. Wenn mit dem Anschlussflug jetzt auch noch alles klappt, könnte es garnicht besser laufen 🙂

Am Gate lerne ich Jane kennen. Sie kommt aus der Nähe von Düsseldorf, ist 29 Jahre alt und extrem aufgeregt – denn sie ist auf dem Weg zu ihrer Hochzeit. Raj wartet in Delhi auf sie und in 2 Wochen heiraten sie. Dass das Gate geändert wird und wir mindestens 4x vom Personal woanders hingeschickt werden, beruhigt sie nicht so sehr. Und dass dann endlich bei der Kontrolle am Gate ihr Ticket ein „no boarding allowed“ auf dem Display aufleuchten lässt, hat es auch nicht besser gemacht. Schließlich schaffen wir es aber ins Flugzeug und mit etwa einer Stunde Verspätung geht es dann los auf den nächsten Kontinent.

Noch vor der Landung in Delhi wird klar, was mit dem Smog gemeint ist. Erst etwa 10 m über der Landebahn kann ich diese sehen. Und beim Aussteigen riecht es etwas verbrannt. Gute Reisezeit. Ich nehme ein Taxi zur Wohnung eines Freundes von Micha und stelle mein Gepäck ab. Dann kommt eine Freundin vorbei, die mir das Gewand ihrer Schwester bringt, das ich als Hochzeitsoutfit ausleihen darf. Es passt überraschend gut und es ist nicht pink. Da die Leute hier dazu tendieren, mir rosa und pinke Sachen zu schenken, hätte es mich nicht groß gewundert, wenn ich ein pinkes Lehenga bekommen hätte 😀 <span;>Tatsächlich ist es sogar blau, eine meiner Lieblingsfarben. Da habe ich Glück.

Am Abend geht es weiter nach Varanasi, ich sammel noch ein wenig schlechtes Karma und nehme anstelle eines Nachtzuges einen Inlandsflug. Aufgrund von vielen Feiertagen gab es keine Fahrkarten mehr für den Zug. 800 km später komme ich mit Micha zusammen in Varanasi an und auch hier ist die Luft nicht merklich besser. Aber frische Luft kann ich ja auch in Augsburg atmen. Die ersten 2 Nächte schlafe ich in einem Zimmer in der Schule und am Sonntag ziehe ich um: zu Priyanka. Mit in ihr Zimmer, wir werden zusammen in ihrem Bett schlafen und was mich ja besonders ein paar Tage vor der Hochzeit stressen würde, findet sie gut, weil sie eh nicht gern allein schläft. Auf dem Weg von der Schule nehme ich eine Fahrradriksha und eine Straße vor der Kreuzung, an der ich eigentlich rausgelassen werden möchte, hat die Polizei eine Sperre eingerichtet und den Verkehr auf Fußgänger beschränkt. Als ich demnach absteige, kommt aber direkt ein Polizist zu mir und sagt, ich soll wieder aufsteigen. Dem Rikshafahrer sagt er, er solle durchfahren und wir müssen beide lachen. Da hat meine blasse Haut mal wieder einen Vorteil. Und wo ich es gerade von Vorteilen habe: der Smog ist für meine Haut tatsächlich garnicht schlecht, weil der UV-Index dermaßen niedrig ist, dass ich keine Sonnenmilch benötige! In Indien das Haus verlassen, ohne eingecremt zu sein – ein ganz neues Lebensgefühl!

Sanstag Mittag besuche ich das Lehrermeeting, um hallo zu sagen. Es wird unter anderem besprochen, dass die Kindergartenwand verputzt werden soll. Das machen ein paar Lehrerinnen mit 2 Klassen zusammen und ich werde direkt mit eingespannt. Dafür wird Kuhdung mit Lehm und Wasser vermischt und an die Wand geschmiert. Als dann noch vorgeschlagen wird, dass wir den Kuhdung eigentlich auch auf den Straßen einsammeln könnten, wird es den Lehrerinnen zu viel und es wird sich darauf geeinigt, den zu kaufen und liefern zu lassen. In so einem Moment hätte ich in Deutschland wohl gesagt (oder wenigstens gedacht), dass für sowas eindeutig nicht genug bezahlt bekomme. Aber ich bin in Indien, möchte Abenteuer erleben und dann wird Teil meines Abenteuers wohl, dass ich am Donnerstag Kuhkacke mit den Händen an eine Wand schmieren werde. Unerwartet, aber warum nicht?

Am Abend sitze ich auf dem Dach und genieße die etwa 10 m Ausblick über die Dächer. Mit der Dämmerung beginnen die Moscheen mit Gesängen und das fühlt sich ganz heimelig an. So habe ich hier früher einige Abende eingeleitet und es fühlt sich vertraut an. Morgen ist Dev Dipauli, ein Feiertag,  den ich zuletzt vor ziemlich genau 9 Jahren hier gefeiert habe. Krass, wie die Zeit vergeht! Und jetzt bin ich wieder hier und es ist schön.

Viele Grüße!

Bye, bye, Kazakhstan

Es ist Samstag, mein vorletzter Tag in Kazakhstan. Knappe 4 Wochen bin ich jetzt hier und die Zeit vergeht so schnell. Es kommt mir zum einen so vor, als wäre ich erst letzte Woche angekommen und gleichzeitig habe ich das Gefühl, mich mittlerweile schon ein wenig eingelebt zu haben. Ich freue mich mittlerweile, wenn ich einen Einkauf komplett auf russisch meistere, ohne zugeben zu müssen, dass ich kein russisch kann und nicht verstehe, was gesagt wird. „Incognito“ unterwegs zu sein gefällt mir. Des öfteren werde ich von Leuten aufgehalten und es werden mir Fragen gestellt. Die verstehe ich dann meistens nicht und sage, dass ich leider kein russisch verstehe. Aber entgegen meinem Erlebnis in Indien, wo ich in jeder Minute draußen als Ausländerin auffalle und ständig erklären muss, woher ich komme, finde ich es jetzt doch ganz angenehm, in der Masse unterzugehen.

Ich fliege von der Hauptstadt Astana zurück nach Deutschland. Astana ist sehr modern, sie wurde 1997 zur Planhauptstadt. Es gibt zahlreiche moderne und außergewöhnliche Gebäude und auch aktuell wird sehr viel gebaut. Eigentlich bin ich kein Fan von großen Städten, aber diese Stadt wirkt irgendwie futuristisch. Und, ein ganz großes Plus: einige Leute sprechen hier englisch. Das ist ziemlich angenehm! Zum Beispiel, wenn ich mit dem Bus fahre. Das ist hier nämlich so modern, dass es nur 2 Möglichkeiten gibt, ein Ticket zu erwerben: man bezahlt über ein System, für das man eine kasachische Steuernummer benötigt, oder man besorgt sich eine Chipkarte. Diese Karte als Ausländerin zu bekommen, sei aber wohl ziemlich kompliziert. Tourismus ist also vielleicht noch nicht ganz präsent hier. Oder man geht davon aus, dass Touristen nur Taxi fahren. Wobei such das aktuell nicht so einfach ist, wenn man aus einem Land kommt, das Russland sanktioniert. Wenn ich also Bus fahre, spreche ich eine Person an, die per App Karten kaufen kann und und von der ich vermute, dass sie evtl englisch spricht. Dann frage ich, ob sie mir vielleicht ein Ticket kaufen würde und ich zahle den Preis in bar. Das hat bisher auch fast jeder gemacht. Ich fotografiere den Bildschirm ab und das reicht schon aus zum vorzeigen.

Auf einer solchen Aktion lerne ich Aisana kennen. Sie ist 18 Jahre alt, Studentin und nebenbei Barista, weshalb sie öfter mit Ausländern in Kontakt kommt und gut englisch spricht. Sie kauft mir ein Ticket und als ich sie nach einer Restaurantempfehlung frage, nimmt sie mich kurzerhand mit in einen Gemüseladen, damit ich Gemüse kaufen kann. Sie hat nämlich auch erfahren, dass ich (eigentlich) keine tierischen Produkte konsumiere und dann blieb in ihrer Vorstellung außer frischem Gemüse wohl nicht mehr viel an Auswahl an Nahrung für mich übrig. Ich hatte zwar nicht vor, Gemüse zu kaufen, aber schaden tut es auch nicht. Wir unterhalten uns gut und zum Abschied schenkt sie mir die 4 Stücke Käsekuchen, die sie von der Arbeit mitgenommen hat. Sie sagt, er sei glutenfrei, habe aber Laktose. Ok. Passt nicht ganz mit vegan zusammen, aber sie ist lieb und ich habe den Eindruck, sie will mir noch etwas mitgeben. Das ist ja lieb und im Hostel finde ich bestimmt Leute, die Käsekuchen mögen. Der einzige Kuchen, der mir nicht schmeckt, ist nämlich Käsekuchen 😀

Das erinnert mich noch an zwei weitere Situationen. Zum einen war ich in einem Restaurant und habe 2x nachgefragt, ob die Suppe ohne Fleisch sei (weil es nicht leicht ist, vegetarische Gerichte zu finden hier). Die Kellnerin antwortete dann, dass kein Fleisch drin ist, aber Wein. Da bisher auch viele so etwas geantwortet haben, wie ‚kein Fleisch, aber Hühnchen‘ frage ich daher nochmal zur Sicherheit und sage, dass Wein für mich ok ist. Sie betont nochmal, dass Wein drin ist. Ich vermute, das ist für religiöse Leute relevant. Und einmal habe ich eine Polizistin gefragt, wo der nächste Geldautomat ist. Sie hat dann erstmal wissen wollen, wo ich herkomme und auf meine Antwort entgegnet sie mir, dass sie ja etwas türkisch spreche. Ah ja, schön. Leider habe ich meinen Türkischkurs nach einem Semester beendet und dementsprechend fließend bin ich in der Sprache. Ich frage mich, ob viele Ausländer so komische Antworten bekommen, wenn sie erwähnen, wo sie herkommen. Deutschland und die Türkei sind ja jetzt weder sprachlich, kulturell, noch geographisch sehr nah beieinander. Aber ok.

Jetzt ist es Sonntag und somit mein vorerst letzter Tag in Kasachstan. Komisch. Ich bin in einem Zwiespalt zwischen der Vorfreude darauf, wieder alles eigenständig machen zu können, mich einfach verständigen zu können und mich einfach auszukennen – und der Trauer darüber, dass ich mein Abenteuer beende. Die Freiheit, jeden Moment zu entscheiden, worauf ich jetzt Lust habe, die unglaubliche Möglichkeit, so einzigartige Landschaften erleben zu dürfen und doch auch mal etwas in eine neue Kultur einzutauchen. Das reizt mich, es erweitert meinen Horizont und bringt mich (denke ich zumindest) auch persönlich weiter. Irgendwie habe ich ja doch meine Komfortzone verlassen und ich denke, daran wächst man meistens. Noch dazu habe ich natürlich auch etwas über eine neue Kultur und deren Geschichte gelernt. Ich bin unglaublich dankbar, so privilegiert zu sein. Die Möglichkeit zu haben, so eine Reise anzutreten, weiß ich wirklich sehr zu schätzen. Und so bin ich jetzt auch wieder bereit, in meinen Alltag einzutauchen. Ich beginne einen neuen Job und bin gespannt, wie das wird. Mein Leben ist schön und ich freue mich darauf, wieder nach Hause zu fahren.

Mittlerweile sitze ich im Flugzeug zurück nach Deutschland. Mal sehen, ob ich an meinem Zwischenstopp Istanbul Internet habe, ansonsten werde ich schon wieder in Deutschland sein, wenn der Beitrag online geht.

Ich füge noch ein paar Impressionen von Astana ein:

Der Bilck von meinem Spot im Park, wo ich einen Nachmittag singend verbracht habe

Der Turm ist das Wahrzeichen von Astana.

In dem Zelt steckt ein Einkaufszentrum

Das ist die Spitze der Friedenspyramide, welche von Norman Foster entworfen wurde.

Es war mir eine Freude, meine Erlebnisse zu teilen und wer weiß, wann es auf die nächste Reise geht. Alles Gute und bis bald

Julia

Zurück in Astana

Der Tag war entspannt. Genau, wie der heutige Tag entspannt ist. Ich liege lange im Bett, fahre in die Innenstadt und bummel ein wenig. Eigentlich wollte ich etwas am Fluss entlang spazieren gehen, aber es ist kalt und windig. Wir haben 12° und es hat exakt das gleiche Wetter, das ich in Astana hinter mir lassen wollte. Offensichtlich nicht sonderlich erfolgreich. Ich finde in Pavlodar außer einer hübschen Kirche und einer hübschen Moschee nicht unbedingt sehenswertes und gehe daher immer wieder in kleine Geschäfte, um dem kalten Wind zu entfliehen. Abends mache ich mir Fertigramen. Wusste bis letzte Woche nicht, dass so fertiges Zeug auch schmecken kann! Und einfach ist es, das Hostel hat eine Küche und da kann ich Wasser kochen. Ich überlege, was ich noch mit meiner Zeit anstellen soll. Montag ist schon wieder Stichtag, da komme ich zurück. Und das ging jetzt doch so schnell. Immer wieder war ich am schwanken zwischen Einsamkeit und dem Bedürfnis nach Austausch und einer unglaublich großen Reiselust, die auch wieder ein wenig dazu führt, meinen westlichen Lebensstil zu hinterfragen. Ich treffe Menschen, die einen Weg für sich gefunden haben, viel zu reisen. Die einen in mehreren Blocks, die anderen in einer Auszeit, wieder andere arbeiten remote und reisen währenddessen. Ich denke, da muss jeder einen für sich passenden Weg finden und welcher das für mich ist, weiß ich noch nicht. Dauerhaft unterwegs zu sein ist sicherlich nichts für mich, dafür habe ich mein soziales Umfeld zu sehr ins Herz geschlossen. Ich wollte schon immer mal länger in einem fremden Land leben – wann ist dafür wohl der richtige Zeitpunkt? Kommt der überhaupt noch? Im Alltag fühle ich mich in Augsburg sehr wohl, besonders seit ich in mein Häuschen gezogen bin. Jetzt wegziehen kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Aber dann bin ich auf Reisen und diese Sehnsucht kommt wieder auf. Wer weiß, ob und wann es sich ergibt. Und wohin es mich dann zieht.

Mittlerweile ist es Mittwoch Abend und ich bin schon wieder im Zug zurück nach Astana. Wenn das Wetter schon schlecht ist, will ich doch lieber wo sein, wo man zumindest noch was machen kann. Astana hat Museen, Kinos, spannende Architektur und es gibt Touren in Nationalparks, falls das Wetter doch nochmal besser werden sollte. Schauen wir mal.

Ich checke im Hostel ein und bin in einem 8-er Zimmer mit 2 anderen Frauen. Eine spricht (natürlich) etwas deutsch, ihre Brüder wohnen wohl in Nürnberg und Erlangen. Die andere ist völlig überdreht und lässt mich garnicht mehr in Ruhe. Was ok ist, weil ich nichts vor habe. Nur ungewohnt. In anderen Hostels haben mir die Einheimischen Mitbewohner nicht einmal hallo gesagt. Die beiden kommen aus der näheren Umgebung Astanas und sind hier auf Jobsuche. Und scheinbar bin ich eine willkommene Abwechslung. Soll mir recht sein. Irgendwann ruft Papa an, was ich auch sage. Das hält meine übermotivierte Bettnachbarin allerdings nicht davon ab, weiter auf mich einzureden, oder Fragen zu stellen. Dafür klatscht sie auch gerne mal vor meinem Gesicht, wenn ich die Aufmerksamkeit WÄHREND DES TELEFONATES nicht auf sie richte. Ok. Papa hat sie demnach auch kennenlernen dürfen 😀 den Tag bin ich nur etwas in der Nachbarschaft rumgelaufen und gehe am Abend früh schlafen. Glücklicherweise wird meine Nachbarin von ihrem Freund angerufen, weshalb sie sich auf den Weg macht. Ich hatte schon gefürchtet, dass es sonst die ganze Nacht so weiter geht. Das Bett ist furchtbar unbequem, ich schlafe auf einer Federkernmatratze, deren Federn wild durchstechen. Es hat demnach einen Moment gedauert, bis ich eine Position gefunden habe, bei der ich nicht arg gestochen werde.

Es ist Freitag früh und ich checke schon wieder aus. Meiner nun schlafenden Nachbarin schreibe ich einen Zettel und gehe. Ich habe mir für 2 Nächte ein 5-Sterne-Hotel gebucht. Zugegebenermaßen wäre vermutlich jede andere Unterkunft besser gewesen, als das Hostel und es hätte sicherlich kein 5-Sterne-Hotel gebraucht. Aber es ist noch im Budget und ich habe Lust drauf, also warum nicht? Ein sauberes Bad (das ich mir nicht teile), ein bequemes Bett, ungestörte Nächte (und Tage). Es klingt nach einer sehr angenehmen Abwechslung. Ich bin auch gerne im Hostel, vor allem ist dabei schön, mit anderen Reisenden in Kontakt zu kommen. So ist es aber auch nicht schlecht 🙂

Dann fahre ich mit einem Taxi etwas außerhalb zu einer Gedenkstätte eines Camps aus Zeiten der Sowjetunion. Ein Camp für Frauen (und Babys) von „Staatsfeinden“. Es ist ein kleines Museum und erinnert stark an ein Konzentrationslager. Ich finde schade, dass wir zum Thema Sowjetunion so wenig in der Schule gelernt haben. Auf dem Rückweg schließe ich mich 2 älteren Frauen an, die mit dem Bus nach Astana fahren wollen. Zur Erleichterung der Damen im Museum, die versucht haben, ein Taxi für mich zu organisieren. Die beiden Frauen sind Freundinnen und wirken wie ein gutes Team. Marina spricht etwas englisch und ihre Freundin kann gut mit ihrem Smartphone umgehen. Wir warten länger auf den Bus, der nur 1x die Stunde fährt. Irgendwann werden sie etwas ungeduldig und halten ein paar vorbei fahrende Autos an, von denen uns aber niemand mitnehmen mag. Nach ein paar Anrufen erklärt mir Marina, dass der Bus gleich komme, da hält ein junger Mann an und überzeugt durch seinen unschlagbaren Preis von 500 (1€) statt 600 Tenge pro Person. Wir steigen ein und Marinas Freundin fängt direkt an, dem Mann zu erzählen, was sie über mich herausgefunden haben. Dabei fällt das Wort single und ich bin mir unsicher, ob sie mich da verkuppeln möchte, oder nur erwähnt, dass ich alleine reise. Die Frauen haben Kinder in meinem Alter, sind beide schon Oma und bemitleiden vermutlich meine Eltern. Sie steigen kurz vor mir aus, winken zum Abschied und werfen Kusshände zu. An diese Art von Verabschiedung könnte ich mich wirklich gewöhnen!

Dann checke ich im Hotel ein und nehme mir erstmal Zeit für eine ausgiebige Dusche. Wie schön. Am Nachmittag setze ich mich in einen Park, höre Musik und singe dazu. Es ist fast niemand hier und selbst die paar Leute, die mal vorbei laufen, sind mir dabei relativ egal. So schlimm klingt es schon nicht.

Ich bleibe bis zum Sonnenuntergang und mache mich wieder auf den Weg zurück ins Hotel. Hier mein Ausblick bei Nacht:

Vernunft über Bord

Ich schreibe mal wieder vom Zug aus. Diesmal allerdings nicht vom Nachtzug, sondern es ist ein Zug, der nur Sitzplätze hat. Die ca. 440 km sollen wir in etwa 7 Stunden zurücklegen – ich fahre von Astana nach Pavlodar.

Bin also gut in Astana angekommen, mit dem Flug hat alles wunderbar funktioniert. Außer natürlich, dass ich um 3 Uhr nachts dafür aufbrechen musste und entsprechend Schlafentzug habe. Ich verlasse also den Flughafen und bin auf dem Weg zur Bushaltestelle. Und stelle fest, es hat 12° und regnet. Für dieses Wetter bin ich wirklich nicht so weit gereist, da habe ich ja mal überhaupt garkeine Lust drauf. Ich war erst letzte Nacht auf die Idee gekommen, nach der Wettervorhersage für Astana zu schauen und hatte auch da schon festgestellt, dass wetter.com nicht gerade mein Wunschwetter vorhersagt. Auf der einstündigen Busfahrt in die Innenstadt suche ich ein günstiges Hostel raus, schaue, schaue wo man von Astana aus gut mit dem Zug hinkommt und wo das Wetter besser ist. Ich komme im Hostel an und buche für den Abend direkt einen Zug nach Pavlodar (Richtung russische Grenze im Nordosten). Meinen ursprünglich Plan, mit dem Bus weiter in einen Naturpark zum Wandern zu fahren, verwerfe ich aufgrund noch schlechterer Wettervorhersage. Zumindest vorerst. Stattdessen bin ich gespannt, ob es was interessantes in Pavlodar gibt. Wenn nicht, fahr ich halt wieder zurück. Zumindest konnte ich online ein Hostel und einige weitere Unterkünfte finden. Ich hatte nicht damit gerechnet, so schnell eine Alternative aufzutun, eigentlich hätte ich mir das Hostel auch sparen können. Aber jetzt bin ich schonmal da und es gibt Betten. Das überzeugt. Im Tante-Emma-Laden nebenan hole ich mir Ramen (ich bestelle mit meinen umfangreichen Russischkenntnissen und bin sehr stolz, dass es gut klappt), frühstücke die zusammen mit etwas Fladenbrot und lege mich schlafen. 2,5 Stunden später klingelt mein Wecker und ich breche auf zum Bahnhof. Der Schlaf hat sehr gut getan, ich bin froh, dass ich den noch mitgenommen habe. Die Sonne scheint und mittlerweile hat es 17°. Ok, so schlimm ist das Wetter vielleicht doch nicht. Aber das Ticket ist gekauft und ich fahre da jetzt hin 😀

Die Zugfahrt ist sehr angenehm. Es ist relativ leer, sodass ich nach etwa einer Stunde mit 2 älteren Damen gegenüber nun eine 6-Sitzer-Einheit für mich alleine habe. Ich lege mich auf einen Dreiersitz und es riecht nach Melonen. Mich beschleicht der Verdacht, mal wieder einen Melonendeal verpasst zu haben. Später sehe ich, wie ein Mann mit 2 riesigen Melonen aussteigt. Die Menschen hier müssen Melonen echt sehr gerne haben. Bisher habe ich in jedem Ort welche zum Kauf gesehen und dennoch fährt ein auffällig hoher Anteil meiner Mitpassiere mit einem meiner Meinung nach ungewöhnlich großen Melonenvorrat durch Kasachstan. Das Melonen-Passagier-Verhältnis in kasachischen Zügen liegt eindeutig außerhalbder Norm. Irgendwann kommt ein junger Mann vorbei und fragt, ob er sich zu mir setzen darf, denn er würde gerne sein englisch verbessern. Er ist sehr freundlich und ich habe außer meinen Melonengedanken nicht wirklich besseres zu tun in den nächsten Stunden. Also klar. Er heißt Dschingis Khan, studiert Jura und wir tauschen uns ein wenig über Familien, Orte und Themen aus, die uns gerade einfallen. Er kommt aus der Nähe von Pavlodar und muss wegen irgendwelcher Dokumente heim fahren. Er gibt mir noch Tipps, wo ich in der Umgebung von Pavlodar vorbeifahren könnte, es sind Seen mit Hügeln, vielleicht wird das also doch noch was mit wandern. Ich habe mir die Orte auf jeden Fall abgespeichert und werde versuchen hinzufahren. Seit etwa einer Woche habe ich mich nun so richtig ins Reisen eingefunden, einen Eindruck der Kultur erhalten und fühle mich richtig wohl in meinem Backpackerleben. Hach, reisen ist einfach schön. 3 Stunden vor mir steigt mein neuer Zugfreund leider wieder aus, sodass ich etwa 10 min alleine bin, bis ein Schaffner vorbei läuft und ich ihn frage, ob es hier irgendwo heißes Wasser für Tee oder Ramen gibt. In den Nachtzügen gibt es das und ich dachte, fragen kann man ja mal. 2 min später sitze ich mit den Schaffnern zusammen am Tisch,  sie machen mir mit ihrem Schaffnerwasserkocher Wasser warm und geben mir Tee und Schokowaffeln (zumindest das Ei und Brot zur Suppe konnte ich ausschlagen, aber bei Tee hört der Spaß auf). Einer der 3 spricht ein wenig englisch und darf dolmetschen. Es ist eine witzige Runde, kurz später verabschiede ich mich aber wieder. Ihr englisch ist erschöpft, mittlerweile haben wir halb 12 und ich werde müde. Da ist meine Motivation, mich extra anzustrengen, eine Konversation aufrecht zu erhalten eher gering ausgeprägt. Jetzt dauertes eh nur noch eine Stunde, bis wir schließlich in Pavlodar ankommen.

Ich liege völlig aufgedreht im bequemen Bett meines Hostels. Das war mir jetzt doch zu viel Abenteuer. Der Reihe nach.

Ich komme am Bahnhof an und laufe gemeinsam mit den anderen, wenigen Passagieren aus der Bahnhofshalle raus auf den Vorplatz. Von den Mitarbeitern meines Hostels weiß ich, dass ein Taxi etwa 600 Tenge kostet, außerdem sollen es zu Fuß nur 20 min sein. Das mit den 20 min kommt mir komisch vor, denn weder Google Maps, noch 2gis kennt einen Weg, der mich so schnell ans Ziel führt. Da die Taxifahrer 2000 Tenge von mir wollen und sich nur auf 1000 runterhandeln lassen, beschließe ich loszulaufen und auf dem Weg Autos ranzuwinkem. Es ist eine Frage des Prinzips, ganz klar. Das ist hier eine gängige Methode. Quasi trampen, aber man bezahlt dafür. Ich folge dem Wegvorschlag von 2gis und bin etwas irritiert, dass der Weg eine nicht beleuchtete Matsch-„Straße“ ist. Laufe ein Stück, da ich glaube, dass mich dieser Weg nach kurzer Zeit wieder auf eine richtige Straße führt. Schließlich würde ich gerne ein Auto anhalten und hier ist absolut niemand unterwegs. Wobei das nicht ganz stimmt, denn es laufen 2 bellende Hunde rum. Hunde, die erst von mir weglaufen und aber plötzlich durch einen Sinneswandel um mich herum und nicht besonders freundlich scheinen. Ich liebe Hunde aber die machen mir tatsächlich etwas Angst. Sie schreckt es ab, wenn ich meine Handytaschenlampe auf sie richte und meine Stimme etwas erhebe. Ich laufe schnell weiter, da sie sich entgegen meiner Laufrichtung entfernen. Ich komme an die Kreuzung, von der ich dachte, es sei eine richtige. Nope. Matschkreuzung im Nirgendwo. Um mich herum Gebüsch. Gut, an dieser Stelle würde ich dann eigentlich umdrehen, wären da nicht die Hunde. Denen möchte ich nicht nochmal begegnen. Also weiter. Laut 2 gis soll ich jetzt die Gleise überqueren. Hier ist aber keine Brücke oder ähnliches. Was bedeutet, dass ich nachts um 1 alleine mit meiner Handytaschenlampe in der einen und meinem Hut in der anderen Hand über ein etwa 20 m breites Gleisbett mit etlichen Gleisen steige. Ist nicht unbedingt mein präferierter Weg aber an dieser Stelle muss ich meine Ansprüche wohl runterschrauben. Dabei hilft zumindest zu wissen, dass die Züge recht langsam unterwegs sind und dieser Abschnitt der Gleise ist zudem beleuchtet. Von den Gleisabschnitten Kasachstans habe ich mir damit also vermutlich noch einen guten zum Überqueren ausgesucht. Auf der anderen Seite angekommen finde ich zum Glück schnell einen Weg, der mich zu einer großen, befahrenen und beleuchteten Straße bringt. Leider hält keins der vorbeifahrenden Autos an. Ich beschließe also, zur nächsten Tankstelle in ca. 50 m Entfernung zu gehen und dort jemanden um Hilfe zu bitten. Heute arbeitet Clavdia an der Tankstelle. Sie spricht kein englisch, wartet dafür aber geduldig, bis ich meinen kurzen Text in den Übersetzer eingegeben habe, in dem ich erwähne, dass ich mich auf dem Weg zum Hostel verlaufen habe (dieser „Weg“ ist seines Namens zumindest zu dieser Tageszeit wirklich nicht würdig) gerne ein Taxi rufen würde, aber die App auf meinem Handy nicht nutzen kann (ist eine russische App, ich vermute, es liegt an den Sanktionen). Und sie daher bitten möchte, für mich ein Taxi zu rufen. Sie nickt, holt ihr Handy und ich gebe ihr die Adresse. Dann sagt sie tschüss und verschwindet wieder im Inneren ihrer Tankstelle. Ich frage noch einmal, was die Fahrt denn koste und stelle fest, dass sie sich ekne Jacke holt, um draußen mit mir zu warten. Sie hatte zuvor durch ein kleines Fenster mit mir gesprochen. Wir stehen zusammen draußen und fangen ein wenig an, uns zu unterhalten. Ich bin noch etwas gestresst, weil mir der Weg zu ihr im Nachhinein doch Angst macht. Im Moment habe ich zwar mit mir selbst gesprochen und versucht mir einzureden, dass alles gut sei. Aber jetzt, wo ich ja erstmal sicher bin, wird mir sehr bewusst, dass ich diesen Weg überhaupt nicht in Ordnung fand und mich auch nicht wohlgefühlt habe. Noch bin ich aber auch noch nicht im Hostel und gemäß der App scheint der Fahrer sich nicht von der Stelle zu bewegen. Wir unterhalten uns weiter, ich erzähle, dass ich Touristin aus Deutschland bin. Ich bin ihr sehr dankbar, auch dafür, dass sie gemeinsam mit mir draußen wartet. Da fällt mir ein, dass ich noch ein Armband habe, welches ich von einem der Tanzmädels bekommen hatte. Es ist mir viel zu groß und so beschließe ich, es meiner neuen Tankstellenfreundin zu schenken. Sie freut sich sehr und lädt mich kurz später auf einen Kaffee drinnen ein. Sie sperrt die Tankstelle auf und ich darf mir am Automaten einen Kaffee aussuchen. Kaffee ist zusammen mit alkoholischen Getränken wohl das letzte, dass ich nachts um halb 2 jetzt gerne trinken würde, aber ich möchte die Geste nicht ausschlagen. Da mir Kaffee nicht schmeckt und ich einen schwarzen auswähle, bediene ich mich noch ordentlich am Sirup. Top. Kaffein und Zucker mitten in der Nacht, so habe ich mir das vorgestellt. Wir machen Selfis und tauschen unsere Instagram-Accounts aus, bis sie einen neuen Fahrer bestellt und dieser tatsächlich nach 2 min da ist. Clavdia ist meine Heldin des Monats.

Die Fahrt kostet 570 Tenge und somit fällt der Lerneffekt meiner nächtlichen Prioritätensetzung im Kampf zwischen Vernunft und Prinzipien etwas geringer aus, als er vermutlich sein sollte. Ich bin im Hostel, die Mitarbeiterin ist sehr lieb und nach einer Dusche liege ich im frisch bezogenen Bett. Clavdia hat mir noch geschrieben und gefragt, ob ich gut angekommen sei. Mittlerweile haben wir 3 Uhr morgens und ich liege hellwach im Bett. Ich schätze, morgen mache ich einen entspannten Tag.

Ich hänge zur Veranschaulichung noch ein Bild der Stelle an, an der mein Weg vor den Gleisen endete:

Schöne Welten bei Aktau

Es ist etwa halb 9 am Abend und wir halten glücklicherweise endlich an einem Bahnhof, wo ich noch was besorgen kann. Yeah. Ich klappere alle Stände ab, da ich auch nichts gegen eine richtige Mahlzeit hätte. Leider gibt es aber nur Fleisch in allen möglichen Formen (gedämpfte Teigtaschen, Gebäck, Spieße, Reis mit Fleisch, Kartoffeln mit Fleisch) zu kaufen und eine Frau hat noch 3 Fladenbrote. Ich nehme Wasser und ein Fladenbrot mit. Das Fladenbrot hat vermutlich schon vorgestern nicht geschmeckt – und ich glaube, das allerbeste Fladenbrot, das ich bisher hatte, ist aus Kasachstan. Von daher schon etwas enttäuschend. Aber mir geht es ja hauptsächlich um das Wasser, daher bin ich zufrieden.  Nachdem wir wieder in den Zug einsteigen, lädt mich eine Frau zum Tee trinken ein. Sie wirkt freundlich und außerdem haben wir gerade Internet,  weshalb ich mich mit ihr unterhalten kann. Sie essen Bonbons zum Tee, weshalb ich den grünen Tee auch runter bekomme. Mit genügend Zucker oder Fett kann man ja die meisten Speisen oder Getränke zumindest erträglich machen. Zwei Kinder gesellen sich zu uns, sie schließen sich ganz selbstverständlich der Runde an..das ist etwas, das ich schön finde. Die Eltern habe ich meistens schlafend oder relaxend erlebt, während ihre Kinder mit anderen Kindern spielen oder sich mit anderen Erwachsenen unterhalten. Dabei scheinen einige Erwachsene sich wirklich zu freuen, mit den Kindern quatsch zu machen, oder sich mit ihnen zu unterhalten. Das kann ich mir in Deutschland nicht vorstellen.

Am nächsten Morgen weckt mich mein Wecker um 3 und ich bin somit gerade so rechtzeitig um 4:45 Uhr fertig zum Ausstieg. Scheinbar sind wir jetzt erst in der neuen Zeitzone. Was bedeutet, dass Google gelogen hatte und mein erster Nachtzug mit ziemlich genau einer Stunde Verspätung angekommen war. Ich bin also viel zu früh auf und hätte etwas mehr Schlaf durchaus genossen. Dafür vereinbare ich mit der Teefrau, dass wir uns ein Taxi teilen. Offenbar ist der Bahnhof einiges vom Stadtzentrum entfernt und Busse fahren um die Uhrzeit noch nicht. Mein großer Rucksack wird zwischen meinen Oberkörper und das Armaturenbrett geklemmt und ich schätze, ein Unfall könnte mir so wirklich nichts anhaben. Praktisch. Wir teilen uns mit 2 weiteren Passagieren die Kosten und so zahle ich nur 2€ für die 45-minütige Fahrt. Die Teefrau wollte sogar für mich bezahlen. Aber das war mir zu viel, wir haben Nummern getauscht und sie hat mehrfach in den Googleübersetzer eingegeben, dass sie sich freuen würde, wenn ich sie anrufe. WhatsApp hat sie nicht und SMS kann ich ihr auch keine schicken. Ich bin mir unsicher, wie das Telefonat so ablaufen soll. Aber mal schauen.

Ich komme im Hostel an und beim etwa 5. Anruf hebt endlich jemand ab und 10 min später öffnet mir eine Frau die Tür. Ich habe ein Zimmer gebucht, da sie sonst nur 8-Bett-Zimmer hatten und ich sicherstellen wollte, dass ich genug Ruhe zum Schlafen bekomme. Es befindet sich eine Frau im Zimmer. Gut, vielleicht hätte ich auch so meinen Schlaf bekommen. Mein Zimmer geht direkt vom großen Zimmer ab. Es hat ein Bett, einen Nachttisch, einen Stuhl und einen Kleiderständer, kein Fenster. Ich lege mich erstmal schlafen.

Gegen 10 werde ich wieder wach und stehe auf. Ich treffe Timon, einen Holländer, der seit 5 Monaten mit dem Motorrad durch Asien tourt. Wir freuen uns beide, mal wider mit jemandem aus ähnlichem Kulturkreis zu sprechen und beschließen, gemeinsam Aktau zu erkunden. Auch er ist gerade erst angekommen. Wir laufen etwas am Kaspischen Meer entlang und finden bald ein Restaurant. Die Karte ist wie üblich auf russisch oder kasachisch und nun wird sich mein Leben grundlegend ändern: denn Timon zeigt mir, dass man mit Google lens Fotos aufnehmen kann und die Schrift wird dann automatisch in eine Sprache meiner Wahl übersetzt. Verrückte Welt. Wo ich in Kindergeschwindigkeit kyrillisch gelesen habe und versuchte zu verstehen, was das sein könnte, hat Timon also einfach die Übersetzung parat gehabt. Ich fühle mich echt old school! Der Kellner kommt und da wir noch keinen Blick auf die Getränkekarte geworfen hatte, frage ich, ob sie Saft haben (danke Duolingo). Haben sie, er will wissen, welchen Saft ich gerne hätte. Da ich nur das Wort für Apfel gelernt habe, wähle ich Apfelsaft. Der Kellner nickt und geht und ich bin so glücklich, dass ich gerade eigenständig mit ein paar russischen Wörtern meine Bestellung aufgeben konnte! Das sage ich auch laut. Bis mir auffällt, dass Apfel das Wort ist, welches ich immer mit einem anderen Wort verwechsel. Möglicherweise (ziemlich sicher) habe ich gerade Hundesaft bestellt 😀 ich lasse Timon von meiner unkonventionellen Getränkebestellung wissen und wir sind gespannt, was kommt. Es schmeckt nach Apfelsaft 😀

Wir machen noch einen ausgiebigen Spaziergang entlang der Uferpromenade und ich laber den armen Timon ganz schön voll. So sehr, dass ich mittlerweile heiser bin. Abends gehen wir nochmal essen, diesmal ohne Zwischenfälle bei der Bestellung. Am nächsten Morgen breche ich auf zu einer Tour in einen Nationalpark und Timon fliegt seinem per Fähre verschickten Motorrad nach Aserbaidschan hinterher. Ich komme am Abfahrpunkt an und stelle fest, dass von uns 10 Teilnehmern 6 nicht russischsprachige Ausländer sind. Das kommt für uns alle unerwartet, wir sind 3 Deutsche, ein Holländer mit seiner chinesischen Frau, ein Ami (der in Thailand aufgewachsen ist), 2 Russen und 2 Kasachen. Unsere Reiseleiterin ist etwas übermotiviert und lässt uns direkt zu Beginn der Fahrt Namen ziehen und wir sollen der Person etwas nettes wünschen und eine Kleinigkeit schenken. Ich bin als erste dran, na super. Wünsche gehen ja noch, aber ein Geschenk? Am Ende gebe ich meine Banane her. Andere schenken Münzen aus dem Ausland oder ein schnell gefaltetes Papierboot. Sie waren etwas kreativer als ich. Was das genau ist, wo wir ankommen, weiß ich auch nicht. Es sind riesige Felsformationen in einem Gebiet, das wohl ~132 m unter dem Meeresspiegel liegt. Die Sonne prallt runter, es ist trocken und ich schätze, es wäre sehr unpraktisch, hier zu stranden. Ich habe auch keine Ahnung, wie unser Fahrer den Weg hierher gefunden hat, denn nach 2 Stunden Fahrt auf einer relativ neu asphaltierten Straße ging es die restlichen 2 Stunden über Feldwege in der Steppe. Ich füge mal wieder ein paar Fotos ein, damit man eine Vorstellung bekommt:

Was ich nett finde ist, dass kasachische Touristen an Sehenswürdigkeiten Fotos zusammen mit ihrer Flagge machen. Da habe ich mich direkt angeschlossen 🙂

Wir sind an unwirklichen Orten und glücklicherweise sind wir auch die einzigen dort. Es ist also alles andere, als überlaufen und man kann die Atmosphäre richtig auf sich wirken lassen. Wie schön. Ich fühle mich klein und meine Sorgen scheinen eigentlich doch so lapidar. Hier würde ich gerne öfter herkommen.

Als ich abends zurück ins Hostel komme, sind einige neue Leute da. Ein Münchner, ein Pole, der in München lebt, ein Inder, ein Japaner und eine Kanadierin. Es ist nett, aber nach dem doch anstrengenden Tag bin ich müde und gehe schlafen. Am Samstag freunde ich mich mit Karen, der Kanadierin an. Sie ist im Alter von Mama, arbeitet für eine Airline und kann daher sehr günstig fliegen. Sie hat schon einiges von der Welt gesehen und wir haben eine Menge Stories auszutauschen. Es ist ziemlich witzig mit ihr. Wir machen einen entspannten Tag und gehen zusammen Abend essen.

Und schon ist Sonntag. Ich sitze am Ufer, im Schatten unter einem Felsen. Ein paar Kinder und Männer schwimmen im Wasser und wenige Boote sind unterwegs. Eigentlich hätte ich heute nochmal eine Tour zu anderen Felsen gehabt, leider haben sie aber vergessen, mir rechtzeitig Bescheid zu geben, dass die Tour abgesagt werden muss. Deshalb habe ich nochmal einen entspannten Tag am Kaspischen Meer. Besonders böse drum bin ich nicht, denn mittlerweile bin ich erkältet und es wäre schon etwas stressig und anstrengend gewesen. Heute Nacht fliege ich nämlich schon nach Astana, in die Hauptstadt. Der Flieger geht um 6 Uhr morgens, eine sehr angenehme Zeit. Alternative Flüge waren um einiges teurer, deshalb habe ich mich für diese unwürdige Zeit entschieden. Um 3 sollte ich laut meinem Hostelleiter aufbrechen und von der Tour heute wäre ich erst gegen halb 12 nachts zurück gekommen. Ein entspannter Tag mit früh schlafen gehen kommt mir heute daher nicht ganz ungelegen.

Ich habe übrigens mittlerweile erfahren, dass die Zeiten auf den Zugtickets unabhängig des Abfahrts- und Ankunftsortes einfach alle in Astana-Zeit angegeben werden. Das heißt, Google hatte vermutlich doch recht mit der aktuellen Zeit an meinem Umstiegsbahnhof und ich habe einfach nicht gewusst, dass die Zeitangabe auf dem Ticket für eine andere Zeitzone gilt. Das halte ihr auch für nicht besonders praktisch. Aber gut. Ich habe nachgefragt, ob das bei den Flugtickets auch so ist, aber mir wurde gesagt, dass die Zeitangaben in der Zeitzone des jeweiligen Flughafens gilt. Das werde ich ja dann heute Nacht sehen.

(Fast) verpasst: von Zügen und Melonen

Ich fühle mich overdressed. Das kommt nicht häufig vor in meinem Leben. Vor allem nicht, wenn ich auf Reisen bin, da bin ich eher konsequent underdressed. Ich liege auf meinem Platz (diesmal auf dem richtigen, das wurde mir mehrfach bestätigt) im Nachtzug nach Shalkar und trage eine lange, dünne Hose und ein T–Shirt. Es passt einigermaßen zusammen, aber es ist jetzt auch nicht so, als könnte man das nicht leicht toppen. Aber tatsächlich tragen die meisten meiner Mitfahrer*innen einen Pyjama. Und mit Pyjama meine ich so richtig zusammenpassende Zweiteiler. So etwas befindet sich nicht einmal in meinem Besitz. Wenn man es genau bedenkt, bin ich vielleicht doch eher underdressed. Ich in meiner Alltagskleidung.

Als ich noch am Bahnhof auf meinen Zug gewartet habe, fand ich einen Mann ziemlich aufdringlich. Aber glücklicherweise kamen da gerade auch 4 Reisende an, denen ich die Tage schon beim Einkaufen begegnet war. Zwei Mütter mit ihren Kindern (~7J und ~11J), die deutsch sprechen. Sie haben mich zu sich hergewunken (ich bin ihnen sehr dankbar für die Aufmerksamkeit) und so war ich den Typen los. Leider haben sie einen Zug vor mir genommen, weshalb sie auch gleich wieder weiter sind. Aber den Rest der Wartezeit konnte ich dann trotzdem wieder in Ruhe verbringen. Ruhe – etwas, das ich hier eher zu viel als zu wenig habe – ist mir dann doch lieber, als blöd angemacht zu werden.

Ich drehe mich von Seite zu Seite und fühle mich wie ein Dönerspieß. Ich liege auf einem oberen Gangplatz. Was zur Folge hat, dass ich direkt an einem Fenster liege. Und uns trennt zwar ein roter Vorhang, aber der strahlt ganz schön gut Wärme ab. Es werden abwechselnd mein Hintern und Bauch gut gewärmt. Ich versuche zwar, mir einzureden, dass es wie eine Wärmelampe ist und Wärme mag ich ja. Aber in dem Fall bin ich nur semi begeistert. Die Liege ist etwa 50 cm breit und 1,80 m lang. Die Matrazenauflage ist allerdings etwas breiter und scheinbar liege ich unvorteilhaft, denn ständig rutsche ich. Vielleicht liegt es auch an meinen Dönerspießdrehungen, jedenfalls ist das hier gerade nicht so ideal. Kurz vor meiner Abfahrt habe ich mir noch ein paar Podcastfolgen runtergeladen und ich beginne mit einer. Die Reihe heißt „Are you Garbage“, es werden amerikanische Comedians interviewt und ich finde es extrem nervig. Das ist eine Antiwerbung, hört euch das nicht an. Aber immerhin reden sie auf einer Sprache, die ich verstehe und so lasse ich es laufen. Irgendwie fühle ich mich damit weniger allein unter all den Leuten um mich herum.

Und dann sind da wieder diese kleinen Momente, die für mich das Reisen reisenswert machen. Eine ältere Frau, Sonia, kommt vorbei und unterhält sich ein wenig mit mir. Fragt, wo ich herkomme, was ich mache, ob ich verheiratet sei. Sie spricht recht gut englisch und es ist mir eine Freude, mich mit ihr zu unterhalten. Wie viele Leute hier, kann sie ein paar Brocken deutsch. Ihr Brocken beinhaltet den Satz: „Wie viel kostet eine Flasche Wein?“, eine Freundin habe ihr den Satz beigebracht. Irgendwann verabschiedet sich meine neue Zugbekanntschaft wieder und schon taucht der Kopf meiner lächelnden Liegenachbarin (sie liegt unter mir) auf und sie hält mir ihr Handy hin, wo sie extra auf deutsch übersetzt hat, ob ich mich setzen möchte, dann baut sie ihr Bett wieder in eine Sitzbank mit Tisch um. Ich finde das Liegen aber angenehmer und unterhalten könnte ich mich auch nicht mit ihr, also verneine ich dankend. Am Nachmittag laden mich andere Liegenachbarn zum Tee trinken ein. Das ist sehr lieb, nur leider finde ich grünen und schwarzen Tee scheußlich und sie sprechen kein einziges Wort englisch. Ich kann ihnen auf russisch aber nur erzählen, dass ich Julia heiße, aus Deutschland komme und ein paar willkürliche Dinge benennen (zB. „Das ist eine Katze“). Leider sind hier aber keine Katzen (oder Hunde). Ab und an sieht man Pferde (vielleicht sogar wilde Pferde?) in der Steppe. Aber ich weiß auch nicht, was Pferd heißt. Meine Kommunikationsfähigkeiten sind etwas beschränkt. Ab und an halten wir an Stationen, wo wir ~20 min stehen und man sich Essen und Getränke am Bahnhof kaufen kann. An einer solchen Station steigt beinah der ganze Zug aus und kauft sehr, sehr viele Melonen. Die Leute steigen mit 3-4 Melonen pro Person ein. Wassermelonen (sehr große) und die anderen schauen aus, wie Honigmelonen, nur sind sie so groß, wie die Wassermelonen). Mich beschleicht der Verdacht, einen sehr, sehr guten Deal verpasst zu haben. Falls ihr mal nach Kasachstan kommt: die Station war Chieli.

20 Minuten später. Sonia taucht wieder auf. Juhu! Diesmal zusammen mit einem jungen Mann, dessen Namen ich nicht aussprechen kann. Er ist 18, fährt in ihrem Abteil und spricht ein klein wenig englisch, weshalb Sonia entschieden hat, dass er die Gelegenheit am Schopfe packen und mit mir üben sollte. Und er hat offenbar nichts dagegen, vielleicht kommt ihm die Abwechslung auf der Zugfahrt auch entgegen. Sie fahren nämlich von Almaty (16 Zugstunden vor Turkestan) nach Uralsk (~32 Zugstunden nach Turkestan) mit dem Zug durch. Ein paar junge Mädels in der Nähe hören auch etwas zu und ihnen wird übersetzt. Die Mädels waren auf einem Tanzwettbewerb und haben Pokale dabei, mindestens eine von ihnen hat den ersten Platz belegt! Sie zeigen mir ein Video, wie eine von ihnen einen klassischen, kasachischen Tanz aufführt und damit den ersten Platz belegt. Wir unterhalten uns noch länger, bis wir gegen 11 Uhr schlafen gehen. Diese Nacht schlafe ich wie ein Stein. Zur Sicherheit stelle ich meinen Wecker auf zwei Uhrzeiten, denn ich fahre in eine andere Zeitzone und bin mir unsicher, ob mein Handy rechtzeitig die neue Zeitzone übernimmt (weil streckenweise ja wirklich garkein Netz vorhanden ist). Ich weiß auch nicht, wo die Grenze der Zeitzone ist, und wie das genau funktioniert mit dem Handy. Als ich mit dem ersten Klingeln über die Ortung von Google maps feststelle, dass wir noch ein gutes Stück von Shalkar entfernt sind, bleibe ich aber noch liegen und stehe mit dem 2. Klingeln eine Stunde später auf. In Erinnerung an den gestrigen Abend wache ich mit einem Lächeln auf. Für den Fall, dass ich liebe Leute kennen lerne und ihnen ein kleines Dankeschön geben möchte, habe ich einige Tafeln Schokolade und andere Snacks aus Deutschland im Gepäck. Und davon habe ich noch ziemlich viel über, weshalb ich beschließe, Sonia und dem Kerl sowie den Tanzmädels etwas zu geben. Sonia finde ich einen Wagon weiter, sie schläft noch. Ich schreibe ihr einen kurzen Zettel und hinterlasse ihn mit der Schokolade auf ihrem Tisch. Ein paar der Mädels sowie ihre Trainerin sind schon wach, ihnen gebe ich auch einige Tafeln. Sie freuen sich sehr und geben mir als Andenken ein paar Münzen ihrer Währung und zwei der Mädels schenken mir ihre Armbänder. Und dann sind wir auch schon an meiner Endstation angekommen und winken zum Abschied. Das war eine schöne Zugfahrt.

Ich bin am Bahnhof und hatte zuvor auf Google maps gesehen, dass ganz in der Nähe ein See ist. Mein Plan ist, mich samt Gepäck an den See zu setzen und dort die 5 Stunden bis zum Anschlusszug zu überbrücken. Eventuell mit Zwischenstopp in einem Restaurant oder Cafe. Auf dem Weg zum See merke ich schon, dass ein ganz schön kalter Wind geht. Zum Glück trage ich in den Wandersandalen noch Omas Wollsocken. Angekommen am See stelle ich fest, dass mir trotz Wollschal, den ich zur Decke umfunktioniere, zu kalt ist. Die Restaurants und Cafes haben noch geschlossen, also laufe ich zurück zum Bahnhof. Für den Weg werfe ich mir den Schal als Kopftuch über und ziehe den Hut darüber. Mein Outfit ist heute wirklich schwer zu toppen. Beinahe würde ich so weit gehen und mich als Trendsetter bezeichnen. Zumindest setze ich hier ganz bewusst ein modisches Statement! Am Bahnhof finde ich ein Cafe und frühstücke zwei frittierte Brote mit Kartoffelfüllung und Tee. Dann stehe ich eine Weile in der Bahnhofshalle rum, weil hier mitten an einer Wand eine Steckdose liegt und ich mein Handy laden kann. Etwas später stehe ich wieder hier, um vor meiner Weiterfahrt in einer Stunde nochmal den Akku voll aufzuladen und telefoniere mit einer Freundin. Nach etwa 4 min fragt mich ein Polizist via Google Übersetzer, was ich hier mache und nachdem ich ihm mein Zugticket zeige, deutet er mir gestresst, dass der Zug, der schon eine Weile hier steht, meiner sei, schnappt sich meinen Rucksack und rennt zum Zug. Ich hole meinen großen Rucksack und humple mit dem schweren Teil hinterher. Eine Schaffnerin öffnet dem stürmisch klopfenden Polizisten glücklicherweise eine Tür und erklärt mir gleich 4x, dass ich in Wagon 1 sei und mein Platz in Wagon 3 ist. Ich schätze, sie geht aufgrund meines Verharrens (aka Zusammenpackens) davon aus, dass ich hier in der Tür Wurzeln schlagen möchte. Als ich aufbruchbereit bin, bestätige ich ihr, dass ich in Wagon 3 gehe und finde kurz später auch schon meinen Platz. Ich bin immernoch verwirrt. Ich hatte extra gegoogelt, welche Zeit in Shalkar ist und dort wurde mir angezeigt, dass wir 12:30 Uhr und nicht 13:30 Uhr haben. Weshalb ich davon ausging, dass mein Handy noch die alte Uhrzeit drin hat. Entweder bin ich also doch nicht in einer anderen Zeitzone, Google zeigt die falsche Zeit, ich habe Denkfehler, oder der Zug fährt eine Stunde zu früh. Naja, ich habe auch schonmal beinahe meinen Flug verpasst, obwohl ich schon einige Stunden am Gate war. Irgendwie klappt dann doch immer alles. Meine direkten Sitznachbarn sind Yasmin, ein etwa 5-jähriges Mädchen mit ihren Eltern und Großeltern. Sie steigen auch in Aktau aus, was mich beruhigt – so verpasse ich den Ausstieg bestimmt nicht. Mit Yasmin reisen auch ihre 2 Barbies und sie und benachbarte Kinder spielen zusammen mit ihnen. Auch in diesem Zug haben einige Leute Melonen im Gepäck. Ich finde es ganz angenehm hier. Bisher hat sich noch niemand als englischsprachig geoutet, deshalb ist es recht ruhig für mich. Dafür fahren wir an sehr vielen Pferdeherden vorbei, mittlerweile bin ich relativ sicher, dass sie wild sind. Ab und an kann man auch Kamele sehen. Leider sind sie immer so weit weg, dass man auf Fotos kaum was erkennt. Ich hoffe, dass wir bald wieder einen längeren Halt haben, denn ich habe noch kein Wasser gekauft und wollte auch noch ein Fladenbrot als Abendessen besorgen. Es ist 21:32 Uhr, ich hatte die Hoffnung eigentlich aufgegeben aber wir stehen und ich habe beides kaufen können! Was gut ist, weil mein Getränkevorrat leer ist. Das Fladenbrot ist nicht halb so gut, wie es sei. Könnte, aber ok. Hauptsache Wasser!

Turkestan

Die Nacht im Zug ist durchwachsen. Abends gegen 11 Uhr kommt auf, dass ich auf dem falschen Platz bin, ich hatte auf dem Ticket die falsche Zahl für die Platznummerierung gehalten. Als ich also auf meinen richtigen Platz gehen will, deuten mir der Schaffner und der Familienvater in meinem 4er-Abteil, ich solle bleiben. Also bleibe ich. Die Familie wird,plötzlich nochmal ziemlich aktiv und ich finde nicht unbedingt in einen,ruhigen Schlaf. Gegen 2 Uhr weckt mich dann der Schaffner, jetzt soll ich den Platz wechseln. Also Bett abziehen und das gegenüber liegende beziehen. Die Familie packt derweil ihre Sachen, sie steigen bei der nächsten Haltestelle aus. Ich lege mich in mein neues Bett und nachdem die Familie weg ist und 3 andere Leute ins Abteil kommen, wird es endlich ruhig. Trotzdem werde ich ständig wach und überprüfe, ob ich meinen Wecker eventuell überhört haben könnte. Habe ich nicht. Um kurz nach 7 sollen wir in Turkestan ankommen, um 6 weckt mich der Schaffner und deutet mir, dass ich beim nächsten Halt raus muss. Ich freue mich, dass der Schaffner an mich denkt, hätte es aber auch durchaus für gut befunden, hätte er eine halbe Stunde später an mich gedacht. Aber gut, da ich eh schlecht geschlafen habe, kann ich auch gerne wach sein. Es wird langsam hell und so habe ich noch etwas Zeit, um die ewige Steppe anzuschauen.

Für diese Nacht habe ich mir ein Luxushotel ausgesucht. Es kostet nur 85€ und dann hab ich Abwechslung zum Hostel. Und es schaut auch echt schön aus! Die nähere Umgebung erinnert mich etwas an Wertheim Village, es ist eine kleine Stadt für Touristen. Ich werde fündig und kaufe mir einen Hut. Draußen vor dem Geschäft fragt mich ein Mann, woher ich komme. Er hat drinnen schon gemerkt, dass ich wohl Ausländerin sei und stellt mir direkt seine ca. 14-jährige Tochter vor, mit der ich doch bitte ein wenig reden möge, damit sie etwas englisch üben kann. Gerne doch, sie ist nett. Am Ende empfehlen sie mir noch ein Restaurant und machen sich auf den Weg. Mittlerweile hat die Dämmerung eingesetzt und ich trage meinen Hut in der Hand. Und schon werde ich von einer Frau angesprochen, sie würde gern kurz meinen Hut ausleihen für die Fotos, die ihre Freundin gerade von ihr macht. Das ist eine etwas unerwartete Anfrage, aber warum nicht 😀

Hier die Touristenstadt, in der auch mein Hotel liegt: 

Es ist Sonntag und es regnet. Zum ersten mal, seit ich in Kasachstan bin. Hätte wegen mir auch eine Stunde später einsetzen dürfen, bevor ich in ein preiswerteres Hotel umgezogen bin, aber ok. Es kühlt etwas runter und da die Sonne nicht zu sehen ist, kann ich mal ohne Sonnenschutz raus – auch nicht schlecht. Ich laufe zum Mausuleum vor. Beeindruckend, was die Menschen früher schon für große Gebäude gebaut haben. Ich zahle als Ausländerin 1€ Eintritt und folge erstmal den anderen ca. 10 Leuten, die auch rein wollen. Scheinbar bin ich aber in einer Sitzung gelandet, in der gebetet wird und irgendwelche religiösen Sachen gesagt werden. Upsi. Da wollte ich eigentlich nicht rein. Ich verstehe weder sprachlich, noch sonst, was genau passiert und warte ab, bis die Leute aufstehen und weitergehen. Und dabei stellt sich raus, dass das Mausuleum wegen Bauarbeiten von innen nicht zugänglich ist, man kommt lediglich in 3 Vorräume. Kurz frage ich mich, warum die Verkäuferin der Tickets nichts gesagt hat. Aber vielleicht hat sie das ja und ich hab es -Überraschung- einfach nicht verstanden. Um das Mausuleum herum liegt eine riesige Parkanlage. Perfekt, um sich mit einem Buch hinzusetzen!

Mausuleum:

Am Abend gehe ich in einem Restaurant und im Gegensatz zu vielen Kommunikationsaufnahmen meinerseits, die aufgrund der Sprachbarriere abgeblockt werden, ist meine neue Kellnerin des Vertrauens ganz besonders bemüht, mich gut zu bedienen. Wir schreiben uns über den Google Übersetzer hin und her und sie hört garnicht mehr auf, zu schreiben 😀 ich mag sie. Ich bestelle eine Gemüsesuppe mit Brot. Die Suppe ist eine Brühe mit 2 Scheiben Möhren und einer ganzen Kartoffel drin. Und Dill. Bevor ich hierher kam, habe ich mich nicht recht mit Dill anfreunden können. Aber da hier etwa 85% der Gerichte, die ich bisher gegessen habe, mit Dill gewürzt sind, hab ich mich wohl an den Geschmack gewöhnt. Die Suppe schmeckt gut.

Jetzt haben wir schon wieder Dienstag und ich mache mich gleich auf den Weg zum Bahnhof. Ich fahre mit dem Nachtzug nach Shalkar, um dort morgen Mittag den nächsten Nachtzug nach Aqtau zu nehmen. Ich fahre ans Kaspische Meer, also ganz in den Westen. Da ich die Tage etwas schlapp bin, hoffe ich, in den Zügen viel zu schlafen und wieder ganz fit anzukommen.

Bis dahin viele Grüße aus weiter Ferne!

Canyonhopping und eine neue Freundin

Die Bustüren schließen sich und wir fahren los. Für Donnerstag stehen 3 Canyons auf dem Plan: zuerst Black canyon, dann Lunar Canyon und zum Schluss der größte – Charyn Canyon. Es gibt einen Zwischenstopp, wo wir uns etwas Essen besorgen können, da wir sonst nirgends mehr vorbeikommen. Ich nehme einen Salat mit und habe noch Brot und Knabbergebäck im Rucksack. Kurz vor der Ankunft am ersten Canyon fängt unsere Reiseleiterin wieder an, etwas zu erzählen. Nach etwa 7 min auf russisch erklärt sie uns 4 nicht russisch sprachigen auf englisch, dass wir gleich ankommen, es gibt Toiletten und Treffpunkt am Bus ist um 11:25 Uhr. Das Längenverhälnis der russischen und englischen Durchsagen war jetzt immer etwa gleich. Offenbar braucht man in russisch deutlich mehr Wörter, um das auszudrücken, was in 2 min auf englisch übermittelt werden kann 😀

Wir klappern die ersten beiden Canyons ab, sie sind nicht so groß und man kann auch nur von einem Punkt aus darauf schauen. Deswegen sind sie aber natürlich nicht weniger eindrucksvoll. Ich setze mich auf einen Felsvorsprung und starre auf die Felsen, bis mir auffällt, dass mir eine Frau (etwas jünger als ich) winkt und zulächelt. Wie nett, ich winke zurück. Leider verstehe ich nicht, was sie sagt, aber es stellt sich raus, dass sie sogar deutsch lernt! Und englisch spricht. Jackpot. Sie ist Russin und reist mit einer Freundin zusammen durch Kasachstan. Die beiden hätten mich schon gestern an den Seen gesehen und da aus irgendeinem Grund Fotos von mir gemacht. Und auch gerade hätten sie mich fotografiert, wenn ich möchte, könnten sie mir die Bilder schicken. Ich hinterfrage das einfach nicht, sondern freue mich, Fotos von mir zu bekommen 😀 natürlich ist es sehr sonnig und für meine Vampirhaut bedeutet das, sie möchte maximal geschützt werden. Man sieht also hauptsächlich eine Ansammlung von Stoffen:
Ehrlich gesagt finde ich aber noch eindrucksvoller, dass es hier im Nirgendwo eine Toilette mit Spülung gibt. Weiter geht es zu Sharyn Canyon, dem größten der drei. Hier haben wir 4 Stunden Zeit und können die etwa 2 km bis zum Fluss vor laufen. Die Leute sind recht verteilt und so bekommt man den Eindruck, beinahe allein zwischen diesen hohen Felsen zu laufen. Das gefällt mir. Am Ende angekommen, stehen mehrere Unterstände mit Sitzgelegenheiten, auf denen sich die Leute sammeln. Ich laufe den Fluss etwas weiter vor und setze mich dort unter einen Baum. Und lausche dem Rauschen. Weg vom Lärm der Leute und dafür direkt am türkisfarbenen Fluss, der sich seinen Weg zwischen den rötlichen Felsen schlängelt, finde ich es sehr idyllisch.

Und dann ist die Zeit auch schon wieder rum und wir sitzen im Bus auf dem Heimweg nach Almaty. Neben mich setzt sich ein Mädchen, sie ist 12 Jahre alt und reist mit ihrem Bruder und den Eltern. Sie hatte sich bei der Abfahrt schon neben mich gesetzt und gefragt, ob wir gemeinsam ein Selfi machen könnten. Sie hat also direkt gemerkt, dass ich Ausländerin bin und mein mir unverständliches aber vorhandenes Bedürfnis, als solche wahrgenommen zu werden, endlich erfüllt. Ich mag sie. Während der gesamten 2 Tage, die wir uns ab und an sehen, winkt sie mir immer glücklich zu. Bis sie mich einmal fragt, ob ich jetzt allein im Bus sitze. Als ich bejahe und ihr sage, dass sie sich gerne wieder zu mir setzen könne, lehnt sie allerdings ab und sagt, sie setzt sich neben ihren Bruder. Aha. Bin ich in den Augen einer 12-jährigen also uncooler, als ihr 14-jähriger Bruder. Und schon mag ich sie weniger. Dass sie zum Schluss aber doch wieder bei mir sitzen will und auch kaum aufhören mag, sich mit mir zu unterhalten (sie spricht ein wenig englisch), bringt wieder Pluspunkt ein. Irgendwann wird zum Glück auch sie müde und schläft ein wenig.

Jetzt haben wir Freitag Nachmittag und ich liege im Bett eines Nachtzuges. Wie habe ich es vermisst, auf diese Art zu reisen! Bepackt mit deutlich mehr Snacks, als ich bräuchte, liege ich in einem Viererabteil zusammen mit einem Mann, seinen zwei kleinen Kindern und der Oma. Wir unterhalten uns etwa 5 min über Google, bis das Internet weg ist. Sie wirken nett. Ich habe ein Buch und plane, abwechselnd zu lesen, schlafen und rauszuschauen. Mittlerweile haben wir nicht einmal mehr Netz. Wenn ich es richtig im Kopf habe, gehört Kasachstan zu den am wenigsten dich besiedelten Ländern und es ergibt ja auch irgendwie Sinn, leere Steppen nicht unbedingt mit Netzabdeckung zu versehen.

Morgen früh werde ich in Turkestan ankommen, ich bin schon gespannt, woe groß der Unterschied zur ehemaligen Hauptstadt Almaty ist.

Ich wünsche euch einen guten Start ins Wochenende!